In Silver Plume habe ich eine Lektion fürs Leben gelernt: Alte Hotels sind nur so charmant wie ihre Betten bequem sind. Es stellte sich heraus, dass nicht nur alle Wände und Böden schief waren, sondern auch das Bett ein deutliches Gefälle hatte, und der ständige Kampf gegen die Schwerkraft hat mich vom Schlafen abgehalten. Läuft man außerdem zu viel im Haus herum, besteht zudem die Gefahr, seekrank zu werden.
Zwischen Georgetown und Silver Plume verkehrt eine alte Dampflokomotive, doch den ersten Zug haben wir leider verpasst. Also sind wir mit dem Auto nach Georgetown gefahren und haben uns in der ehemaligen Bergarbeiterstadt umgesehen. Anders als Silver Plume hat sich die Stadt gut gegen den Niedergang gewehrt und voll und ganz auf den Tourismus gesetzt. Es gibt etliche Hotels, Restaurants und Souvenirläden, und die historischen Fassaden sahen im morgendlichen Licht ungemein einladend aus.
Der nächste Stopp auf unserem Tagestrip war der Loveland Pass. Wie am Vortag fuhren wir endlose Meilen den Berg hinauf, bis wir auf über 3600 Metern Höhe den Gipfel erreichten. Dort wehte ein eiskalter Wind, aber man hatte auch eine fantastische Aussicht auf die umliegenden Berge und Täler. Es sollte nicht der einzige Höhepunkt bleiben.
Um einiges niedriger liegt der Sapphire Point Overlook, von dem aus man einen herrlichen Blick auf das Dillon Reservoir hat. Die Einheimischen nehmen immer einige Nüsse mit, um dort die Streifenhörnchen anzulocken, und tatsächlich tauchen die putzigen Tiere inzwischen unverzüglich auf, sobald sich ein Mensch nähert.
Bei längeren Fahrten versuchen wir immer, einige interessante Zwischenstopps zu finden, damit man sich die Beine vertreten kann. Der Historic Park im nahen Frisco war einer davon. Der Freizeitpark liegt im Herzen der touristisch geprägten und sehr geschäftigen Stadt. Über Jahrzehnte hinweg wurden historische Gebäude aus Frisco und Umgebung hierher versetzt und sorgfältig instandgesetzt. Ein bisschen zu sorgfältig vielleicht, für meinen Geschmack, denn manche Blockhütte sah aus, als wäre sie erst letztes Jahr gebaut worden.
Ein knappes Dutzend Gebäude liefern ein interessantes Zeugnis über das Leben in Colorado vom späten 19. bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts ab, wobei der Schwerpunkt eher auf den Dreißigerjahren liegt, als die Stadt sich wie Phönix aus der Asche erhob. 1930 lebten nur noch 18 Menschen in der einst wohlhabenden Gemeinde, und interessanterweise war es ein nahezu ausschließlich weiblicher Stadtrat, der es geschafft hat, den Ort von seinen Schulden zu befreien und neue Einwohner anzusiedeln. Überhaupt haben wir auf unserer Reise durch den Wilden Westen sehr viele Geschichten über einflussreiche und engagierte Frauen gehört und gelesen, die maßgeblich zum Gedeihen ihrer Kommunen beigetragen haben, ein Aspekt, über den man allgemein – zumindest in Europa – zu wenig erfährt.
Von Frisco ging es zu einer weiteren Minenstadt, die zur Zeit ihrer Entstehung Oro City hieß, weil man hier auf Gold gestoßen war, sich 1875 aber aufgrund des Funds silberhaltigen Bleis in Leadville umbenannte. Und wieder einmal zeigt sich, wie einfallslos manche Stadtgründer bei der Namensgebung waren. In diesem Zusammenhang sollte man vielleicht noch erwähnen, dass sich Frisco nach einer Eisenbahnlinie benannt hat, in der Hoffnung, dass diese daraufhin ihre Line bis zur Stadt erweitern würde. Leider hat sich diese Anbiederung jedoch nicht ausgezahlt.
Nach den Silberfunden explodierte die Bevölkerungszahl in Leadville über Nacht und schwoll auf 30.000 an. Die reichsten Einwohner verschönerten den Ort mit beeindruckenden Wohn- und Geschäftshäusern, und es wurde das größte Opernhaus zwischen San Francisco und San Louis errichtet. Noch heute sieht Leadville, das in einem weiten Tal auf 3100 Metern Höhe liegt und damit die höchstgelegene Stadt in den USA ist, ungemein gepflegt und lebenswert aus. Auf der Harrison Avenue, der Hauptstraße, an der nahezu alle historischen Gebäude liegen, herrschte reger Verkehr, und wir waren beileibe nicht die einzigen Touristen hier.
Hinter der Stadt stießen wir auf die Anfänge des Arkansas Rivers, auf dem wir zehn Tage zuvor unsere Raftingtour unternommen hatten und der hier nichts von seiner späteren Wildheit besitzt. Stattdessen schlängelt er sich durch ein hübsches, von hohen Bergen gesäumtes Tal, das wir schließlich verließen, um uns erneut an den Aufstieg zu machen.
Der Independence Pass liegt auf knapp 3700 Metern Höhe. Die Fahrt hinauf ist ähnlich spektakulär wie jene auf der Trail Ridge Road, allerdings um einiges kürzer. Aber auch hier werden einem großartige Aussichten und eine karge Tundralandschaft geboten, die man gesehen haben sollte, und erneut wird hier oben die Luft ganz schön dünn. Auf der anderen Seite der Berge ging es dann wieder hinunter nach Aspen.
Von dieser Stadt dürften sogar die meisten Europäer schon einmal gehört haben. Aspen ist der Ort, an dem die Reichen, die Schönen und die ganz schön Reichen Urlaub machen. In der kleinen, aber ungemein herausgeputzten und blumengeschmückten Innenstadt findet man alle Luxus-Labels, die man sonst nur in den Großstädten dieser Welt vermutet. Es könnte ja schließlich ein plötzlicher Notfall eintreten und ein neues Cocktailkleid gebraucht werden. Entsprechend teuer ist das Pflaster hier. In einem durchschnittlichen Restaurant mit nicht einmal besonders guter Bewertung beginnen die Vorspeisen bei ungefähr 20 Dollar (inklusive Steuern und Trinkgeld), und da ist nicht einmal gewährleistet, dass das Essen auch schmeckt. Dennoch platzt die Stadt förmlich aus den Nähten. Überall wird gebaut und renoviert, und zahlreiche Menschen bevölkern die unzähligen Cafés und Restaurants.