Die letzten Tage unserer Rundreise brachen langsam an, und wir wollten noch einmal hoch hinaus (das geht hier auch ohne saftige Straßenbenutzungsgebühren). Deshalb fuhren wir von Colorado City in die Rocky Mountains. Der Weg führt leider über Denver, und wie schon bei unserem letzten Aufenthalt dort (angeblich erst vor einer Woche, gefühlt vor einem Monat) war der Highway selbst an einem Sonntag übervoll. Wohin fahren nur all die Leute? Liegt es vielleicht an der Pandemie, dass jeder anscheinend das Bedürfnis hat, an einem freien Tag ins Auto zu steigen und ins Grüne zu fahren?
Aus diesem Grund mussten wir auch unsere Tagesplanung kurzfristig über den Haufen werfen. Statt in der Nähe von Boulder in zwei lokalen Parks zu wandern, fuhren wir gleich in die Stadt. Die Alternative wäre, laut der Webseiten der Verwaltung, gewesen, den Wagen in einem Parkhaus in Boulder abzustellen und mit einem Shuttle zu fahren, da die beliebten Ausflugsziele hoffnungslos überlaufen sind. Das hätte aber zum einen viel Zeit gekostet, zum anderen stand uns nicht der Sinn nach einem weiteren Tag mit Gedränge auf dem Wanderweg. Und drittens sahen die Bilder der beiden Parks nicht so verlockend aus, dass wir etwas verpasst hätten. Blöderweise wussten wir das nicht, als wir die Reise geplant hatten, sonst hätten wir gleich eine andere Route genommen, und unser Reiseführer hat wieder einmal ein völlig falsches Bild vermittelt.
Boulder ist eine Uni-Stadt mit knapp 30.000 Studenten, was etwas weniger als einem Drittel der Gesamtbevölkerung entspricht. Entsprechend jung und dynamisch wirkt der Ort, mit zahlreichen hippen Vierteln und allen nur möglichen sportlichen Aktivitäten. Wir wollten uns die Pearl Street Mall ansehen, eine Art Fußgängerzone, die sich über sechs Blocks erstreckt, sogar noch ein Stückchen darüber hinaus, dann aber mit Autoverkehr.
Bei unserer Ankunft fiel uns zunächst ein, wie wir dachten, Flohmarkt auf einer grünen Wiese auf. Er lag direkt gegenüber unseres Parkhauses, weshalb wir einen kurzen Abstecher dorthin gemacht haben. Das Erste, was wir bemerkten, war eine lange Schlange vor einem Stand mit veganem Eis, dann sahen wir, dass alle anderen Foodtrucks und Stände ebenfalls vegane Speisen verkauften, andere handelten mit Büchern über wohl welches Thema? Dazu gab es Live-Musik und gemeinsame Yoga- und Meditationskurse. Das Ganze war ein veganer Rummelplatz.
Auch die Pearl Street Mall ist eine grün-alternative Einkaufsmeile mit Restaurants, Cafés und Läden, die Puzzles, Schmuck, Kristalle, Drachen oder Alpakamode verkaufen. Mir sind gleich drei Teeläden aufgefallen, was ich sehr sympathisch fand. Ein Buchladen verkündete groß auf einer Tafel, dass sie sich auf „Engel und Feen, Tarotsets sowie Spiritualität für Kinder“ spezialisiert haben. Daneben erschien die Boutique für Hunde- und Katzenmode schon geradezu normal.
Die Straße ist sehr schön angelegt, mit üppigen Blumenbeeten und etlichen Kunstwerken. Straßenkünstler führen ihr Können auf oder belegen den Mangel daran. Ein Kind dachte sich, die Übungsstunden mit einem Gelderwerb zu kombinieren und quälte auf grausamste Weise seine Geige. Wahrscheinlich haben ihn seine Eltern auf die Idee gebracht. Ein Verrenkungskünstler quetschte sich in eine winzige Plastikbox, nicht ohne zu verkünden: „Don’t be scared, I’m vegetarian.“ Aha.
Apropos Vegetarier: Auf der Suche nach einem Restaurant klapperten wir die diversen Lokale ab, konnten uns aber nicht so recht entscheiden. Irgendwie fehlte uns der typische Grillgeruch, den man sonst immer riecht, und alles wirkte angestrengt alternativ. Sogar die Namen der Restaurants klangen bemüht: Spruce Confections oder Sherpa’s Adventure. Unorthodox Kitchen für ein israelisches Lokal war schon fast wieder gut, hatte aber keine Gäste. Als wir zufällig zusammen mit einer Familie die Speisekarte vor einem Restaurant studierten, hörten wir, wie die Eltern sich dagegen entschieden, weil sie nur ein vegetarisches Gericht hatten. Das Lokal kam dann für uns auch nicht in Frage.
Stattdessen brachen wir wieder auf. Hinter der Stadt hielten wir noch kurz am Boulder Falls und machten uns zusammen mit rund fünfzig weiteren Ausflüglern auf den Weg zu einem relativ unspektakulären Wasserfall. Die Einheimischen machen dort Picknick, hängen ihre Füße ins Wasser und rauchen, dem Geruch nach zu schließen, eine ganze Menge Marihuana. Ist halt eine Studentenstadt.
Über den Peak to Peak Scenic Byway, mit gut hundert Jahren der älteste in Colorado, ging es weiter in die Rocky Mountains. In Nederland hielten wir an, um uns dieses niedliche kleine Städtchen anzusehen. Zufällig lag ein tibetisch-nepalesisch-indisches Restaurant neben unserem Parkplatz, und wir entschieden uns spontan für einen Besuch. Anscheinend leben in dieser Region viele Exil-Tibeter, sind uns doch in den letzten Tagen viele Restaurants und Läden mit tibetischem Kunsthandwerk aufgefallen. Und sie hatten sogar mehr als nur ein vegetarisches Gericht auf der Karte. Tatsächlich gab es ein Buffet mit einer Reihe von indischen Klassikern wie Butter Chicken, dem unvermeidlichen Spinat in Kokossauce (wieder ohne nennenswerten Kokosgeschmack) und Samosas. Nur um die Salatbar habe ich einen großen Bogen gemacht.
Über den Byway fuhren wir dann weiter nach Estes Park, wo wir die nächsten zwei Tage verbringen werden. Seltsamerweise hatte der Scenic Byway, der durch eine wunderschöne Berglandschaft mit sich bis zum Horizont erstreckenden Wäldern führt, überraschend wenige Haltepunkte, um die Gegend zu bewundern. Aber dazu werden wir wohl in den nächsten Tagen noch reichlich Gelegenheit haben.