Nach unserem anstrengenden Raftingabenteuer konnten wir immerhin gut schlafen, und am nächsten Morgen – und mit der Hilfe weiterer Schmerzmittel – habe ich es sogar bis zum Auto geschafft. Zum Glück war heute überwiegend ein Fahrtag, der uns vom Arkansas River zu zwei weiteren Flüssen führen sollte.
Buena Vista, das sich selbst bereits auf rund 2400 Metern Höhe befindet, ist in einem malerischen Tal angesiedelt, das von einigen Viertausendern flankiert wird. Um an unser Ziel zu gelangen, mussten wir den 3448 Meter hohen Monarch Pass (und damit auch die kontinentale Wasserscheide) überqueren. Von dort aus hat man erneut einen wunderbaren Blick auf weite, fruchtbare Täler, in denen zahlreichen Farmen verstreut liegen.
Ein Abstecher führte uns in die Curecanti National Recreation Area, benannt nach dem Ute-Häuptling Curicata. Ein kurzer Stopp an den idyllischen Dillon Pinnacles hat uns vor Augen geführt, wie märchenhaft schön die Gegend ist. Ich hätte gerne eine Wanderung gemacht, durch die wir mehr von den hohen, wunderschön verfärbten Felswänden gesehen hätten, aber das ließ mein lädierter Rücken nicht zu. Ich war schon froh, überhaupt aus dem Wagen zu kommen und die paar Meter zu den Aussichtspunkten zu schlurfen. Meine Körperhaltung erinnert zurzeit eher an eine der von Wind und Wetter verkrüppelten Kiefern, wie man sie hier überall zu sehen bekommt, als an einen Homo sapiens.
Am Blue Mesa Dam ging es dann erneut hoch hinauf in die Berge. Man hat an verschiedenen Stellen einen tollen Blick auf das wild zerklüftete Tal mit dem Gunnison River, der sich über Jahrmillionen eine tiefe Schlucht in die Granitfelsen gegraben hat. Wir sind bis zur Hermits Rest Picknic Area gefahren, haben unterwegs einige Fotostopps eingelegt und dabei auch ausgiebig die spektakuläre Flugshow der Wanderfalken bewundert, die sich hier in kleinen und größeren Gruppen auf den Felsspitzen sammeln. Mit 320 km/h sind sie die schnellsten Tiere des Planeten, und hübsch sind sie auch.
Gelegentlich kommen wir auf unserer Rundreise mit den Einheimischen in Kontakt. Beim Wandern grüßt man sich, und hin und wieder tauscht man ein paar Worte aus. Smalltalk halt. Als wir zwei älteren Frauen von den Falken erzählt und ihnen empfohlen haben, die paar Schritte zu dem Aussichtspunkt zu gehen, entspann sich ein etwas längeres Gespräch über unsere Herkunft, ihre deutschen Vorfahren und unsere Reise. Als wir – immer noch hustend – erwähnten, dass wir Covid hatten, weil außer uns kaum jemand eine Maske am Flughafen getragen hat, bekamen wir zur Antwort: „Masken funktionieren nicht.“ Okay. In solchen Momenten sollte man kurz innehalten, überlegen, ob man jetzt wirklich eine längere Diskussion über medizinische Fakten führen möchte, und dann einfach lächelnd einen schönen Tag wünschen. Es ist immer dasselbe: Man trifft Amerikaner, die ungemein freundlich sind – bis man zufällig und unbeabsichtigt ein politisches Thema anspricht (und heutzutage ist beinahe jedes Thema politisch) und sie sich in irrationale Verschwörungstheoretiker verwandeln. Oder sie einen Unsinn von sich geben, wie zum Beispiel, dass Deutschland nach dem Gesetz der Sharia regiert wird.
Leider kam unsere Reise im Anschluss gehörig ins Stocken, als wir in eine Baustelle gerieten, die mehrere Meilen lang war. Mit knapp einer Stunde Verspätung erreichten wir endlich den Black Canyon of the Gunnison National Park. Dem aufmerksamen Leser wird sofort aufgefallen sein, dass wir 2016 bereits einmal hier waren, aber der Canyon ist von so atemberaubender Schönheit, dass man ihn sich auch ein zweites Mal ansehen kann. Außerdem lag er quasi auf den Weg.
Diesmal wollten wir einiges anders machen und hatten einen Abstecher zum Crystal Dam geplant, einer der zahlreichen Talsperren, die zu einem Wasserwirtschaftsprojekt gehören, das nicht nur mehrere US-Bundesstaaten umfasst, sondern das größte weltweit ist. Angeblich hat man von dort aus einen großartigen Blick auf das bezaubernde Tal des Gunnison, doch leider sind wir gar nicht so weit gekommen, da durch eine Baustelle die Straße gesperrt war. Was wir natürlich erst erfahren haben, nachdem wir fünfzehn Minuten lang über enge Serpentinen ins Tal runtergefahren waren. Zwar konnten wir an einem Picknickplatz noch einen Blick auf den Fluss werfen, aber man könnte meinen, wir verbringen mehr Zeit auf Baustellen als in Nationalparks.
Den Rest des Tages haben wir den Gunnison nur aus weiter Entfernung bewundern können, denn das Tal, durch das er sich schlängelt, liegt bis zu 820 Meter tiefer als die vielen Aussichtspunkte am South Rim. Dafür kann man von dort aus die tiefe, geheimnisvolle Schlucht und die schroffen, von weißen und rötlichen Gesteinsadern durchzogenen Felswände bestaunen. Seinen Namen hat der Black Canyon übrigens von der Tatsache, dass sein Grund so eng und tief ist, dass er beinahe schwarz wirkt.
Neben dem Ausflug zum Crystal Dam hatten wir noch eine Wanderung geplant, die 550 Meter tief bis zum Ufer des Gunnison führen sollte. Aber dazu war ich leider nicht fähig, und außerdem war es bereits recht spät. Wir werden also ein drittes Mal herkommen müssen. Damit endete unser Tag, und wir fuhren zu unserem Hotel nach Montrose, einer netten Kleinstadt, die im späten 19. Jahrhundert entstanden ist. Mehr davon beim nächsten Mal.