Wieder einmal ging es sehr früh los, diesmal aber aus einem ganz besonderen Grund: Wir hatten bereits um kurz nach neun Uhr einen Termin in Buena Vista. Heute wollte sich Mark G. einen lang gehegten Traum erfüllen, und wir hatten eine Raftingtour gebucht. Unterwegs haben wir daher nur einen kurzen Zwischenstopp eingelegt, um einen Blick auf das Freilichtmuseum von Fairplay zu werfen, das zu dieser frühen Stunde allerdings noch geschlossen war.
Wasser ist nicht mein Element. Als Kind wäre ich beinahe ertrunken, und seitdem bekomme ich sofort Panik, wenn mein Kopf einmal unter Wasser gerät. Schwimmen ist okay, bereitet mir aber nur bedingt Vergnügen, deshalb war mir bei dem Gedanken, in einem Schlauchboot einen reißenden Fluss hinunterzufahren, mulmig zumute. Ich denke aber auch, dass es wichtig ist, immer wieder Dinge zu tun, die einen fordern – solange man seine Grenzen kennt. Also raus aus der Komfortzone und rein ins Abenteuer!
Das Abenteuer begann jedoch ganz anders, als ich es mir vorgestellt hatte, denn am Morgen zerrte ich mir den Rücken. Mit einer Schmerztablette ging es mir zwar besser, aber war es wirklich klug, den ganzen Tag auf dem Wasser zu verbringen? Sollte ich nicht lieber absagen und stattdessen sechs Stunden auf einem Parkplatz herumlungern?
Nein, auf keinen Fall! Zusammen mit unserem Führer Ryan und zwei weiteren Personen bestiegen wir ein überraschend kleines, rotes Schlauchboot und hofften das Beste. Mit uns war noch eine weitere Gruppe unterwegs, und auf dem Wasser des Arkansas Rivers herrschte sogar reger Verkehr, schließlich nennt sich Buena Vista selbstbewusst die Hauptstadt des Raftings in Colorado. Der Grund dafür ist besagter Arkansas River, der aufgrund seines Gefälles auf 2348 Kilometern ideale Bedingungen für Schlauchboot- und Kajakfahrten bietet.
Zunächst ging es fünf Meilen lang sehr gemächlich voran, was ideal war, um sich an das permanente Schaukeln zu gewöhnen und ein bisschen die Technik zu erlernen. Keiner von uns hatte zuvor eine Raftingtour unternommen, und so erfuhren wir, wie wir unsere Körper beim Paddeln einsetzen müssen, um möglichst viel Kraft aufzubringen, welche Befehle wie ausgeführt werden müssen, und auch, was im Falle eines Unglücks zu tun ist. Schwimmen, lautet die verkürzte Antwort. Wer hätte das gedacht?
Die ersten Meilen waren also sehr gemütlich und nicht viel gefährlicher als eine Wildwasserfahrt im Freizeitpark. Doch als wir schließlich in den Browns Canyon – seit 2015 ein National Monument – einfuhren, wurde die Strömung reißender. Im August führen die Flüsse selbstverständlich nicht mehr so viel Wasser wie nach der Schneeschmelze im Frühjahr, und damit die zahlreichen Touranbieter auch in den Zeiten des fortschreitenden Klimawandels weiterhin im Geschäft bleiben können, wird in den Sommermonaten inzwischen Wasser aus den Reservoirs umgeleitet. Dennoch war der Fluss an manchen Stellen höchstens knietief, und wir stießen häufig an Felsen an. Der niedrige Wasserstand wirkte sich entsprechend auf die Strömungsgeschwindigkeit aus, die jetzt im Sommer wesentlich niedriger ist. Die gleiche Partie ein oder zwei Monate früher hätte ganz anders ausgesehen und wäre vermutlich auch gefährlicher gewesen. Für uns Anfänger war es wild genug.
Nach einer Lunchpause mit Sandwiches und Snacks ging es schließlich weiter, und dieser zweite Teil der Tour war tatsächlich anstrengend. Wir paddelten manchmal wie die Wilden, um einen Felsen zu umrunden, liefen zweimal auf Grund und mussten durch Gewichtsverlagerung wieder flottgemacht werden, aber wirklich gefährlich war das alles nicht. Selbst als wir einen kleinen „Wasserfall“ herunterfuhren, war das Gefälle kaum der Rede wert. Insgesamt hatte die Tour einige sehr friedliche Momente, in denen wir sanft dahinglitten, die malerischen Felsformationen bewunderten und uns des Lebens freuten. Dann wieder gerieten wir in stark schäumendes Wasser, das über den Bootsrand schwappte und uns bis auf die Haut durchnässte, während wir um einen dicken Felsen herumgewirbelt wurden.
Browns Canyon ist eine wunderschöne, enge Schlucht, die man auf einem anderen Weg als mit dem Boot nur schwer erreichen kann. Es gibt eine alte Straße, die zu einer ehemaligen Mine führt, aber nur bedingt für die Öffentlichkeit befahrbar ist. Hier und da standen zwar Fliegenfischer im Wasser, aber als Wanderer hat man nur wenige Möglichkeiten, das Tal zu erkunden. Umso mehr genossen wir den Anblick der zerklüfteten grauen und braunen Felsen und der zahlreichen Kiefern und Weiden am blumengesäumten Ufer, auf dem sich angeblich Bighornschafe und mitunter Berglöwen tummeln – die wir natürlich nicht zu Gesicht bekommen haben. Das Exotischste war ein Kolibri, der an unserem Boot vorbeiflog.
Besorgniserregender war jedoch das Wetter. Am Morgen war es noch kühl und wolkenverhangen, dann wurde es sonnig und heiß, bevor sich gegen Mittag der Himmel wieder verdunkelte. Schwere Gewitterwolken hingen über den Bergen, es blitzte und donnerte bedrohlich, aber zum Glück zog das Unwetter in eine andere Richtung. So erreichten wir schließlich glücklich und erschöpft unseren vereinbarten Treffpunkt, wo wir von einem alten Schulbus abgeholt wurden. Kaum waren wir jedoch ein paar Meilen weit gefahren, öffnete der Himmel seine Schleusen, und es schüttete wie aus Eimern. Ich glaube, auf dem Parkplatz unseres Touranbieters, wo wir uns aus den Wasserschuhen und Regenjacken schälen und die Schwimmwesten und Paddel zurückgeben mussten, wurden wir nasser als auf der gesamten Tour.
Leider hatte unser Ausflug ein Nachspiel: Wir haben beide einen leichten Sonnenbrand auf der Nase und den Knien bekommen, und meinem Rücken ging es am Abend leider gar nicht gut. Aber irgendwie war es das alles dennoch wert.