Yellowstone ist ein Supervulkan, und der Nationalpark liegt größtenteils auf dem Gebiet seiner Caldera. Sollte es also in nächster Zeit zu einem Ausbruch kommen, wären wir live dabei, wenn auch nur für sehr kurze Zeit.
Unseren zweiten Tag im Park begannen wir sehr früh, als es draußen noch ungemütlich kalt war. Nachdem wir am Vortag den North Rim Drive abgefahren waren, wollten wir heute den südlichen Rand des Grand Canyons of the Yellowstone erwandern. Wir stellten das Auto gleich am ersten Parkplatz ab und machten uns auf den Weg, der uns zunächst durch ein Waldgebiet führte. Ein bisschen mulmig war mir schon zumute, wird man hier schließlich an jeder Stelle vor Bären gewarnt, aber je länger wir unterwegs waren, desto mehr Wanderer stießen dazu, so dass jeder Bär, der nicht gerade publicitygeil ist, garantiert das Weite sucht.
Dafür überraschten wir auf einer Wiese ein Rudel Rehe beim Frühstück. Diese Tiere sind zum Glück nicht übermäßig menschenscheu und ließen sich – mit gebührendem Abstand natürlich – bereitwillig fotografieren. Das sollte für diesen Tag auch unsere einzige Wildtiersichtung bleiben.
Danach ging es weiter entlang des Ufers des Yellowstone Rivers, bis wir auf die ersten Stromschnellen stießen. Von da an wurde der Weg immer steiler, bis wir schließlich von einer Anhöhe auf den ersten Wasserfall herabblicken konnten. Dreiunddreißig Meter stürzt das Wasser des Upper Falls hier krachend und brausend in die Tiefe und schäumt durch das schmale, aus goldgelben Felswänden bestehende Tal. Einige Meilen weiter liegen die Lower Falls, die sogar eine Höhe von 93 Metern aufweisen. Ein überaus beeindruckender Anblick.
Das Tal gehört mit zum Schönsten, das man im Park erblicken kann, was für mich völlig unerwartet kam, hatte ich Yellowstone immer mit fauchenden Geysiren und bunten Quellen assoziiert. Die Wanderung ist auch nicht zu anstrengend, obwohl es einige ätzende Steigungen gibt, bei denen man ins Schnaufen kommt, und überrascht immer wieder mit malerischen Ausblicken. Ursprünglich hatten wir sogar geplant, sowohl den South als auch den North Rim entlangzuwandern, aber nachdem wir den nördlichen Teil mit dem Wagen abgeklappert hatten, entschieden wir uns dagegen. So traumschön es auch ist, am Ende guckt man immer in dasselbe Tal.
Mit all den Fotostopps und einem Abstecher zu einem Aussichtspunkt, von dem aus man die Oberkante des oberen Wasserfalls sehen kann, hat der gesamte Ausflug rund drei Stunden gedauert. Nicht schlecht, wenn man bedenkt, dass wir über acht Kilometer gewandert sind. Deshalb war es Zeit für ein Mittagessen. Leider gibt es im Village einige Versorgungsprobleme, über die wir bereits vorab per E-Mail informiert wurden. Manches Café hat nur am Vormittag geöffnet, weil das Personal fehlt, und die Restaurants öffnen dafür erst am Abend, wenn die Grillimbisse bereits geschlossen sind. Als wir nach etwas zu essen suchten, hatten wir nur die Wahl zwischen einem lieblosen Salat (ein bisschen Grünzeug in einer Plastikbox), überteuerten Sandwiches (zwei labberige Toastbrotscheiben mit etwas Schinken oder Käse für zehn Dollar das Stück, die dennoch schon nahezu ausverkauft waren) und einem Burger in unserem Grill. Im Krämerladen haben wir immerhin Obst entdeckt (aber da weiß man ja nie, was sie damit angestellt haben, dass es nicht verdirbt), und satt wird man davon auch nicht. Blieb also wieder mal nur ein Burger.
Am Nachmittag ging es dann wieder in des Teufels Küche. Das Norris Geyser Basin vereint eine weitere Vielzahl an blubbernden Schlammlöchern, geothermalen Quellen und Geysiren, die mitunter sogar dem Besucher gefährlich werden können. Aus diesem Grund stehen auf dem Parkplatz eine Menge Tafeln, die vor herabfallenden Steinen warnen und für entsprechende Schäden an den Autos jede Haftung ausschließen. Diese drastischen Warnhinweise sind typisch für Amerika, schließlich will man möglichst nicht haftbar gemacht werden, sollte jemand zu Schaden kommen. Selbst der harmloseste Wanderweg gilt daher als brandgefährlich, und wenn man unter Herz- oder Lungenproblemen, eingewachsenen Fußnägeln oder seltenen Allergien leidet, sollte man besser im Auto bleiben.
Wirklich in Gefahr waren wir jedoch zu keiner Sekunde. Wir sind aber auch in der Regel gut vorbereitet, tragen vernünftiges Schuhwerk und schleppen immer mehr Wasser mit uns, als wir letztendlich benötigen. Und solange man auf dem Weg bleibt, passiert selbst dann nichts, wenn plötzlich ein Geysir ausbricht (hoffe ich jedenfalls.) Einmal wurden wir mit sehr warmem Wasser besprüht, ansonsten waren die schlimmsten Moment jene, in denen wir von dichten, heißen Schwefelwolken eingehüllt wurden.
Das Norris Geyser Basin ist definitiv einen Ausflug wert. Es wird mit dem Slogan „beautiful and bizarre“ beworben, also passen wir hier perfekt hin. Es gibt hier zwei Rundwege, die einen durch diesen Bereich führen und auf denen man eine Menge spuckende Geysire, dampfende Erdlöcher und in allen Farben des Regenbogens schillernde Quellen bewundern kann. Denkt man an Yellowstone, sind genau dies die Bilder, die einem als erstes einfallen.
Mit diesem Ausflug, der immerhin auch noch rund zweieinhalb Stunden gedauert hat, ging unser zweiter Tag in Yellowstone zu Ende.
Als wir am Abend unsere Eindrücke noch einmal Revue passieren ließen, dachten wir uns, schöner kann es eigentlich gar nicht mehr werden. Anstrengender eigentlich auch nicht, schließlich waren wir rund 15 Kilometer gewandert, aber in beiden Fällen sollten wir uns gründlich irren …