Wo der Teufel Ferien macht

Am nächsten Morgen war es tatsächlich so kalt, dass ich die Sitzheizung im Wagen eingeschaltet habe. Wir brachen sehr früh auf, weil einige Haltepunkte und eine längere Wanderung auf unserer Agenda standen, und schafften es, sogar noch vor dem Eingang zum Yellowstone Nationalpark drei ungeplante Zwischenstopps einzulegen. Schuld daran war die schöne Natur, die einen immer wieder mit einem hübschen Seeblick oder einem lieblichen Tal überrascht.

Unsere letzten Besuche in amerikanischen Nationalparks liegen schon eine ganze Weile zurück, daher sind wir überrascht, wie stark die Eintrittspreise inzwischen angestiegen sind. Unter Trump hat es eine massive Erhöhung gegeben, und sowohl für Grand Teton als auch für Yellowstone sind nun 35 Dollar pro Wagen fällig. Da lohnt sich der Jahrespass America the Beautiful schon beim Besuch von drei A-Parks, denn er kostet nur 80 Dollar. Falls jemand beabsichtigt, diesen Teil der USA zu bereisen – und es lohnt sich! – sollte er auch mindestens ein halbes Jahr im Voraus buchen, denn gerade in den entlegenen Gegenden gibt es nur wenige Unterkünfte, die zudem noch ziemlich teuer sind. Für das, was wir in Jackson für ein normal großes Zimmer in einem in die Jahre gekommenen Motel bezahlt haben, bekommt man in anderen Städten bereits eine Suite. Auch in Colter Bay Village waren alle Hütten schon lange ausgebucht, und Wanderer, die spontan nach einer Bleibe gesucht haben, bekamen nur noch Schlafsäcke in Baracken ohne Strom und fließend Wasser angeboten. Wahrscheinlich zum Preis eines Gebrauchtwagens.

In Yellowstone haben wir zuerst den südlichen Teil unsicher gemacht und uns das West Thumb Geyser Basin angeschaut, das größte Geysir-Becken im Park, das dem interessierten Besucher zahlreiche blubbernde Schlammlöcher und farbige Quellen am Ufer des eiskalten Yellowstone Lake präsentiert.

Über breite Holzstege kommt man von einem „Loch“ zum nächsten, was monotoner klingt als es ist. Denn manche dieser hydrothermalen Objekte sind tief und geheimnisvoll, andere schillern in leuchtenden Farben oder brodeln sogar unter Wasser. Nicht so schön ist der Gestank nach Schwefel, der über allem liegt. Man kommt nicht umhin, gelegentlich von einer sehr warmen Schwefelwolke eingehüllt zu werden, und unsere Haare und Kleider haben noch Stunden später nach faulen Eiern gerochen. Yellowstone – der Ort, wo der Teufel Ferien macht. Wäre doch ein toller Slogan. Oder nicht?

Der Schwefelgeruch hat uns noch weiter begleitet, als wir den Mud Volcano besichtigt haben. Auch hier kann man über einen Pfad, den man tunlichst nicht verlassen sollte, einmal um die diversen Naturschönheiten herumlaufen. Anschauliche Warntafeln zeigen, was passiert, sollte man doch einmal vom Weg abkommen, und es hat bereits Unfälle gegeben, bei denen Menschen ausgerutscht und im heißen Wasser ums Leben gekommen sind. Erst kürzlich wurde im Abyss Pool ein menschlicher Fuß in einem Schuh entdeckt.

Wie alle leicht zugänglichen Pfade im Park ist auch dieser Weg durchs West Thumb Geyser Basin hoffnungslos überlaufen. Waren wir früher in den Nationalparks zumindest auf den Wanderwegen nahezu allein unterwegs, schieben wir uns heute mit den Massen von einem Aussichtspunkt zum nächsten. Ideal ist das nicht, aber der Preis, den man zahlen muss, will man diese Naturwunder sehen. Schließlich hatte Yellowstone vergangenes Jahr fast fünf Millionen Besucher, und diese kommen nahezu ausschließlich in den Sommermonaten. Kein Wunder, dass es hier bisweilen zugeht wie auf dem Rummelplatz.

Nachdem wir die letzten Schwefelquellen besichtigt hatten, ging es durch das malerische Hayden Valley zum Canyon Village, wo wir unsere Unterkunft gebucht hatten. Angeblich soll es im Hayden Valley Bisons geben, die dort ihre Weideplätze haben, und tatsächlich kam es auf der Strecke zu einem Verkehrsstau, weil in mindestens einem halben Kilometer Entfernung ein Exemplar gesichtet wurde. Ein Bison. Möglicherweise. Denn zu sehen war nur ein brauner Fleck, der für mich auch ein Felsen hätte sein können. Aber die Menschen waren aus dem Häuschen, als würde gerade eine riesige Bison-Herde über die saftigen Wiesen schreiten. Solche plötzlichen Verkehrsstaus haben wir noch häufiger erlebt, aber nur einmal tatsächlich ein Tier gesehen. Ein Reh. Von der Art, die in meiner sauerländischen Heimat am hellen Tag in den Gärten auftaucht und frech die Rosenstöcke anknabbert.

Als wir im Village ankamen, war es gerade Mittagszeit, und wir entschlossen uns, etwas zu essen. Groß ist die Auswahl hier nicht, es gibt immerhin ein paar Restaurants und Cafés, die vom selben Betreiber geführt werden und vermutlich weitgehend das gleiche Essen anbieten. Vegetarier haben hier ungemein schlechte Karten. Für sie gibt es nur ein gegrilltes Käsesandwich (das ganz okay war) und vielleicht einen Black Bean Burger, falls das Patty tatsächlich aus Bohnen bestehen sollte und nicht heimlich noch Bacon untergemogelt wird. Das Lokal, in dem wir waren, ähnelte einem klassischen Diner, wobei es statt Tischen mehrere Tresen gab, an denen man sitzen konnte. Auf diese Weise können mehr Gäste auf einmal bedient und zwei Drittel des Gebäudes für Souvenirstände reserviert werden. Schönen Gruß vom Kapitalismus.

Unsere Unterkunft befindet sich in einem großen Hotel, ist sehr komfortabel und besitzt – Amerikaner verfallen vermutlich in Schnappatmung, wenn sie dessen gewahr werden – keinen Fernseher. Ich glaube, wir hatten auch in ein, zwei anderen Unterkünften keinen Fernseher, ich habe aber nicht darauf geachtet, weil wir ihn ohnehin nicht benutzen. Diesmal ist es uns aufgefallen, ebenso wie der riesige Mülleimer, der zum Recyceln einlädt. Dass es angesichts dieser ökologisch sinnvollen und progressiven Ideen keine nennenswerten vegetarischen oder gar vegane Speisen in den Restaurants gibt, verwundert einen schon.

Nach einer kurzen Pause, um uns von den Anstrengungen zu erholen, ging es am späten Nachmittag noch zum North Rim des Grand Canyon of the Yellowstone, den man mit dem Wagen abfahren oder erwandern kann. Ursprünglich wollten wir wandern, waren aber zu müde und entschieden uns fürs Auto, um von den Parkplätzen zu den diversen Aussichtspunkten zu laufen. Was in der Summe dann trotzdem noch ein paar Kilometer waren. Vor allem der Weg zur Überflusskante des unteren Wasserfalls hatte es in sich, ging es doch 180 Meter in ein Tal hinunter, die man später wieder hinaufklettern musste. Erstaunlich viele Amerikaner haben sich auf dieses Abenteuer eingelassen, wieder viele in Flip-Flops oder sogar Pantoffeln! Kein Wunder, dass gleich mehrere auf die Nase gefallen sind.

Letzten Endes sind all diese Strapazen aber die Mühe mehr als wert, denn der Canyon zählt zu den Highlights des Parks, wenn auch die Geysire und heißen Quellen typischer für Yellowstone sind. Der Ausblick auf den schmalen, tiefen Canyon, der aus goldgelben, zerklüfteten Felswänden besteht, mit den beiden Wasserfällen ist auf jeden Fall traumhaft.