An diesem Morgen kamen wir nicht so recht aus den Startlöchern. Wir haben länger geschlafen als geplant, wollten aber noch frühstücken, weil wir wussten, dass es ein langer Tag werden würde, aber das Restaurant, das im Internet als besonders gut angepriesen wurde, war vollbesetzt, und wir hätten eine halbe Stunde auf einen Tisch warten müssen. Wer hätte gedacht, dass sich auch andere auf Rezensionen im Internet verlassen?
Zum Glück haben wir immer einen Plan B in petto (okay, ausnahmsweise) und steuerten ein anderes Restaurant an: Bubba’s Bar-B-Que. Der Name suggeriert Südstaatenflair, und tatsächlich standen Biscuits auf der Karte und statt der üblichen Hash Browns hätte man auch Grits (eine Art herzhafter Grießbrei) wählen können. Das Frühstück war ziemlich gut, natürlich sehr amerikanisch mit Eiern, Bacon, Toast und Bratkartoffeln und so reichhaltig, dass ich es nur mit Mühe geschafft habe. Mark G. war heute mexikanisch unterwegs und hatte Tacos.
Unsere Kellnerin war hingegen speziell. Sie sah aus wie Marcia Gay Harden und hatte eine seltsame Art, den Kopf leicht nach hinten zu werfen, ihre spitze Nase in die Luft zu strecken und einen abschätzig anzublicken. Ein bisschen erinnerte sie mich an die Kellnerin in Hell or High Water. In einem solchen Fall kann man nur eines tun: gnadenlos freundlich sein. Und tatsächlich wurde sie immer umgänglicher und hat zum Abschied sogar gelächelt. Vielleicht wollte sie auch nur ein gutes Trinkgeld.
Von Jackson aus ging es dann weiter zum Grand Teton National Park, benannt nach dem höchsten Berg im Park. Angeblich geht der Name auf ein paar französische Pelzhändler mit versauter Fantasie zurück, die in den Bergen große Brüste (grandes Tétons) zu erkennen glaubten.
Am Vormittag war es mit 13 Grad noch ziemlich frisch, und so steuerten wir zunächst nur einige Haltepunkte an. Den Anfang machten die Überreste einer Filmkulisse, die 1953 für den Western Mein großer Freund Shane errichtet worden waren und nun auf denkbar malerische Weise vor den schneebedeckten Gipfeln der Grand Tetons verfallen. Die nicht ganz so verwitterte Scheune von John Moulton, die einst Teil eines blühenden landwirtschaftlichen Betriebs war, stand danach auf dem Programm. Waren wir beim ersten Stopp noch alleine, teilten wir uns nun den Parkplatz mit einem Dutzend weiterer Wagen.
Das hätte uns bereits eine Warnung sein sollen. Auch der eigentliche Eingang zum Nationalpark war so überfüllt, dass wir einige Minuten im Stau verbrachten. Immerhin sind wir mitten in den Ferien, und neben einigen Europäern (weniger als im Herbst) sind sehr viele Amerikaner im Urlaub. Die Kennzeichen stammten aus Kalifornien, Washington, Idaho, Texas, Oklahoma und sogar aus Florida und New York. Von da an waren wir eigentlich nie mehr alleine unterwegs.
An den diversen Fotostopps war das kein Problem, konnte man sich doch gut aus dem Weg gehen und fand immer ein Fleckchen, um seine Bilder schießen zu können. Problematisch wurde es aber, als wir gegen Mittag wandern wollten. Es gibt sehr viele Trails im Park, aber viele sind recht lang und führen tief in die Berge. Im Nachhinein denke ich, es wäre besser gewesen, nur einen halben Tag in Salt Lake City zu verbringen und dafür hier einen Tag anzuhängen, aber vielleicht kommen wir ja noch einmal in die Gegend und können weitere Wanderungen unternehmen.
Für diesen Tag hatten wir uns für eine Erkundung des Jenny Lakes entschlossen (wir und hunderttausend andere Besucher). Man kann auch, wenn man einige Stunden Zeit hat, einmal um den See herumwandern und sich dabei die Naturschönheiten auf dem Weg ansehen (und einem Elch, Hirsch oder vielleicht sogar einem Bären begegnen). Oder man kann sich einfach mit dem Boot übersetzen lassen und den rund zwei Meilen Fußmarsch sparen. Wir waren sogar noch fauler und haben auch gleich die Rückfahrt gebucht, was sich später als Glücksgriff erweisen sollte. Ein weiterer Grund für diese Lösung war, dass wir keinen Parkplatz gefunden haben, obwohl es wirklich eine Menge davon gibt, und wir anderthalb Kilometer vom Seeufer entfernt am Straßenrand parken mussten.
Die Überfahrt dauerte nicht lange und war – inzwischen war es wieder heiß geworden – angenehm erfrischend. Am anderen Ufer angelangt, machten wir uns auf den Weg zu den ausgewiesenen Must-Sees: Hidden Falls und Inspiration Point. Beide Wanderungen waren mit einem gewissen Anstieg verbunden, im letzten Fall mussten wir sogar eine schmale Felskante entlanglaufen – bei stetem Gegenverkehr. So anstrengend wie am Vortag war es bei weitem nicht, dafür sehr abwechslungsreich. Wir durchquerten meistens einen dichten Wald, bewunderten einen reißenden Gebirgsbach und einen Wasserfall und stiegen dann auf einen Berg hinauf, um die grandiose Aussicht auf das Tal zu genießen. So weit, so beeindruckend. Problematisch war dabei, dass es von Menschen nur so wimmelte. Vielleicht war das Gedränge nicht ganz so schlimm wie im Sommer auf dem Markusplatz in Venedig, aber viel hat nicht dazu gefehlt. Beim Aufstieg musste man sogar Schlange stehen, so viele Wanderer suchten nach Inspiration.
Merkwürdig war dabei, dass es vor allem Amerikaner waren, die gewandert sind, sehr viele von ihnen allerdings schlecht vorbereitet, mit viel zu wenig Wasser und schlechtem Schuhwerk. Wer geht denn bitte schön in Flipflops wandern? Auf der anderen Seite haben wir am Vortag ein chinesisches Paar getroffen, das sich von Uber (!) zum Trail hat fahren lassen und dann mangels Netzempfang gestrandet war.
Die vielen Menschen störten natürlich die natürliche Stille der Natur. Und sie liefen einem ständig ins Bild oder quatschten in die Videoaufnahme. Am schlimmsten waren jedoch die idiotischen Eltern, die ihre Kinder ohne Wasser stundenlang wandern oder sie auf rutschige Steine in einem reißenden Fluss klettern lassen. Das ist insofern bemerkenswert, wenn man bedenkt, dass man hierzulande bereits eine Anzeige wegen Kindesmisshandlung riskiert, wenn man seine lieben Kleinen ohne Aufsicht im Vorgarten spielen lässt.
Nach zwei Stunden ging es wieder über den See zurück (freilich nicht, ohne vorher rund vierzig Minuten Schlange zu stehen). Danach standen noch ein paar Aussichtspunkte auf dem Programm, unter anderen eine Fahrt zur Spitze des 2355 m hohen Signal Mountains, von dem man das gesamte Tal überblicken konnte. Auf dem Rückweg haben wir sogar einen kapitalen Hirsch gesehen, der von mehreren Park Rangern begleitet wurde, die aufpassten, dass er nicht auf die Straße lief. Einen Elch haben wir leider nicht zu Gesicht bekommen und glücklicherweise auch keinen Bären. Wobei wir gehört haben, dass diese vor allem in der Früh unterwegs sind. Da hatten wir tatsächlich Glück, dass wir heute später dran waren …
Die Nacht verbrachten wir im Nationalpark, genauer gesagt, in einer rustikalen Blockhütte mitten im Wald, die vor genau hundert Jahren erbaut worden war. Das Colter Bay Village besteht aus einer Vielzahl dieser Hütten, die wie in einer typischen Vorortsiedlung entlang schmaler Straßen stehen. Sie sind nicht groß, wenn auch nicht so winzig wie unsere Unterkunft in Baker, und besitzen durchaus einen gewissen Charme. Einzig die Nummerierung ist mehr als chaotisch, dagegen ist die Nummerierung von Häusern in Berlin geradezu logisch und folgerichtig.
Im Vergleich zum touristischen Jackson gibt es hier in der Pampa fast nichts, weder Internet in den Hütten noch eine große Auswahl an Restaurants. Immerhin kann man zwischen zwei Lokalen wählen, und wir bestellten uns eine Pizza. Für amerikanische Verhältnisse war sie erstaunlich okay, wenn auch viel zu fettig, und der Boden hat beim Kauen geknirscht, vermutlich weil der Teig auf zu viel Hartweizengrieß ausgerollt wurde. Sie war mit 30 Dollar auch recht teuer, aber dafür so groß, dass wir sie zu zweit nur mit Mühe geschafft haben. Mal sehen, wie es in den nächsten Tagen mit der Unterkunft und Verpflegung in Yellowstone sein wird.