Nicht ohne Nebo

Am nächsten Morgen sah der Himmel wieder so aus, als könnte er kein Wässerchen trüben. Wir brachen diesmal nicht ganz so früh auf, da wir im Prinzip nur nach Salt Lake City fahren wollten – mit einem kleinen Umweg über den Nebo Loop National Scenic Byway. Diese ausgewiesenen Panoramastraßen sind in der Regel immer eine gute Alternative, wenn man es nicht besonders eilig hat und die schöne Landschaft genießen möchte.

Zunächst ging es jedoch durch ein weites Tal mit stoppeligem gelb-braunem Präriegras, das am weit entfernten Horizont von zerklüfteten Bergen gesäumt wurde. Abwechslungsreich kann man die Landschaft nicht gerade nennen. Wir überquerten bereits wenige Meilen hinter Baker die Grenze zu Utah, und es sollte über achtzig Meilen dauern, bis wir erneut auf Anzeichen menschlicher Zivilisation stießen.

Immerhin wurde die Landschaft nach einiger Zeit abwechslungsreicher. Wir durchquerten tiefe Täler, passierten massive Gebirgsformationen und gelangten endlich in fruchtbarere Landstriche. Erste Dörfer tauchten auf, dann typisch amerikanische Kleinstädte, die entlang einer schnurrgeraden Hauptstraße gewachsen waren, und dazwischen reihte sich eine Farm an die nächste. Auch das ausgedörrte Präriegras wich einer saftigen, grüneren Vegetation, die auf intensive Bewässerung schließen lässt, es gab zudem jede Menge Kühe und Pferde sowie wogende Maisfelder zu bewundern.

Die erste „größere“ Ortschaft war schließlich Nephi mit fünfeinhalbtausend Einwohnern, wo wir unseren Tank und unsere Mägen füllen wollten. Durch Zufall entdeckten wir Lisa’s Country Kitchen, die von außen recht sympathisch aussah, innen aber so dunkel wie in einem mittelalterlichen Kerker war. Wir stolperten hinter unserer sehr netten Bedienung zu einem Tisch und bestellten Sandwiches und Burger, die ziemlich lecker waren. Solide amerikanische Küche, wie wir sie in den nächsten Wochen noch häufig genießen werden.

Im Anschluss folgte das Highlight des Tages: die Fahrt über den Nebo Loop. Dieser führt 35 Meilen durch den Uinta National Forest, hinauf in die Berge, von denen man spektakuläre Ausblicke auf das weite Tal, das wir auf unserer Fahrt hierher durchquert hatten, sowie auf den Mount Nebo genießen kann. Es gibt sehr viele Campingplätze hier, aber es scheint auch, als dürfe man wild campen, denn wir sahen an den entlegensten Orten Wohnmobile und Zelte stehen. Unterwegs muss man jedoch immer damit rechnen, dass Kühe oder Rehe die Straße kreuzen, und wer weiß, was sich sonst noch in den Wäldern versteckt?

Landschaftlicher Höhepunkt war eindeutig Devil’s Kitchen, eine Ansammlung knallroter Felsen, die aufgrund ihrer Farbe und Formation stark an Bryce Canyon erinnern. Bei dem Anblick ging mir das Herz auf. Überhaupt waren die Ausblicke von den diversen Haltepunkten sensationell. Leider hatten wir erneut etwas Pech mit dem Wetter, denn eine Gewitterfront war uns dicht auf den Fersen und holte uns schließlich ein. Immerhin hatten wir zu dem Zeitpunkt den größten Teil des Loops bereits hinter uns, aber ein paar sonnigere Bilder wären schon schön gewesen.

Nach diesem Abstecher, der fast zwei Stunden gedauert hat (weil irgendjemand viel zu viele Fotos und Videos machen musste), ging es über den Freeway weiter nach Salt Lake City. Dummerweise kamen wir in den Feierabendverkehr, und dann fing es auch noch an zu regnen. Prompt kam es zu zwei Unfällen und weiteren Verzögerungen, weshalb wir erst am späten Nachmittag unser Hotel erreichten.

Ein Abstecher zum nahen Salzsee machte bei dem Wetter keinen Sinn, weshalb wir im Hotel blieben, unsere Wäsche wuschen und versuchten, ein wenig Arbeit nachzuholen. Wir sind ja nicht nur zum Vergnügen hier. Auch das Abendessen nahmen wir im hauseigenen Grill ein und bestellten Flatbreads, bei denen vermutlich die Focaccia Pate stand, die aber eher an eine Pizza erinnerten. Für ein leichtes Abendessen waren sie ideal.

Dieser Eintrag wurde veröffentlicht in Mark G. & Pi Jay in La-La-Land 2022 und verschlagwortet mit , von Pi Jay. Permanenter Link zum Eintrag.

Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem Öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.