Schnaufen und Sterne gucken

Woran erkenne ich, dass ich Urlaub habe? Dass ich im Morgengrauen aufstehe. Um kurz nach sieben Uhr unchristlicher Zeitrechnung verließen wir bereits das Casino Royale und machten uns wieder auf den Weg. Ein sehr langes Stück dieses Wegs führte uns durch eintönige, staubtrockene Wüste, die zwar am Horizont von hübschen Bergen flankiert wurde, aber dennoch nach kurzer Zeit ziemlich langweilig wurde.

Umso erfreulicher war dann der Anblick des Pahranagat Valleys, das den Höhepunkt seines Ruhms 1862 erreichte, als der erfundene Artikel eines Humoristen über die mysteriösen „rollenden Steine“ des Tals für Aufsehen im Sommerloch sorgte. Das saftige Grün der Wiesen und Bäume sowie zwei kleinere Seen sind jedenfalls eine wohltuende Ausnahme im grau-braunen Einerlei der sonstigen Landschaft.

Genießen konnten wir das alles jedoch leider nicht, weil auf dem Armaturenbrett unseres Wagens plötzlich eine Fehlermeldung aufleuchtete, die uns gemahnte, den Reifendruck zu überprüfen. Zum Glück mussten wir nur einen zwölf Meilen langen Umweg fahren, um das Problem zu beheben, aber die nächste Fehlermeldung, diesmal das Lenksystem betreffend, kam schon eine Stunde später. Vor vier Jahren hatten wir schon einmal eine Menge Ärger mit unserem Mietwagen und waren sogar gezwungen, ihn zu wechseln. Hoffen wir mal, dass wir heuer nicht so viel Stress mit unserem Vehikel haben werden.

Dass wir nahezu zeitgleich auch für mehrere Stunden das Handynetz und damit unser Navi verloren haben, kam als Kirsche noch oben auf das Sahnehäubchen der Ärgernisse drauf. Irgendwie war an diesem Tag der Wurm drin, und wir haben insgesamt mit der Lösung der Probleme so viel Zeit verloren, dass wir unseren Abstecher zu Cathedral Gorge ausfallen ließen. Schade, aber wir waren vor sechs Jahren bereits einmal dort und haben damals tolle Fotos geschossen.

Immerhin blieb uns Zeit für ein spätes Frühstück im Side Track Restaurant in Caliente, einem kleinen, aber properen Kaff in Nevada. Wir hatten beide einen Frühstücks-Burrito, womit man nicht viel falsch machen kann, aber die Bestellung dauerte leider ziemlich lange und sorgte dadurch für weitere Verzögerungen in unseren Tagesablauf.

Daher war es bereits Nachmittag, als wir endlich in Baker eintrafen. Für lange Wanderungen war keine Zeit mehr, aber wir fuhren mit dem Auto in die Berge des Great Basin National Park, stoppten an den beiden Overlooks, um einen Blick auf das weite Tal und den majestätischen Wheeler Peak zu werfen, und entschieden uns dann für den Alpine Lakes Loop. Dieser führt 134 Meter hoch ins Gebirge zu zwei ziemlich kleinen, aber hübsch gelegenen Seen (Stella und Teresa Lake). Was man allerdings wissen sollte: Die Wanderung beginnt bereits auf über dreitausend Metern Höhe. Vier Tage nach einer überstandenen Covid-Infektion im Hochgebirge wandern zu gehen, ist vielleicht nicht die beste Idee, die wir je hatten.

Aber trotz der Kopfschmerzen, dem ständigen Schnaufen und Stöhnen sowie der Tatsache, dass weite Strecken mit tückischen Steinen übersät waren, war es eine sehr schöne Wanderung. Wir haben putzige Gebirgsstreifenhörnchen gesehen und wilde Truthähne, und obwohl alles ziemlich anstrengend war, haben wir unsere erste Wanderung genossen. Und sogar das Wetter hat einigermaßen mitgespielt. Bei unserer Ankunft nieselte es noch, doch später klarte es auf, und die Wolkenformationen am Himmel waren fantastisch.

Bei unserer Ankunft am Hotel am späten Nachmittag waren wir entsprechend müde und hungrig. Baker hat weniger als siebzig Einwohner, aber drei Motels, die jedoch ebenfalls sehr klein sind. Unser Stargazer Inn ist ein schnuckeliges, quietschbuntes Domizil mit Hippiecharakter, nicht unbedingt das, was wir sonst gewohnt sind, aber sehr einladend, und die Besitzerin ist ein Schatz. Von ihr bekamen wir auch den Tipp, nebenan am mexikanischen Foodtruck zu Abend zu essen, was wir nicht bereut haben. Gab es bereits zum Frühstück einen Burrito, kann es ja nicht schaden, den Tag mit einem weiteren ausklingen zu lassen. Oder?

Leider wurden unsere weiteren Pläne für den Abend vom Wetter zunichte gemacht. Baker ist nämlich berühmt dafür, weniger Lichtverschmutzung als die meisten anderen amerikanischen Städte aufzuweisen, weshalb man hier an klaren Tagen unzählige Sterne am Firmament bewundern kann. Wir hatten uns bereits lange darauf gefreut, aber am Abend zog es sich dann immer mehr zu, es begann wieder zu nieseln, und statt in die Sterne guckten wir am Ende in die Röhre.

Dieser Eintrag wurde veröffentlicht in Mark G. & Pi Jay in La-La-Land 2022 und verschlagwortet mit , von Pi Jay. Permanenter Link zum Eintrag.

Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem Öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.