Ich wünschte, ich hätte eine Menge Aufregendes oder Spaßiges über die vergangene Woche zu berichten. Etwa über unseren Besuch in der Hollywood Bowl oder einem Treffen mit Freunden, nur leider ist es dazu nicht gekommen. Stattdessen lagen wir mit Corona im Bett. Wer schon mal erkältet war, weiß, wie mies man sich fühlt, ungefähr so, als wäre man von einem Bus überfahren worden, und Männer leiden bekanntlich auch viel, viel stärker. Das ist von männlichen Wissenschaftlern eindeutig bewiesen worden.
Im Nachhinein kann man natürlich spötteln, doch ein Spaß war es leider nicht. Auch wenn unsere Symptome nicht zu stark ausgeprägt waren, wir unser Immunsystem mit Ingwershots gestärkt und Long Covid mit hochdosiertem Vitamin D vorgebeugt haben, weiß man doch nie, welche Folgen eine Corona-Erkrankung mit sich bringt. Ich hoffe vor allem, dass sich die Erschöpfung bis zum Beginn unseres Wanderurlaubs wieder legen wird, sonst glaube ich kaum, dass wir einem Bären davonlaufen könnten (was man ja ohnehin nicht tun sollte).
Natürlich ist es ärgerlich, gleich zu Beginn des Urlaubs krank zu werden, aber besser jetzt als unterwegs, und unsere Freunde haben sich wirklich fürsorglich um uns gekümmert. Wir haben also einmal mehr Glück im Unglück gehabt. Und, um noch einen positiven Nebeneffekt zu erwähnen, ich glaube, ich habe ein oder zwei Kilos abgenommen. Nur ist das keine Diät, die ich jemandem empfehlen würde.
Drei Tage lang ging es uns ziemlich schlecht, dann war es, von leichtem Schnupfen und Husten abgesehen, vorbei, und es hieß: warten, warten, warten. Am Sonntag war dann auch endlich unser Covid-Test wieder negativ und wir damit aus der Isolation entlassen. Als wir das erste Mal aus dem Haus ins grelle Sonnenlicht stolperten, kamen wir uns vor wie Strafgefangene, die wieder in die Freiheit und Zivilisation entlassen wurden. Die Welt wirkte größer, lauter und bunter – und irgendwie falsch, so als würde man gar nicht richtig dazugehören. Sogar meine Augen mussten sich erst wieder daran gewöhnen, in die Weite zu blicken.
Wir unternahmen einen Ausflug in die Del Amo Mall, einer der größten Shopping Malls in Los Angeles, die sich nur wenige Autominuten von unserer Unterkunft entfernt befindet, um für die Reise noch einige Dinge einzukaufen, insbesondere Kleidung. Leider wurden wir wieder nicht fündig, entweder gefielen uns die Sachen nicht, oder es gab sie nicht in unserer Größe. Auch einige der Läden, in denen wir früher häufig eingekauft haben, gibt es nicht mehr. Selbst Johnny Rockets, der gemütliche Diner im Fünfzigerjahre-Stil, ist inzwischen Geschichte. Dafür steht direkt gegenüber, wo früher ein riesiger Parkplatz war, nun eine quietschbunte, türmchenbewehrte Plastiklandschaft, die sich rühmt, die weltgrößte Hüpfburg zu sein.
Erstaunlich vieles ist jedoch gleich geblieben. Jede Mall empfängt einen nach wie vor mit dem typischen Grillgeruch seiner Restaurants und laut plärrender Popmusik aus versteckten Lautsprechern, die einem spätestens nach einer halben Stunde gewaltig auf die Nerven geht. Ein neuer Trend sind aufwändig gestaltete Outdoor-Lounge-Bereiche mit Kunstrasen, Bänken und Tischen, manchmal sogar Wasserspielen, wo man sich zwanglos treffen und aufhalten kann. Die Malls müssen sich aber auch einiges einfallen lassen, um weiterhin Kunden anzulocken, denn gerade während der Pandemie hat der Onlinehandel noch weiter an Bedeutung zugenommen. Deshalb gibt es nach wie vor sehr viel Leerstand und mehr Restaurants als früher.
Eine Sache, die mich immer wieder in Erstaunen versetzt, betrifft die Jeansgrößen. Wie kann es sein, dass die Amerikaner immer dicker werden – die Europäer übrigens auch, viele Deutsche haben, wie kürzlich zu lesen war, in der Pandemie teilweise deutlich an Gewicht zugelegt – die Jeansgrößen mancher Marken aber fast nur noch aus Skinny, Super Skinny, Slim Fit Skinny und Atlhetic Skinny bestehen? Eine passende Jeans zu finden, erweist sich als Herausforderung, es sei denn, ich kapituliere und nehme gleich eine Seniorenjeans, die so weit geschnitten ist, dass man darunter bequem eine Erwachsenenwindel tragen kann.
Nach diesem eher ernüchternden Shopping-Erlebnis, am Ende habe ich wenigstens zwei nicht zu hässliche T-Shirts erstanden, waren wir schon reichlich geschafft, hatten aber auch Hunger. In der Woche unserer Krankheit hatten wir immerhin einmal Chicken Teriyaki von Rascal’s sowie ein wunderbares Mahl aus dem peruanischen Restaurant El Pollo Inka, das in der Gegend für seine leckeren Grillhähnchen berühmt ist. Und am Samstag gab es frische Donuts von Krispy Kreme, die für mich besten Donuts der Welt. Ich weiß, die Kringel erfreuen sich gerade in Deutschland großer Beliebtheit, und an jeder Ecke schießen die Läden wie Pilze aus dem Boden, aber sie sind mir alle entweder zu trocken oder zu fettig. Die Donuts von Krispy Kreme bestehen jedoch aus einer dünnen, leicht knusperig-zuckerigen Hülle – und einer Menge Luft mit köstlichem Vanillegeschmack. Als hätten sie Sauerstoff frittiert. Vor allem, wenn sie frisch gebacken sind – erkennbar am roten Licht, das an der Fassade brennt – sind sie einfach um Lichtjahre besser als jeder mir bekannte Schmalzkringel. Und ich hab schon etliche davon probiert.
Inzwischen waren wir von der Del Amo Mall zum Manhattan Village gefahren, einer Mall, die in den letzten Jahren um einen großen Outdoor-Bereich erweitert und insgesamt modernisiert wurde. Das Ambiente war schon früher ein bisschen edler als in anderen Malls, weniger zum Herumlungern für gelangweilte Teenager, sondern eher für ihre Mütter nach einer Tennisstunde. Jedes zweite Auto in der Parkgarage war entweder ein ausländisches, meist deutsches Fabrikat oder wenigstens ein Elektrofahrzeug. Vor allem der Außenbereich hat sich enorm gemacht, besitzt anmutig geschwungene Wasserbecken, gemütliche Sofas und Rasenflächen, und rings um die Halle herum sind unzählige Restaurants und Cafés hinzugekommen.
Wir entschieden uns für einen Lunch bei Island’s, einem Burgerladen im legeren Hawaii-Stil, in dem wir früher häufig zu Gast waren. Die berühmte Tortillasoup schmeckt immer noch sehr gut, und die Sandwiches waren okay. Im Nachhinein denke ich, ich hätte nur Suppe essen sollen. Aber es war, trotz der Nähe zum Meer, die sich in einer frischen Brise bemerkbar machte, ziemlich schwül und warm, nicht gerade ideales Wetter für Suppe. Zum Nachtisch gönnten wir uns dann eine Portion Eis von Handel’s Homemade Icecream. Das Geschäft gibt es bereits seit 1945, und es gilt als eine der besten Adressen der Stadt, wenn es um Eis geht. Die Niederlassung im Manhattan Village ist neu, entsprechend lang waren die Schlangen, aber das Eis lohnt sich.
Schwierig ist nur die Bestellung. Nachdem man lange gewartet und die Karte mit den 44 verschiedenen Sorten rauf und runter studiert hat, steht man dann endlich am Bestellschalter – und kann sich nicht entscheiden. Vor vier Jahren hatte ich ein dunkles Schokoladeneis mit Himbeerswirl und hoffte, es würde Black Raspberry heißen, aber das entpuppte sich dann als eine Art Waldfruchteis. Der Rest bestand aus den üblichen karamelligen Sorten: Butter Scotch, Chocolat Peanut Butter Brownie (da wird man schon allein vom Namen dick und rund) und Praline Pecan, das so dekadent schmeckt wie es heißt. Bei Mark G. kam anstelle der Waldfrucht noch ein Orangeneis dazu. Wir dachten uns, wir bestellen etwas, das mit man mit „vier Probier-Löffelchen“ umschreiben kann, um so mehrere Sorten zu testen – und endeten mit einem Pfund Eiscreme für jeden von uns. Wer hätte auch ahnen können, dass die Probierlöffel so riesig sind? Es war definitiv zu viel. Aber sehr, sehr lecker. Danach sind wir dann nach Hause gerollt …