Dem glücklichen Urlauber schlägt bekanntlich keine Stunde, dem vom Jetlag geplagten hingegen schon, und er zählt sie in den quälend langsam verstreichenden schlaflosen Augenblicken. Aber das ist okay, in ein paar Tagen ist auch das Geschichte. Unser erster Tag in L.A. begann mit der Abholung des Mietwagens. Zum ersten Mal haben wir nicht am Flughafen gebucht, sondern in einer kleinen Niederlassung in der Nähe unseres Wohnorts, was nicht nur viel preisgünstiger ist, sondern auch schneller geht. Es gab keine langen Schlangen, und die beiden Mitarbeiterinnen waren sehr freundlich. Für unsere ersten Tage in L.A. hatten wir einen Kleinwagen reserviert, doch den gab es leider nicht, weshalb wir nun mit einem SUV unterwegs sind. Einem kleinen zwar, doch immer noch viel zu groß für uns.
Wer diese Kolumne regelmäßig liest, weiß, dass unser erster Ausflug immer nach Hermosa Beach führt. Sand, die Melodie sanft heranrollender Wellen, fröhliche Menschen, die sonnenbaden oder Beach Volleyball spielen, der Geruch nach Salz, der Eindruck von Weite und Freiheit – da kommt sofort Urlaubsstimmung auf. Es war heiß, aber auch recht windig, und wir unternahmen unseren üblichen Spaziergang über die Promenade zur Cheesecake Factory. Viele unserer amerikanischen Freunde und Verwandte rümpfen bei dem Namen immer die Nase, als ob es ein Restaurant wäre, in dem man sich besser nicht sehen lassen sollte, weil man sonst ins Visier des FBI, Abteilung Organisiertes Verbrechen, gerät. Woher dieser schlechte Ruf stammt, entzieht sich meiner Kenntnis, denn das Essen ist gut.
Okay, der Salat, den wir dort jedes Mal essen, ist gut. Ich glaube, vor Jahren habe ich mal ein Sandwich probiert, aber da es sich hierbei um ein Ritual handelt, bei dem man kein Jota vom vorgegebenen Ablauf abweichen darf, kenne ich eigentlich nur Sheilas Chicken and Avocado Salad, der mit atemberaubenden 1810 Kalorien zu Buche schlägt. Das liegt vermutlich vor allem am süßen Koriander-Limettendressing, den Nüssen und Avocados. Dagegen ist der Dulce de Leche Caramel Cheesecake mit 1390 Kalorien, den wir uns zum Dessert geteilt haben, fast schon ein Diätessen. Und wir sprechen hier nur von einem schmalen Stück und nicht dem ganzen Kuchen. Aber im Urlaub zählen die Kalorien ja glücklicherweise nicht.
Leider hat das Essen ein wenig länger gedauert als geplant, weshalb der Ausflug an den Strand etwas verkürzt werden musste. Aber es schön, wieder hier zu sein, und L.A. ist inzwischen so etwas wie ein Zuhause fernab von der Heimat.
Der Samstagmorgen begann, wie so oft nahe der Küste, etwas diesig, aber gegen Mittag kam die Sonne raus, und wir fuhren zum Shoppen. Leider verführen die Inflation und der schwache Wechselkurs nicht gerade zum Einkaufen, und auch bei den konsumfreudigen Amerikanern macht sich inzwischen Katerstimmung breit. Vor allem die gestiegenen Lebensmittelpreise bereiten hier vielen Menschen Sorgen. Schon früher war es weitaus billiger, essen zu gehen als selbst zu kochen, und dieser Trend wird sich in Zukunft wohl noch weiter verstärken.
Die Preise für Kleidung sind, mit der Ausnahme weniger Markenprodukte, inzwischen bei weitem nicht mehr so attraktiv wie noch vor vier Jahren. Außerdem trifft die neue Mode so gar nicht meinen Geschmack. Wir waren zuerst bei einem Outlet Store von Sketchers und anschließend noch in einer Mall in Long Beach, in der wir früher häufig eingekauft haben. Doch diesmal war das Glück nicht auf unserer Seite. Nur in einem Laden wäre ich beinahe fündig geworden, aber die Umkleidekabinen waren geschlossen, und keiner konnte uns sagen, warum oder wann sie wieder geöffnet werden. Überhaupt wirkten die beiden Angestellten seltsam lustlos und bedrückt. Eine etwas merkwürdige Stimmung, so ganz anders als früher.
Und damit endete auch schon unser zweiter Tag in Los Angeles. Nach der langen Reise wollten wir es ohnehin ruhig angehen lassen, hatten aber für die kommende Woche einiges geplant, unter anderem ein Konzertbesuch in der Hollywood Bowl. Doch es sollte anders kommen, denn Mark G. fühlte sich bereits seit dem Aufstehen nicht gut, hatte Kopf- und Gliederschmerzen, und ein Test bestätigte dann die Vermutung: Corona.
Mein Test am Mittag war noch negativ, doch im Verlauf des Nachmittags zeigten sich auch bei mir erste Symptome, und am Abend ging es mir dann richtig schlecht. Es ist müßig, darüber zu spekulieren, wo wir uns angesteckt haben, waren wir doch immer mit Maske unterwegs, aber ich würde darauf wetten, und lokale Medienberichte scheinen es zu bestätigen, dass es am Flughafen von L.A. war. Wie dem auch sei, so hatten wir uns unseren Urlaub nicht vorgestellt.