Vor zwei Wochen haben Mark G. und ich einige Tradeshows besucht, die parallel zum Münchner Filmfest stattgefunden haben. Dort wurden insgesamt sechs französische, deutsche und spanische Produktionen gezeigt, deren Kritiken dann jeweils zu den Startterminen oder später erscheinen werden. Ich glaube, so viele europäische Filme habe ich noch nie in so kurzer Zeit gesehen, und weil das noch nicht genug war (oder ich auf den Geschmack gekommen bin), habe ich am Wochenende noch einen draufgelegt:
Die Poesie der Liebe
Nach dem Tod des berühmten französischen Schriftstellers Victor Adelman (Nicolas Bedos) lädt seine Witwe Sarah (Doria Tillier) seinen Biografen ein, um ihm einige interessante Geheimnisse zu verraten und das gemeinsame Leben Revue passieren zu lassen. Dabei steht auch die Frage im Raum, ob sie ihren Mann getötet hat oder nicht …
Der Originaltitel lautet Mr & Mme Adelman und ist wesentlich nüchterner als der deutsche Titel, der eine sentimentale Liebesgeschichte erwarten lässt. Denn davon ist die Story weit entfernt. Zwar beginnt der Film mit einer Liebesgeschichte, aber schon in den ersten Szenen der Rückblende, die vom Off-Kommentar der Witwe begleitet werden, wird deutlich, dass sie es in ihrer Erzählung mit der Wahrheit nicht sehr genau nimmt. Auf diese Weise entsteht ein reiz- und humorvoller Kontrast.
Die erste Hälfte ist fulminant, eine spritzige Liebesgeschichte über eine willensstarke Frau, die mit viel Raffinesse einen Mann einfängt, der es geschickt versteht, alle Welt zu belügen, am meisten jedoch sich selbst. Wie aus den beiden schließlich ein Paar wird, ist köstlich erzählt, voller überraschender Wendungen und pointierter Dialoge und gipfelt in einem denkwürdigen Familienessen, das schnell aus dem Ruder läuft.
Wäre der Rest des Films genauso geworden, wäre es einer der besten französischen Filme der letzten Jahrzehnte gewesen. Leider flacht die Story jedoch ab, sobald sich das Paar einmal gefunden hat, denn nun geht es darum, wie sie sich weiter entfremden und wieder verlieren, und das ist weit weniger komödiantisch und am Ende sogar recht umständlich erzählt. Leider lassen die diversen Einfälle der Autoren – die auch die beiden Hauptdarsteller sind, während Bedos zusätzlich noch Regie führt – bisweilen etwas zu wünschen übrig und funktionieren bisweilen nur auf dem Papier.
Der Film ist aber nicht nur eine intelligente Paargeschichte, sondern darüber hinaus auch eine bitterböse Auseinandersetzung mit dem weißen, älteren und vor allem männlichen Schriftstellertypus, der die letzten Jahrzehnte die internationale Literaturszene dominiert hat. Es geht um männliche Eitelkeit und die Aneignung kultureller Werte, wenn Victor beispielsweise den Nachnamen seiner Frau annimmt, seine adelige Herkunft verleugnet und sich als Jude ausgibt, um unter den Intellektuellen im Frankreich der Siebzigerjahre eine stärkere Position einnehmen zu können. Ganz nebenbei wird so auch noch die Geschichte der Republik aufgerollt und der Zeitgeist der letzten Jahrzehnte beschworen.
Man sollte nicht zu viel über diesen Film, der bei Prime Video abrufbar ist, verraten, denn der Schwächen und Längen der zweiten Hälfte sowie einigen Fehlgriffen der Autoren zum Trotz, ist die Geschichte insgesamt gut gelungen, sehr unterhaltsam und in ihren besten Momenten ungeheuer witzig und charmant. Vor allem aber gelingt es den Autoren, sie zu einem emotionalen und unerwarteten Ende zu bringen.
Note: 3+