Blood Red Sky

Angeblich ist dies der international erfolgreichste deutsche Film. Angeblich, weil man das bei einer Netflix-Produktion nicht genau sagen kann, denn nur wenige Minuten Laufzeit reichen bei dem Streamingdienst bekanntlich schon, dass der Film als gesehen gilt, und überprüfen lassen sich diese Angaben auch nicht. Aber Netflix hat erklärt, dass Blood Red Sky allein in den ersten drei Wochen nach seiner Veröffentlichung in 50 Millionen Haushalten „gesehen“ wurde.

Was ich so gehört habe, ist die Entstehungsgeschichte eher mühsam gewesen. Peter Thorwarth soll rund zehn Jahre lang mit der Idee hausieren gegangen sein, aber keiner wollte das Drehbuch über eine Vampirin, die gegen Flugzeugentführer kämpft, realisieren. Und das in Deutschland, dem Land von Nosferatu, bekannt für seine bahnbrechenden Genrefilme. Tja, da ist der Regisseur wohl hundert Jahre zu spät gekommen.

Es hat sehr lange gedauert, aber nun habe ich einen Blick riskiert. Und falls es sich jemand gefragt haben sollte: Ja, dies ist die Woche des absonderlichen Films.

Blood Red Sky

Nadja (Peri Baumeister) ist zusammen mit ihrem Sohn Elias (Carl Anton Koch) auf einem Nachtflug unterwegs nach New York, um sich dort einer lebensrettenden Behandlung zu unterziehen, als das Flugzeug entführt wird. Die Entführer (u.a. Dominic Purcell und Alexander Scheer) ändern den Kurs und wollen die Maschine über London abstürzen lassen. Um sich und das Leben ihres Sohnes zu retten, nimmt Nadja den Kampf auf und hat dabei ein Ass im Ärmel: Sie ist eine Vampirin.

Die Geschichte beginnt mit einer Notlandung in Großbritannien, die Behörden glauben, einen Entführer ausgemacht zu haben, der sich im Cockpit verschanzt hat, und ein Junge kann sich aus der Maschine befreien. Nach diesem rätselhaften Anfang beginnt eine Rückblende, in der wir den Jungen und seine Mutter besser kennenlernen, später gefolgt von weiteren Rückblenden, in denen man erfährt, wie Nadja geworden ist, was sie ist.

Diese Erzählweise ist grundsätzlich nicht schlecht, ermöglicht sie doch, immer wieder die Enge des Flugzeugs zu verlassen und gleichzeitig die Hauptfigur besser kennenzulernen. Leider dauert es viel zu lange, bis man erfährt, dass Nadja eine Vampirin ist, dabei kann man davon ausgehen, dass jeder, der den Film anschaut, diese Grundidee bereits vorher kennt. Warum also so lange ein Geheimnis darum machen?

Nach dem etwas holperigen und unnötig in die Länge gezogenen Start gleitet die Story jedoch bis zu Mitte sanft und auf vorhersehbaren Bahnen dahin. Alles ist weitgehend solide geschrieben und inszeniert, die Action ist stimmig, die Brutalität hält sich in Grenzen, und man folgt als Zuschauer gerne Nadja in den Kampf um das Leben ihres Sohnes. Nur Alexander Scheer als psychopathischer Entführer nervt gewaltig und überschreitet gelegentlich die Grenzen zum Chargieren. Als Nadja schließlich den ersten Bösewicht ausschaltet, scheint es sogar für einen Moment, als könnte sie wie weiland Harrison Ford in Air Force One zur Heldin des Tages werden.

Doch dann beginnt das Drehbuch von Peter Thorwarth und Stefan Holtz einige Volten zu schlagen und entwickelt dabei mehr überraschende Wendungen als eine mexikanische Telenovela. Viele davon würden sogar gut funktionieren, wenn sich die Autoren ein bisschen Mühe gemacht hätten, sich eingehender mit ihren Figuren und vor allem mit deren Motiven und Psychologie zu beschäftigen. Weil das fehlt, ergibt vieles keinen Sinn oder verpufft emotionslos ins Leere. Selbst Nadja gerät zunehmend aus dem Fokus, so dass selbst das tragische Ende keinerlei Wucht entwickelt.

Ärgerlich ist vor allem, dass vieles nur deshalb geschieht, weil es die Autoren gerade so für den Verlauf der von ihnen geplanten Geschichte brauchen. So verliert Nadja immer wieder auf rätselhafte Weise an Kraft und braucht Blut, oder ihre Gegner greifen nicht an, obwohl sie es könnten. Das macht aus der zweiten Hälfte des Films eine wilde Achterbahnfahrt, an der man schlussendlich den Spaß verliert.

Eine weitgehend gelungene erste Hälfte, auf die jedoch ein Absturz in die Beliebigkeit folgt, Figuren, für die man sich kaum interessiert, und ein Ende, das emotional bedeutungslos bleibt, sind keine Zutaten für einen guten Film, selbst wenn es sich dabei um Edel-Trash handelt.

Note: 4+

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Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem Öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.