Auch bei diesem Film bin ich ein bisschen spät dran, wäre es doch angemessen gewesen, zuerst über Top Gun von 1986 zu schreiben und danach über die späte Fortsetzung aus diesem Jahr. Ursprünglich hatte ich nicht einmal vorgehabt, den Film überhaupt anzuschauen, da er mich schon die letzten sechsunddreißig Jahre nicht interessiert hat, aber dann lief er neulich im Fernsehen, und ich dachte mir: Warum eigentlich nicht?
Top Gun: Sie fürchten weder Tod noch Teufel
Pete „Maverick“ Mitchell (Tom Cruise) ist ein Kampfpilot bei der Navy und bekannt dafür, es mit dem Gehorsam nicht so hundertprozentig genau zu nehmen. Dank seiner Courage gelingt es jedoch, bei einem Einsatz im indischen Ozean ein feindliches Flugzeug, das in den Luftraum eingedrungen ist, erfolgreich zu vertreiben. Sein Wingman erleidet dabei jedoch eine Panikattacke, weshalb er den Dienst quittiert. Somit rückt Maverick zusammen mit seinem Waffensystemoffizier und bestem Freund „Goose“ (Anthony Edwards) an die Spitze der besten Flieger des Geschwaders auf und darf eine Ausbildung an der Eliteschule Top Gun absolvieren.
Der deutsche Untertitel hat mich immer irgendwie an einen Piratenfilm erinnert, er besitzt zumindest etwas Martialisches und passt damit gut zu einem Film, der gerne ein actiongeladener Kriegsfilm mit spektakulären Kampfeinsätzen wäre – nur ohne Krieg. Mitte der Achtzigerjahre saß das Trauma Vietnam noch tief in der amerikanischen Seele, und auch die Gründung der realen Top Gun-Akademie (die über ihre Popularität durch den Film nicht besonders glücklich ist) geht auf diesen Konflikt und die dabei zutage getretenen Defizite der US-Kampfflieger zurück. Mir kam Top Gun damals wie ein viel zu patriotischer, dumpfer testosterongesteuerter Hau-drauf-Actionfilm vor, weshalb ich ihn nie sehen wollte. Heute stelle ich fest, dass ich ihm Unrecht getan habe. Zumindest ein bisschen.
Quentin Tarantino hat übrigens seine eigene Meinung zum Film und nennt ihn einen „schwulen Fantasyfilm“, der von einem Mann handelt, der mit seiner latenten Homosexualität hadert. Tatsächlich ist Top Gun eine seltsame Mischung aus Abenteuer-, Kriegsfilm und zögerlicher Romanze.
Das Pfund, mit dem der Film von Tony Scott wuchern kann, sind die aufregenden Actionszenen in der Luft, die – damals noch ohne CGI-Effekte – außerordentlich spannend inszeniert sind. Vor allem das Finale, in dem es tatsächlich zum Ernstfall und einem echten Kampfeinsatz kommt, ist hochspannend. Dass der Film dennoch mit rund 15 Millionen recht preiswert war, ist dem Verteidigungsministerium zu verdanken, das die Produktion großzügig unterstützt hat – um im Kino Rekrutierungskabinen aufzustellen und die männlichen Kinogänger gleich zum Dienst zu verpflichten. Für einen Pazifisten hat eine solche Aktion auf jeden Fall ein Geschmäckle.
Sobald die Geschichte jedoch nicht im Cockpit, sondern auf dem Boden spielt, fällt die Qualität der Szenen rapide ab. Das liegt nicht so sehr an den Schauspielern, mit Val Kilmer, Meg Ryan, Tom Skerritt, Michael Ironside, Tim Robbins und Adrian Pasdar tauchen zahlreiche heute bekannte Namen in selbst kleinsten Nebenrollen auf, sondern an dem merkwürdig unausgegorenen Drehbuch von Jack Epps Jr. und Jim Cash.
Da es während der Ausbildung einen Wettkampf gibt, wer der beste Pilot ist, erwartet man jede Menge Rivalitäten und Imponiergehabe, was jedoch weitgehend ausbleibt. Im Vordergrund stehen eher Kameradschaft und Loyalität, was wohl eher vom Pentagon gewollt war. Mavericks Faszination für Val Kilmers Iceman ließe sich, wie Tarantino andeutet, durchaus als homoerotische Komponente deuten, doch sollte man hier nicht zu viel hinein interpretieren. Auf der anderen Seite ist Mavericks Romanze mit der Ausbilderin Charlie (Kelly McGillis), die einen sehr großen Teil der Handlung einnimmt, seltsam verdruckst und unentschlossen. Falls dieses Thema von den Autoren beabsichtigt war, wird es sehr subtil behandelt und scheint in erster Linie Interpretationssache zu sein.
Richtig überzeugen können weder die Liebesgeschichte noch das tragische Heldendrama, das gegen Ende über Maverick hereinbricht, was in erster Linie wohl an den eingeschränkten schauspielerischen Leistungen des jungen Tom Cruise liegt. Richtig nervig ist dabei jedoch nur die aufdringliche, fürchterliche Achtzigerjahre-Musik, die schon damals nicht cool, dafür aber ungeheuer erfolgreich war.
Mein persönliches Fazit: Ich hätte auch weiterhin bequem auf Top Gun verzichten können, bin aber froh, ihn noch gesehen zu haben, und sei es, um die vielen Referenzen in der Fortsetzung würdigen zu können oder Anthony Edwards einmal mit Haaren zu erleben. Aus heutiger Sicht ist der Film gar nicht schlecht gealtert, die Actionszenen sind immer noch sehenswert, der Rest … eher nicht.
Note: 3-