Top Gun gehört zu den bekanntesten und erfolgreichsten Filmen der Achtziger – die ich nie gesehen habe. Vermutlich war er damals ein Gesprächsthema auf dem Schulhof, aber ich kann mich nicht daran erinnern. Teenager gehen ja gerne in Rudeln ins Kino, aber meine Clique war nicht an testosterongeschwängerter Action interessiert, sonst wäre ich damals vermutlich genötigt worden, ihn zu sehen.
Mein Interesse an der späten Fortsetzung tendierte also gegen Null, und es hat nicht gerade geholfen, dass der Film wegen der Pandemie immer wieder verschoben wurde und man den Trailer gefühlte fünf Jahre lang vor jedem einzelnen Kinofilm ertragen musste. Dabei war der Trailer nicht schlecht, er hat mich nur kalt gelassen. Ich muss gestehen, ich hatte auch einige Vorurteile, fürchtete ich doch eine Überdosis Pathos und amerikanischen Hurra-Patriotismus, der solche Filme früher immer schwer erträglich gemacht hat. Als der Film in Baden-Baden gezeigt wurde, war ich mir daher nicht sicher, ob ich ihn mir anschauen sollte, aber ein bisschen habe ich mich dann doch von der Begeisterung der Fans anstecken lassen.
Top Gun: Maverick
Pete „Maverick“ Mitchell (Tom Cruise) zählt zu den besten Navy-Fliegern, nimmt es mit dem Gehorsam jedoch nicht so genau, und versteht es immer wieder, einen Admiral zu verärgern. Als er wieder einmal den Bogen überspannt und bestraft werden soll, mischt sich sein alter Freund Tom Kazansky (Val Kilmer) ein und lässt Maverick in die Top Gun-Flugschule versetzen. Dort wird er von Admiral Simpson (Jon Hamm) damit beauftragt, zwölf der besten Piloten für eine waghalsige, potentiell tödliche Mission zu trainieren. Einer davon ist Bradley „Rooster“ Bradshaw (Miles Teller), der Sohn von Mavericks bestem Freund, für dessen Tod ihn der Junge verantwortlich macht …
Der Auftrag, um den es geht, ist eine international abgesegnete Mission, auf der illegal angereichertes atomwaffenfähiges Material eines Schurkenstaates vernichtet werden soll. Früher hätte Hollywood nicht nur klar den Namen des Staates genannt, sondern auch mit den üblichen Klischees dazu aufgewartet und damit das aktuelle politische Zeitgeschehen abgebildet. Heute geht das natürlich nicht mehr, daher bleibt es bei vagen Andeutungen und einer neutralen Darstellung des Gegners, der komplett gesichtslos bleibt. Politisch ist das korrekt und verärgert auf diese Weise auch keine potentiellen Zuschauer in den entsprechenden Märkten, es wirkt aber auch ein wenig gekünstelt und hilflos. Die militärische Mission selbst erinnert kurioserweise entfernt an den Abschuss des Todessterns in Krieg der Sterne, und auch die Masken der gegnerischen Piloten lassen einen ein wenig an Darth Vader denken.
Letzten Endes spielt das jedoch keine Rolle, denn die Geschichte konzentriert sich vor allem auf die Vorbereitungen und schließlich auf die Durchführung dieses Auftrags und orientiert sich in ihrer Dramaturgie damit an ein Heist-Movie. Dazu gehört auch, dass eine Crew zusammengestellt werden muss, deren Mitglieder sich immer wieder beharken, bevor sie am Schluss doch ein Team werden. Für Ärger sorgt vor allem der arrogante, aber wenig zuverlässige Jake (Glen Powell), und dass es Stress zwischen Maverick und Rooster gibt, kann man an der Hand eines Schreiners abzählen.
Wie hier und da eingestreute Rückblenden vermuten lassen, gab es im ersten Teil auch eine Liebesgeschichte, und mit dem Auftritt von Penny (Jennifer Connelly), einer Ex-Freundin von Maverick, werden erneut romantische Verwicklungen ins Spiel gebracht, die aber eine nur untergeordnete Rolle spielen und deren weitere Entwicklung ebenfalls vorhersehbar ist. Erstaunlich für mich war dabei vor allem, wie lebendig der „Schauspielroboter“ Jennifer Connelly agieren kann. Da Penny und Maverick eine komplizierte Backstory teilen, die nicht auf den ursprünglichen Top Gun zurückgeht, wirkt es jedoch ein wenig so, als hätte es noch einen weiteren Film gegeben, auf den Bezug genommen wird. Insgesamt ist Penny jedoch eine interessante Figur, die zumindest ansatzweise weibliche Selbstbestimmung verkörpert, was in einem solch männerdominierten Film keine Selbstverständlichkeit ist. Leider gibt es mit der von Monica Barbaro verkörperten Pilotin nur eine nennenswerte weitere weibliche Figur, deren Auftritte jedoch hinter denen der männlichen Kollegen zurücktreten. Etwas unglücklich ist zudem, dass sie als einzige mit einem Co-Piloten fliegt, was vermutlich bestimmten technischen oder militärischen Gegebenheiten geschuldet ist, dennoch einen falschen Eindruck hinterlässt.
Abgesehen von der Vorhersehbarkeit der Story gibt es jedoch nur sehr wenig zu bemäkeln. Der Patriotismus ist praktisch nicht vorhanden, Pathos flammt hier und da mal kurz auf, hält sich aber erfreulicherweise in Grenzen. Die größte Überraschung für mich war jedoch, dass der Film nicht nur wunderbar funktioniert, sondern auch jemandem, der den ersten Teil nicht kennt, eine Menge Spaß gemacht hat.
Von der spannenden Eröffnungssequenz, bei der einem der Atem stockt, bis zum nicht weniger fulminanten, actiongespickten Finale ist der Film nicht eine Sekunde lang langweilig. Er besitzt sogar eine gute Dosis Humor und – für die Zuschauer, die den ersten Teil kennen – eine Menge Verweise auf den Kulthit aus den Achtzigern. Sogar die Musik passt dazu. Top Gun: Maverick ist ein im besten Sinne altmodischer Actionstreifen, der gekonnt das Vorbild in die Gegenwart überführt, ein Männerfilm, wie er heute nicht mehr hergestellt wird.
Note: 2-