Auf einem seiner vielen Amerika-Trips war Mark G. auf einem dieser schnurrgeraden Highways unterwegs, auf denen man viele Meilen Straße überblicken konnte. In sehr weiter Entfernung stand ein Polizeiwagen und nahm offenbar Geschwindigkeitskontrollen wahr. Da er noch weit weg war, brauchte er sich zunächst keine Gedanken darüber zu machen, ob er zu schnell war, aber je länger er den Streifenwagen vor Augen hatte, desto mehr gewöhnte er sich an dessen Anblick, bis er ihn schließlich vergaß – und erst kurz vor dem Kontrollpunkt merkte, dass er ein bisschen zu flott unterwegs war …
Die Geschichte endete ohne ein Ticket, fiel mir nun aber ein, als ich überlegt habe, welche Beiträge ich diese Woche veröffentlichen soll. Meine schrecklich verwöhnte Familie haben wir bereits vergangenes Jahr auf der Filmmesse Köln gesehen, und seitdem liegt meine Kritik auf Halde. Ich wusste, dass er nun Mitte Mai starten würde, dachte auch immer wieder daran – und hab es dann doch zum gegebenen Zeitpunkt vergessen.
Meine schrecklich verwöhnte Familie
Der schwerreiche Bauunternehmer Francis Bartek (Gérard Jugnot) hat die Nase voll von den Attitüden seiner verwöhnten Kinder: Philippe (Artus) feiert zu viel und entwickelt eine dumme Geschäftsidee nach der anderen, während Alexandre (Louka Meliava) nur für seine flüchtigen Affären und Stella (Camille Lou) für ihre Shoppingtrips und ihren geldgierigen Verlobten (Tom Leeb) lebt. Deshalb inszeniert Francis einen aufgeflogenen Steuerbetrug, durch den sie angeblich ihr gesamtes Vermögen verlieren und sich vor der Polizei in Marseilles verstecken müssen. Da Francis sich nicht öffentlich zeigen darf, müssen die Kinder für den nötigen Unterhalt sorgen …
Die Idee, reiche, verwöhnte Menschen in eine ärmliche Umgebung zu stecken, ist alles andere als neu und gehört zu einer Variante des Culture-Clash-Plots. Neben dem Remake von Overboard – Ein Goldfisch fällt ins Wasser wurde sie zuletzt in TV-Serien wie Two Broke Girls und Schitt’s Creek verbraten, und diese französische Version setzt sich vor allem durch den Einfall, das Ganze als Streich des Patriarchen zu erzählen, von den anderen ab.
Geld verdirbt laut dem Volksmund den Charakter, und so werden reiche Familien gerne als dysfunktional beschrieben. Das ist auch in diesem Film der Fall, denn nach dem viel zu frühen Tod seiner Frau hat sich Francis vor allem um sein Geschäft gekümmert und weniger um seine Kinder. Mit Geld hat er ihre Zuneigung erkaufen, sie gleichzeitig aber auch vor den Härten des Lebens bewahren wollen. Das ist, psychologisch betrachtet, in sich stimmig, bedient zugleich aber auch ein Klischee.
Regisseur Nicolas Cuche, der zusammen mit Laurent Turner das Drehbuch zu dieser Komödie schrieb, setzt in seiner Geschichte leider vor allem auf diese Klischees: Das beginnt nicht nur bei der Darstellung des Patriarchen, sondern setzt sich auch bei den Kindern fort, die wie eine Ansammlung von Karikaturen erscheinen. Neben dieser eindimensionalen Figurenzeichnung sorgt auch eine völlig vorhersehbare Handlung dafür, dass man das Gefühl, das alles schon zigfach gesehen zu haben, nicht loswird.
Dennoch ist die Geschichte durchaus unterhaltsam. Der immer wieder aufblitzende Charme des Films liegt in den absurden Situationen, in denen reiche Menschen mit den Tücken einer arbeitenden Gesellschaft konfrontiert werden und an ihrer Lebensuntüchtigkeit, ihren unrealistischen Erwartungen oder ihrer Arroganz scheitern. Hier gelingen dem Regisseur einige witzige Momente.
Natürlich kommt es im Verlauf der Geschichte zu einer Läuterung der verwöhnten Kinder, die am Ende bessere und produktivere Menschen sind, auch wenn sich diese Entwicklung etwas zu rasch vollzieht und stellenweise nicht ganz nachvollziehbar ist. Selbst das Verhältnis zum Vater wird wieder gekittet, was ebenfalls etwas zu glatt vonstattengeht. Hier hätte man ruhig mehr Konflikt wagen dürfen.
Alles in allem eine wenig überraschende, aber stellenweise witzige Sommerkomödie für frankophile Cineasten.
Note: 3-