Iron Sky

Frauen kennen das Problem: Sie stehen vor einem prall gefüllten Kleiderschrank und haben nichts anzuziehen. Bei mir ist eher so, dass ich im Laufe der letzten Monate etliche Filme und Serien aufgenommen habe, weil ich keine Zeit hatte, sie mir anzusehen, und jetzt, wo ich endlich ein wenig Zeit habe, weiß ich nicht, was ich mir zuerst anschauen soll. Da ist es am besten, man lässt sich vom Bauchgefühl leiten und pickt etwas heraus, das seiner augenblicklichen Stimmung entspricht.

Gestern war mir nach etwas Lustigem zumute, und spontan entschied ich mich für:

Iron Sky

2018 starten die Amerikaner eine neue Mondmission, um die Umfragewerte der Präsidentin (Stephanie Paul) aufzupolieren. Als die Astronauten auf dem Mond landen, stoßen sie auf der dunklen Seite auf eine handfeste Überraschung: Nach dem Zweiten Weltkrieg konnten einige Nazis fliehen und hier eine Kolonie gründen. Die Amerikaner werden entdeckt, und James Washington (Christopher Kirby) gerät in Gefangenschaft. Von Doktor Richter (Tilo Prückner) „albinosiert“ und gehirngewaschen, wird er zusammen mit dem machthungrigen Offizier Adler (Götz Otto) und der Lehrerin Renate (Julia Dietze) zur Erde geschickt, um weitere Smarttelefone zu beschaffen, die den Nazis noch fehlen, um ihre Raumschiffe flott zu machen und die Erde zu erobern…

Die Story stammt von einer Gruppe Finnen (Johanna Sinisalo, Jarmo Puskala, Michael Kalesniko und Regisseur Timo Vuorensola) und wurde vermutlich in einer langen, feucht-fröhlichen Polarnacht ausgetüftelt. Anders lassen sich die eigenwilligen Kapriolen und seltsamen Einfälle nicht erklären. Die Grundidee ist sogar durchaus bestechend und wie geschaffen für einen Trashfilm, und nichts anderes will diese finnisch-australisch-deutsche Co-Produktion sein. Gleichzeitig will sie aber auch in jeder Minute deutlich machen, wie hintergründig und intelligent sie doch eigentlich gestrickt ist, wodurch sie leider jede Leichtigkeit im Keim erstickt.

Viele Anspielungen und Parodien sind gut gelungen, auch wenn das meiste mit dem Holzhammer vermittelt wird. Insgesamt fehlt aber eine stringente Handlung, die sich über alle drei Akte erstreckt und auch allen Einfällen gerecht wird. Das meiste erscheint leider wie improvisiert, als hätten die Autoren während des Drehs noch mal schnell das Script umgeschrieben. So gibt es vor allem in der Mitte des Films Löcher so groß wie ganze Galaxien und durchweg ein logikfreies Vakuum.

Trotz des geringen Budgets, das teilweise durch Crowdfunding aufgebracht wurde, sind die digitalen Effekte beachtlich und brauchen sich nicht zu verstecken. Das gilt zumindest für die Szenen im Weltraum und auf dem Mond, weniger für jene, die auf der Erde spielen. Die Darsteller bemühen sich redlich, und es ist erfreulich zu sehen, dass Udo Kier, der sonst gerne zum Chargieren neigt, sich auch mal zurückhalten kann, und es besteht die Hoffnung, dass er tatsächlich noch so etwas wie Selbstironie entwickelt. Götz Ottos hölzerne Art passt diesmal hervorragend zu seiner Rolle, und Tilo Prückner ist einfach toll als verrückter Wissenschaftler.

Alles in allem ist die Idee besser als die Umsetzung und es wird leider zu viel Potential verschenkt. Schade, denn viele Einfälle sind gelungen.

Note: 4

Dieser Eintrag wurde veröffentlicht in Pi Jays Corner von Pi Jay. Setze ein Lesezeichen zum Permalink.

Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem Öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.