Savages

Wer jemals etwas bei Amazon bestellt hat, kennt das: Man bekommt ständig Werbung, in der ein ähnliches Produkt angepriesen wird. Gelegentlich ist das sogar hilfreich, weil man tatsächlich auf einen Roman oder Film stößt, der einen interessiert und den man einfach nicht auf dem Radar hatte. Sehr oft ist es einfach nur lästig, ganz besonders wenn ein Artikel beworben wird, den man gerade erst erworben hat. Soll ich etwa dasselbe Buch noch einmal kaufen? Natürlich ist das nur ein fehlerhafter Computeralgorithmus oder was auch immer, aber irgendwie fühlt man sich dabei vom System verschaukelt.

Manchmal liegt es aber nicht am Programm, sondern an den Produzenten dieser Produkte, die einen wirklich für dumm verkaufen wollen. Und in gewisser Weise passt es auch zu meinem gestrigen Thema. Heute wies mich eine nette E-Mail von Amazon nämlich auf die Neuerscheinung eines Romans von Don Winslow hin. Ich habe bereits ein paar seiner Bücher gelesen, und ganz besonders Tage der Toten kann ich nur empfehlen. Ein sachbuchartig geschriebener Roman über die mexikanische Mafia, sehr schlicht in der Sprache, aber nachhaltig in seinen Bildern, die wie bei einem großen Kino-Epos auf der geistigen Leinwand erscheinen.

Danach habe ich Frankie Machine gelesen, ebenfalls sehr schön konzipiert, bilderstark und spannend. Die Verfilmung wurde schon lange angekündigt, und gerüchteweise hieß es, Robert De Niro würde die Titelrolle übernehmen, der in der Rolle perfekt wäre, aber leider befindet sich das Projekt immer noch in der development hell.

Weil mir diese beiden Romane gut gefielen, las ich dann Zeit des Zorns, der leider gegenüber den anderen Büchern abfiel. Die Charaktere waren nicht übermäßig sympathisch, die Story war ein bisschen unausgegoren, mit zu vielen Anleihen bei Tage der Toten und das Ende geradezu deprimierend. Insgesamt keine Enttäuschung, aber auch nicht so gut wie erhofft.

Dann wurde das Buch verfilmt und kam unter seinem englischen Originaltitel Savages in unsere Kinos. Und nun erscheint im Januar ein angeblich neues Buch von Don Winslow mit dem schönen Titel Savages – Zeit des Zorns. Als Verbraucher fühle ich mich jetzt geradezu ver…eimert, auch wenn diese Form des „Recyclings“ nicht unbedingt neu ist…

Savages

Ben (Aaron Taylor-Johnson) und Chon (Taylor Kitsch) züchten und verkaufen das beste Marihuana in Kalifornien. Eines Tages erhalten sie das Angebot eines mexikanischen Drogenkartells zu einer Zusammenarbeit, die im Grunde auf eine komplette Übernahme ihres Geschäfts hinausläuft und mit martialischen Drohungen garniert wird. Da Ben und Chon sich ohnehin zur Ruhe setzen wollten, planen sie ihre Flucht, doch dann wird ihre gemeinsame Geliebte O. (Blake Lively) entführt. Elena (Selma Hayek), die Chefin des Kartells, erzwingt so ihre Kooperation, will O. aber erst in einem Jahr wieder freilassen. Ben und Chon fügen sich zum Schein, beginnen aber, gegen das Kartell zu intrigieren…

Oliver Stone hat, so war es mal in einem Interview zu lesen, ein entspanntes Verhältnis zu Marihuana und zudem seit Natural Born Killers ein Händchen für cool inszeniertes Brutalo-Kino. Wer wäre also geeigneter, um diesen Stoff umzusetzen? Seine Regie ist auch größtenteils gelungen, wirkt insgesamt aber ein wenig so, als würde er mit angezogener Handbremse fahren. Vielleicht wird er auch einfach nur alt, aber so cool und temporeich wie man es von ihm gewohnt ist, ist das Resultat dann leider doch nicht.

Auf der Strecke bleibt auch die im Roman wesentlich besser ausgelotete Dreiecksgeschichte, die mit viel Erotik, allerdings ohne Drama erzählt wurde. Hier ist alles ein bisschen handzahm geraten, als fürchtete sich Stone davor, sein prüdes amerikanisches Publikum zu verprellen. Auch die anderen Charaktere, die immerhin von Top-Schauspielern wie John Travolta, Benicio del Toro oder Emile Hirsch dargestellt werden, bleiben zu blass und konturlos, was leider am Drehbuch (von Oliver Stone, Don Winslow und Shane Salerno) liegt.

Das Ende, das im Roman ziemlich deprimierend ist, findet auch im Film fast genauso statt, nur um dann sofort wieder aufgehoben zu werden. Nein, so traurig darf man den Zuschauer nicht in den Abend entlassen, weshalb ein zuckriges Happy End angeklatscht wird, das versöhnlicher stimmen mag, aber auch irgendwie verlogen wirkt.

Insgesamt eine solide, aber leider nicht ganz stimmige Romanverfilmung, die die Schwächen der Vorlage nicht ausbügeln kann.

Note: 3

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Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem Öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.