Burt Reynolds gehörte zu jenen Hollywoodstars, die jeder kannte, selbst wenn man keinen einzigen seiner Filme gesehen hatte. Bekanntheit erlangte er vor allem mit Fernsehserien, während seine Kinokarriere erst in der Siebzigerjahren richtig in Schwung geriet und er überraschend zu den Topverdienern Hollywoods aufstieg und sogar zum Sexsymbol jener Jahre wurde. Vielleicht habe ich früher mal einen seiner großen Hits wie Ein ausgekochtes Schlitzohr oder Auf dem Highway ist die Hölle los im Fernsehen gesehen, erinnern kann ich mich nicht daran. Dennoch war mir der Mann als Verkörperung des charismatischen Draufgängers ein Begriff.
Erstaunlich ist, dass er bis zu seinem Tod 2018 fleißig gearbeitet hat, auch wenn mir keine der Produktionen bislang aufgefallen ist. Von The Last Movie Star, der bei uns im selben Jahr unter dem Allerweltstitel Seine letzte Reise auf DVD herauskam, habe ich erst gehört, als er auf der Liste der Filme stand, die in wenigen Tagen bei Prime Video verschwinden …
Seine letzte Reise
Vic Edwards (Burt Reynolds) ist ein alternder Hollywoodstar, dessen Karrierehöhepunkt schon Jahrzehnte zurückliegt. Zu seiner Überraschung wird er zu einem Filmfestival nach Nashville eingeladen, wo man ihm den Preis für sein Lebenswerk überreichen will. Da bereits einige andere Hollywoodgrößen damit geehrt wurden, sagt Vic schließlich zu. Doch das Festival entpuppt sich als kleine und unbedeutende Veranstaltung von einige Hardcore-Fans im Hinterzimmer einer Bar, und Vic ist der erste Star, der tatsächlich dort auftaucht. Für das Wochenende wird ihm Lil (Ariel Winter) als Assistentin zur Verfügung gestellt, und er überredet die junge Frau, ihn zu den Orten seiner Kindheit zu fahren.
Hollywood kann ein grausamer Ort sein, nicht nur für alternde Frauen oder Farbige, auch weiße Männer können das Pech haben, ausrangiert zu werden, und dazu müssen sie nicht einmal Frauen sexuell belästigen oder ihre Partnerinnen verprügeln. In Vics Fall waren es vor allem schlechte Karriereentscheidungen, die ihn ins Abseits manövriert haben. Statt in ambitionierten Arthaus-Dramen aufzutreten, hat Vic, der als Stuntman begonnen hat, den Weg des Actionstars gewählt und war irgendwann schlichtweg zu alt und zu gebrechlich, um diesen weiter fortsetzen zu können.
Dafür kann Vic eine Menge Anekdoten über das alte Hollywood und die Dreharbeiten zu seinen großen Hits beisteuern, die von dem Festivalleiter Doug (Clark Duke) begierig aufgesogen werden. Doch Vic fühlt sich nicht ernstgenommen, die Veranstaltung ist ihm zu provinziell, zu armselig, weshalb er sich betrinkt und dann ausfällig wird.
Reynolds Performance ist großartig, und Autor und Regisseur Adam Rifkin hat einige Parallelen zwischen dem Leben des Hollywoodstars und seinem fiktiven Alter Ego eingebaut. Auch Vic war in den Siebzigern ein Topstar, bevor er in der Bedeutungslosigkeit verschwand, ein Ex-Star und Ex-Womanizer, der nun seinem vergangenen Ruhm hinterherweint. Immerhin tut er es meistens in Würde, von dem Ausrutscher auf dem Festival und ein paar fragwürdigen Anzügen einmal abgesehen.
Der Film beginnt als Hollywood-Drama, in dem reale Auftritte von Reynolds in alten Talkshows und Filmen für die nötige Authentizität sorgen. Später interagiert Vic sogar mit seinem jüngeren Ich in einigen Filmen und tritt so in einen Dialog mit der Vergangenheit. Das ist nett gemeint, aber mangels Budget leider nicht besonders gut umgesetzt.
Nach dem ersten Drittel wandelt sich die Geschichte jedoch und verlässt die Filmwelt, um sich ganz dem Menschen hinter der Maske des Stars zu widmen. Offenbart wird eine typische Hollywoodkarriere der Fünfzigerjahre, in der ein aufstrebender Sportler nach einem unfallbedingten Karriereende zum Film geht, seine jüdischen Wurzeln mitsamt seinem Namen ablegen muss und durch Zufall groß rauskommt. Dabei bleiben vor allem jene auf der Strecke, die er geliebt hat. Vic trauert seiner ersten, großen Liebe hinterher, die er vor vielen Jahren in Tennessee kennengelernt, die er aber auf dem ersten Höhepunkt seines Ruhms schmählich im Stich gelassen hat. Die Wiederbegegnung mit dieser Frau (Kathleen Nolan), mit der ihn eine private Tragödie verbindet, ist anrührend geschildert, geht aber leider nicht angemessen genug in die Tiefe.
Widerwillig begleitet wird Vic auf seiner Reise in die Vergangenheit von der stark tätowierten, sehr freizügig gekleideten Lil, die Modern Family-Star Ariel Winter mit Kodderschnauze und rotzigem Charme ausstattet. Der Schlagabtausch zwischen dem ungleichen Paar hält den Film über weite Strecken am Leben, wenn Rifkin brav eine Etappe nach der anderen abklappert und Vic dabei einige Weisheiten über das Leben verlauten lässt. Und am Ende entsteht sogar eine zögerliche Freundschaft zwischen dem alten Mann und der verlorenen jungen Frau, die mit seiner Hilfe tatsächlich einige Veränderungen in ihrem Leben herbeiführt.
Seine letzte Reise ist zwar weder besonders originell noch temporeich erzählt, besitzt aber genug Herz, um den Zuschauer durchweg bei der Stange zu halten und ihn am Ende sogar zu berühren. Insgesamt ein würdiger Abschied von einem Hollywoodstar, mit dessen Oeuvre man eher oberflächlich vertraut ist.
Note: 3-