Coda

Bei der Oscarverleihung hat die Regisseurin Sian Heder sich darüber beklagt, wie schwierig es war, das Geld für die Produktion zusammenzubekommen. Dabei war das Original, Verstehen Sie die Béliers? ein großer Hit in Frankreich, und die Story ist prädestiniert dafür, ein breites Publikum anzusprechen. Aber solche Filme, ich habe es ja bereits von ein paar Tagen beklagt, werden heutzutage nicht mehr von Hollywood produziert.

Vielleicht ändert sich das jetzt, zumindest ein wenig, auch wenn ich nicht glaube, dass bei den Studios ein echtes Umdenken stattfinden wird. In jedem Fall ist es schön, dass mit Coda eine warmherzige, emotionale Geschichte den Preis für den besten Film bekommen hat, ein crowd pleaser im besten Sinne des Wortes. Der einzige Wermutstropfen ist, dass es sich dabei um ein Remake handelt und nicht um eine Originalstory.

Coda

Die 17jährige Ruby (Emilia Jones) kann als einzige in ihrer Familie hören und muss daher oft für die Eltern (Malree Matlin und Troy Kotsur) übersetzen. Das Leben der Familie, die von der Fischerei lebt, ist hart und verlangt von Ruby sehr viel Verantwortung. Doch Ruby hat eine begnadete Stimme und kann gut singen, was ihre Eltern nicht nachvollziehen können. Als sie wegen Miles (Ferdia Walsh-Peelo) in den Schulchor eintritt, bietet ihr der Lehrer (Eugenio Derbez) an, sie für die Aufnahme an einer Musikhochschule zu trainieren. Doch dafür müsste Ruby ihre Familie verlassen …

Bis zu der Oscarverleihung wusste ich nicht, dass der Titel Coda ein Akronym ist und für children of deaf adults steht, für die hörenden Kinder gehörloser Eltern. Und da sagt noch mal einer, Filme würden nicht zur Bildung beitragen.

Der Film orientiert sich sehr nah am Original Verstehen Sie die Béliers? von 2014. Aus dem Bauernhof wurde ein Fischerboot, und Ruby singt Songs von Joni Mitchell und keine Chansons von Michel Sardou, aber ansonsten hat sich praktisch nichts verändert. Sogar viele Witze sind gleich geblieben. Und Verstehen Sie die Béliers? war bereits eine Art inoffizielles Remake von Caroline Links wunderbarem Jenseits der Stille. Wenn also das Remake eines Remakes bester Film des Jahres wird, kann man das durchaus auch als eine künstlerische Bankrotterklärung Hollywoods begreifen.

Aber es ist müßig, darüber zu streiten, ob Coda oder ein anderer Film die Auszeichnung mehr verdient hätte. Denn Coda ist ein guter Film, sensibel erzählt, mit präzisem Blick auf seine Figuren und ihre Wünsche und Träume. Die darstellerischen Leistungen sind durch die Bank gelungen, die Regie einfühlsam, ohne dabei kitschig zu sein, und auch die Musikauswahl trägt zum Wohlfühlfaktor bei.

Ein wunderbarer coming of age-Film, der sich wie eine warme Decke für die Seele anfühlt, vor allem angesichts der tagesaktuellen Schrecken in den Nachrichten.

Note: 2

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Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem Öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.