Bei Pixar sieht man zurzeit rot. Das liegt nicht nur am gleichnamigen Animationsfilm, der gerade herausgekommen ist, sondern vor allem an den Differenzen mit dem Mutterhaus Disney. Zuerst wurde Onward: Keine halben Sachen von der Pandemie abgewürgt, und nun ist nach Soul und Luca mit Rot bereits der dritte Pixar-Film nicht ins Kino gekommen, sondern gleich auf die Streamingplattform Disney+ abgewandert.
Im ersten Fall war es einfach Pech, doch bei den folgenden Filmen zeigte sich, dass die Verantwortlichen nicht auf bessere Zeiten und eine Kinoauswertung warten wollten, sondern stattdessen auf eine Stärkung ihres Streamingangebots gesetzt haben. Dabei wurden Soul und Luca durchaus in den Kinos gezeigt – aber nur in jenen Ländern, in denen es (noch) kein Disney+ gibt.
Die Leidtragenden sind eindeutig die Kinos, denen nun bereits zum dritten Mal ein lukratives Geschäft entgeht, denn mit der Ausnahme von Arlo & Spot sowie Toy Story – Alles hört auf kein Kommando haben alle Pixar-Filme in Deutschland über eine Million Besucher angezogen. Im Falle von Rot liegt der Grund vermutlich darin, dass Disney für den März zu wenig attraktiven Content für seinen Streamingdienst und vielleicht auch befürchtet hat, dass der Film in der gegenwärtigen Situation zu wenig Geld einspielen würde.
Dass die Stimmung angespannt ist, beweist auch der Vorwurf von Pixar-Mitarbeitern, Disney würde LGBTQ-Inhalte in ihren Produktionen unterbinden. Tatsächlich ist die Sachlage etwas komplizierter und hat mehr mit dem amerikanischen Kulturkampf und einem umstrittenen Gesetz eines republikanischen Gouverneurs zu tun, aber die Tatsache, dass die schmutzige Wäsche des Unternehmens in aller Öffentlichkeit gewaschen wird, spricht Bände. Man darf daher gespannt sein, wie Disney mit der nächsten Pixar-Produktion, Lightyear, umgehen wird.
Rot
Meilin ist dreizehn und lebt mit ihrer Familie im Toronto des Jahres 2002. Als Spross chinesisch-stämmiger Einwanderer ist sie hin- und hergerissen zwischen den traditionellen familiären Werten, die von ihr verlangen, ihre Eltern zu ehren und ihnen zu gehorchen, und den freiheitlichen westlichen Sitten. Meilin ist eine exzellente Schülerin, hilft ihren Eltern, die einen Tempel betreiben, in ihrer Freizeit bei der Arbeit und sehnt sich gleichzeitig danach, mehr mit ihren Freundinnen zu unternehmen. Vor allem würde sie gerne mit ihnen auf ein Konzert ihrer liebsten Boyband gehen, doch Meilins Mutter würde das niemals erlauben. Als das Mädchen sich über die ständige Bevormundung tierisch aufregt, verwandelt es sich unvermittelt in einen riesigen, roten Panda …
Der Grund für diese Metamorphose ist ein uralter Fluch, der auf den weiblichen Mitgliedern der Familie lastet. Zum Glück weiß Meilins Mutter, wie man den Pandageist austreibt und für immer bannt, doch dummerweise kollidiert der Zeitplan dafür mit dem geplanten, heimlichen Konzertbesuch des Mädchens.
Hollywood war schon immer geschickt darin, die Nöte Heranwachsender aufzugreifen und in zeitgenössische popkulturelle Unterhaltung zu verpacken. Ein Mädchen, das in der Pubertät versuchen muss, ihre Emotionen zu verstehen, einzuordnen und in den Griff zu bekommen, hat es bereits in dem Pixar-Film Alles steht Kopf gegeben, und gewissermaßen ist Meilin die Schwester der damaligen Protagonistin Riley.
Der Unterschied besteht darin, dass in diesem Fall Meilins Emotionen, ihre Wut und Frustration vor allem, für alle in Gestalt eines roten Pandas sichtbar sind. Für ihre Freundinnen und Schulkameraden ist dieser jedoch keinesfalls bedrohlich, sondern eher ein großer Knuddelbär, mit dem Meilin sogar ihr Taschengeld aufbessern kann. Es ist also nicht nur die Disney Company, die es versteht, aus den Emotionen von Teenagern Kapital zu schlagen …
Im Gegensatz zu Alles steht Kopf, der sich nicht nur außergewöhnlich klug, sondern auch sehr einfühlsam und anrührend mit seiner Problematik auseinandersetzt, ist Rot wesentlich einfacher gestrickt. Die Botschaft, dass alle Emotionen ihre Daseinsberechtigung haben, ist mehr oder weniger dieselbe, aber wenn es um die Auseinandersetzung mit widerstreitenden Wertesystemen oder weibliche Selbstbestimmung geht, kratzt der Film nicht einmal an der Oberfläche. Im Zweifelsfall driftet die Geschichte lieber in Klamauk ab, als sich mit seinen Figuren und ihren Problemen auseinanderzusetzen.
Kinder werden den großen, roten Panda lieben. Erwachsene dürften vor allem mit der hektischen, schrillen Art der Animation ihre Probleme haben sowie mit einer Hauptfigur, die einem im ersten Drittel einfach nur furchtbar auf die Nerven geht. Erst mit dem Auftritt des tapsigen Pandas gewinnt der Film an Format, Witz und Unterhaltungswert, und zum Ende hin stellt einen eigentlich nur noch die fürchterliche Musik auf die Probe.
Note: 3-