Scream

Als der erste Teil 1996 in die Kinos kam, unterstellte man den Besuchern hierzulande offenbar unzureichende Englischkenntnisse, denn er hieß bei uns Scream – Schrei! Das Ausrufezeichen sollte vermutlich noch deutlicher den Horror und die Eindringlichkeit des Gemetzels unterstreichen.

Dank der Revival-Mania, der Hollywood gerade frönt und der wir überraschende Fortsetzungen mehr oder weniger kultiger Franchises verdanken, war es nur eine Frage der Zeit, bis auch die Scream-Reihe fortgesetzt würde. Die ersten drei Filme waren als zusammenhängende Trilogie geplant, Scream 4 wiederum sollte, auf Betreiben des Produzenten Bob Weinstein eine neue Trilogie begründen, aber davon wurde mangels Erfolg abgesehen. Vielleicht hat man ja jetzt mehr Glück?

Scream

Die junge Tara (Jenna Ortega) glaubt zunächst an einen Telefonstreich, als ein Unbekannter sie zu den ein Vierteljahrhundert zurückliegenden Morden in ihrer Stadt Woodsboro befragt – und damit droht, ihre Freundin Amber (Mikey Madison) zu töten. Kurz darauf wird sie von dem Killer mit der Geistermaske lebensgefährlich verletzt. Ihre Schwester Sam (Melissa Barrera) kehrt daraufhin zusammen mit ihrem Freund Richie (Jack Quaid) nach Hause zurück. Sie befürchtet, dass eine neue Mordserie bevorsteht und sie in deren Zentrum stehen könnte, denn sie ist die uneheliche Tochter eines der ursprünglichen Mörder …

Wenn ein Film bzw. ein Franchise seine eigene Filmreihe mit Parodien bekommt, weiß man, dass die Produktion nicht nur überaus erfolgreich war, sondern Kultcharakter erlangt hat und Teil der Popkultur geworden ist. Der Film von 1996 war blutig, darüber hinaus aber auch frech und witzig, hat sich in manchen Momenten selbst nicht ernst genommen, in anderen aber gekonnt zu unterhalten gewusst. Wichtiger Bestandteil sämtlicher Scream-Filme war, dass es immer einen Nerd gab, der seinen Freunden und dem Zuschauer die Regeln des Slasher-Films erklärt. Darüber hinaus wurden so viele versteckte Huldigungen an die Klassiker des Genres, das damals seinen Zenit längst überschritten hatte und durch Scream wiederbelebt wurde, eingebaut, dass man darüber eine filmhistorische Abhandlung schreiben könnte.

Der fünfte Teil der Reihe zitiert vor allem die Anfänge des eigenen Franchises. Schon die erste Szene mit dem Quiz erinnert stark an die Eröffnungssequenz, in der damals Drew Barrymore gemeuchelt wurde, darüber hinaus gibt es weitere Referenzen und Anspielungen, von der Garagenszene bis hin zum Regenschirm im Showdown. Und natürlich werden auch wieder die Regeln des Genres erwähnt, wenn auch nicht so ausführlich wie früher. Da die Mordserien im Film auch von Hollywood adaptiert wurden, gibt es noch die fiktiven Stab-Filme, über die die Figuren sich ebenfalls austauschen. So wird das Genre doppelt analysiert und mitunter sogar auf die Schippe genommen.

Das alles ist recht clever gemacht und funktioniert auch im fünften Teil noch, inzwischen allerdings mehr aus nostalgischen Gründen. Das Ensemble setzt sich aus vielen bekannten Gesichtern zusammen (neben den Genannten spielen noch Dylan Minnette und Mason Gooding mit, denen man die Teenager aber inzwischen einfach nicht mehr abnimmt), und auch die Altstars sind wieder mit von der Partie.

Leider muss man aber sagen, dass Neve Campbell und Courtney Cox nur kleine Rollen haben und die Fans der früheren Filme enttäuscht sein dürften. Auch David Arquette ist wieder dabei, jedoch nicht mehr als tapsiger Sheriff, was ebenfalls schade ist. Das alles wäre nicht so tragisch, gäbe es mit Melissa Barrera eine ähnlich präsente Hauptfigur, der man gerne folgen würde, aber verglichen mit Neve Campbell hat sie einfach nicht das Zeug dazu.

Auch Kevin Williamson hat leider darauf verzichtet, das Drehbuch zu verfassen, und fungiert allein als Produzent. Die Folge ist ein unausgegorenes Skript (von James Vanderbilt und Gary Busick), in dem auf jede gelungene Idee fünf gescheiterte kommen. Hier und da gelingen ihnen ein paar spannende Szenen und Jump-Scares, über weite Strecken schleppt sich die Handlung aber nur unmotiviert dahin. Und wer schon mal einen Slasher-Film gesehen hat, kommt wahrscheinlich frühzeitig hinter die Identität des Mörders.

Ärgerlich sind vor allem die vielen Schlampigkeiten in der Inszenierung von Matt Bettinelli-Olpin und Tyler Gillett. So ist der Mörder mit Maske und Umhang ungefähr einen Kopf größer als ohne (was daran liegt, dass er von einem anderen Schauspieler verkörpert wird), und Verletzte sind so schwach, dass sie sich kaum bewegen, geschweige denn ihren Freunden zu Hilfe kommen können, am Ende aber trotz diverser Schuss- und Stichwunden so fit, dass sie nicht groß verarztet werden müssen. Und manche Dialoge sind einfach nur zum Fremdschämen …

Nach einem gelungenen Auftakt, der eine schöne Hommage an den ersten Teil der Reihe ist, und einigen spannenden Mordszenen fällt der Film in seiner zweiten Hälfte stark ab, bekommt Längen und mündet schließlich in einem unbefriedigenden Finale, das sämtliche Klischees des Genres überstrapaziert. Hinzu kommen schlechte Dialoge, eine viel zu blasse Hauptfigur und zu wenig Screentime für die Altstars, auf die die Fans sich gefreut haben. Insgesamt eine verpasste Chance.

Note: 4+

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Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem Öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.