Zombie

Der aufmerksame Leser hat vermutlich bereits erkannt, dass dies eine Horrorfilm-Woche ist. Passend zum heutigen Beitrag hat sich Ende Januar ein Fauxpas bei Arte zugetragen, als der Sender die ungeschnittene Fassung von Zombie 2 – Das letzte Kapitel (Day of the Dead) ausgestrahlt hat. Der Grund dafür liegt darin, dass der Film in Deutschland indiziert ist, in Frankreich hingegen nicht. Arte spricht von einem Versehen. Heute geht es hier jedoch um den zweiten Teil von Romeros Zombie-Reihe aus dem Jahr 1978.

George A. Romeros Leben waren die Untoten, kann man wohl ohne Übertreibung sagen. Mit Die Nacht der lebenden Toten begründete er 1968 eine Filmreihe, die erst nach rund vierzig Jahren endete, wobei man feststellen muss, dass die einzelnen Filme inhaltlich nicht aufeinander aufbauen, die letzten beiden sind sogar Prequels, sondern lediglich im selben Universum verortet sind. Dennoch ist die langjährige Hingabe des Regisseurs an ein Subgenre, das er maßgeblich mitgeprägt hat, erstaunlich.

Der zweite Teil, Zombie oder im Original Dawn of the Dead, war 1978 ein großer kommerzieller Erfolg und löste eine wahre Flut an Zombie-Filmen aus. Das gilt übrigens auch für Zack Snyders Remake von 2004, das sich nur sehr lose am Original orientiert. Seit einiger Zeit gibt es eine restaurierte Fassung des Kulthits, die gerne zu Halloween im Kino eingesetzt wird. Dummerweise hat eine andere Pandemie bislang verhindert, dass wir sie sehen konnten. Aber zum Glück war der Film bis Ende 2021 auch auf Sky …

Zombie

Die Welt geht unter, und das Fernsehen ist live dabei. Während immer mehr Untote die Straßen der USA bevölkern, versucht man, in einer Sondersendung Lösungen für das Problem anzubieten und den verängstigten Menschen Tipps fürs Überleben zu geben. Doch viele Schutzeinrichtungen existieren bereits nicht mehr. Stephen (David Emge), der Pilot des Senders, der sonst übers Wetter berichtet, und seine Freundin Francine (Gaylen Ross) wollen im Hubschrauber die Stadt verlassen. Als sie aufbrechen, schließen sich ihnen die Polizisten Peter (Ken Foree) und Roger (Scott H. Reiniger) an, die zuvor bei der Räumung eines Mietshauses hautnah erlebt haben, wie die Situation in der Stadt außer Kontrolle gerät. Das Quartett fliegt raus aufs Land und verschanzt sich schließlich in einem riesigen Einkaufszentrum.

Der Film macht es dem Zuschauer anfangs nicht leicht, einen Zugang zur Geschichte zu finden. Nach dem Beginn im Fernsehstudio, der gut das Chaos und die Unsicherheit der Medien einfängt, angemessen über eine diffuse, zunehmend unübersichtlicher werdende Situation zu berichten, wird der Zuschauer unvermittelt in einen Häuserkampf hineingeworfen, bei dem anfangs nicht klar ist, wer auf wen schießt. Auch die ersten Zombies tauchen relativ spät auf – und wirken gar nicht mal so bedrohlich.

Erst nach einer ganzen Weile wird klar, wer die Hauptfiguren in dieser Geschichte sein werden, und sie sind sowohl füreinander als auch für den Zuschauer Fremde. Lediglich Stephen und Francine haben eine gemeinsame Geschichte, später erfährt man, dass sie gemeinsam ein Kind erwarten, aber ein richtiges Paar sind sie nicht. Noch diffuser ist das Verhältnis zwischen Ken und Scott, das mitunter den Eindruck erweckt, es mit einem Liebespaar zu tun zu haben, was aber nie offen ausgesprochen wird. Man hat es also mit einer reinen, willkürlich zusammengewürfelten Schicksalsgemeinschaft zu tun, die langsam zu einer Gruppe zusammenwächst, was realistisch wirkt, auf der anderen Seite kommt man keiner einzigen Figur emotional nahe. Erstaunlich ist jedoch die Zusammensetzung und Diversität der Cast, die nicht nur einen starke afro-amerikanische Figur beinhaltet, sondern auch eine Frau, die zuzupacken versteht und sich auch den Männern widersetzt.

Der Film wird vor allem für seine offene Gesellschafts- und Konsumkritik gelobt, und die Idee, die Geschichte in einem Einkaufszentrum spielen zu lassen, ist in diesem Zusammenhang genial. Der seelenlose Konsum von immer mehr Dingen vernichtet letzten Endes jegliche Menschlichkeit, indem er den Konsumenten emotional abstumpfen lässt und ihn wie eine Marionette von einem Shoppingerlebnis zum anderen taumeln lässt. Der Unterschied zwischen den hungrigen Zombies, die über die Gänge der Mall schlurfen, und den erlebnishungrigen Menschen, die man im wahren Leben beim Einkaufen beobachten kann, erscheint einem plötzlich gar nicht mal so groß. Sogar die vier Protagonisten können für eine Weile die verzweifelte Situation vergessen, indem sie die Regale der Geschäfte plündern.

Bemerkenswert sind auch die immer wieder geführten Diskussionen über eine Lösung des Problems. Die Pragmatiker propagieren ein resolutes Durchgreifen, ohne sich dabei um moralische Bedenken zu scheren, ihre Gegner mahnen dagegen, nie zu vergessen, dass man es bei den Infizierten mit menschlichen Wesen zu tun habe, deren Würde nicht verletzt werden dürfe. Letzten Endes kann nur der überleben, so die Botschaft des Films, der zumindest ein Stück weit ebenso zur Killermaschine wird wie die Untoten.

Streckenweise besitzen diese Auseinandersetzungen eine erschreckende Aktualität. Zwar dreht sich heutzutage die Diskussion nicht ums Köpfen der Infizierten, doch die Frage, wie man auf eine weltweiten Pandemie reagiert, ist grundsätzlich dieselbe. Auch 1978 wurde bereits der Mangel an Kooperation beklagt und die Dummheit der Menschheit angeprangert, die nicht bereit ist, auf eine globale Bedrohung mit gesundem Pragmatismus zu reagieren.

Die filmische Umsetzung ist jedoch nicht immer gelungen, was allerdings auch den vielen unterschiedlichen Schnittfassungen sowie den geänderten Sehgewohnheiten geschuldet sein kann. Neben dem etwas wirren Anfang gibt es einige willkürliche Zeitsprünge und unbeholfene Montagen, die den Erzählfluss mehrmals unterbrechen. Obwohl der Film an manchen Stellen ausgesprochen drastisch inszeniert ist und die Splatter- und Gore-Momente sicherlich nicht jedermanns Geschmack sein dürften, wirken die Effekte verglichen mit dem heutigen Standard lächerlich amateurhaft. Auch die schauspielerischen Leistungen sind häufig nicht überzeugend.

Aus all diesen Gründen ist das Werk eher etwas für den filmhistorisch interessierten Zuschauer oder den Nostalgiker als den durchschnittlichen Horror-Fan.

Note: 4+

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Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem Öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.