Palm Springs

In der Physik gibt es eine Theorie, die besagt, dass Zeitschleifen in der Nähe eines Schwarzen Lochs durchaus möglich sind. Aber wer würde es ausprobieren wollen? Im Film sind sie seit 1993 bekannt, als Und täglich grüßt das Murmeltier ein neues Subgenre kreiert hat, das sich seit ein paar Jahren neuer Beliebtheit erfreut. In der Literatur kamen Zeitschleifen bereits früher vor. 1973 schrieb Richard Lupoff die Kurzgeschichte 12:01 PM, die 1990 als Kurzfilm adaptiert (und sogar oscarnominiert) und 1993 als Fernsehfilm umgesetzt wurde (letzterer lief bei uns sogar im Kino).

Lupoff hat den Machern von Und täglich grüßt das Murmeltier vorgeworfen, seine Idee gestohlen zu haben, und tatsächlich gibt es viel, was dafürsprechen würde. Er hat sich sogar bemüht, mit dem Plagiatsvorwurf vor Gericht zu gehen, aber die hohen Anwaltskosten und der Stress, die ein Verfahren zur Folge haben würde, ließen ihn schließlich aufgeben. Und so ist der eine Film heute ein Klassiker, die beiden anderen jedoch vergessen.

Inzwischen sind etliche Produktionen entstanden, die mit dem Effekt einer Zeitschleife spielen, und der neueste Trend geht in die Richtung, dass es mehr als nur einen Gefangenen darin gibt: Nach der Serie Matrjoschka und dem Film Sechzehn Stunden Ewigkeit ist bei Prime Video nun die neueste Geschichte dieser Art erschienen.

Palm Springs

Nyles (Adam Samberg) begleitet seine Freundin Misty (Meredith Hagner) zur Hochzeit ihrer besten Freundin. Sein legerer Aufzug und sein exzentrisches Verhalten erregen dabei die Aufmerksamkeit von Sarah (Cristin Milioti), der Schwester der Braut. Als sie Nyles in der Wüste näher kommt, wird er jedoch von einem Pfeil in den Rücken getroffen. Roy (J.K. Simmons) versucht, ihn zu töten, und Nyles flüchtet vor ihm in eine geheimnisvolle Höhle. Als Sarah den beiden folgt, gerät sie in einen Sog – und landet wie Nyles und Roy in einer Zeitschleife, die den gesamten vorherigen Tag umfasst …

Oberflächlich betrachtet handelt Und täglich grüßt das Murmeltier von einem Zyniker, der durch seine Erlebnisse in der Zeitschleife ein besserer Mensch wird und sich unsterblich verliebt. Und da die Liebe bekanntlich alles besiegen kann, wird durch sie auch die Zeitschleife durchbrochen. Genau genommen handelt der Film jedoch von Depressionen. Für die von Bill Murray gespielte Figur ist ein Tag wie der andere, er empfindet keine Freude mehr und ist verbittert und zynisch.

Auch Palm Springs greift diesen Gedanken auf, denn für Nyles ist das Leben komplett sinnlos, sein Dasein eine ewige Abfolge derselben, entleerten Rituale. Er steckt sogar schon so lange in der Zeitschleife fest, dass er sich an sein Leben davor nicht mehr erinnern kann. Oder vielleicht tut er auch nur so.

Nach den eher ernsthaften Zeitschleifen-Filmen der letzten Jahre, ist es erfrischend, dieses Subgenre wieder mit den Mitteln der romantischen Komödie belebt zu sehen. Die beiden Hauptfiguren, die im Verlauf der arg vorhersehbaren Geschichte natürlich anfangen, Gefühle füreinander zu empfinden, sind durchweg sympathisch, und es macht eine Menge Spaß, ihnen dabei zuzusehen, wie sie ihre persönliche Freiheit wiedererlangen. Wenn ohnehin alles sinnlos ist und sich jeder Tag wiederholt, sollte man das Beste daraus machen und jeden Tag so einzigartig wie möglich zu gestalten.

Der Dritte im Bunde, der ebenfalls mit ihnen festhängt, ist Roy, der jedoch nur eine untergeordnete Rolle spielt, dabei aber ebenfalls eine Wandlung durchläuft. Roy findet seinen Frieden schließlich im Schoß der Familie, und das ist so anrührend und gleichzeitig komisch erzählt, dass der Auftritt mit zu den besten von J.K. Simmons zählt.

Palm Springs behauptet nicht, etwas Neues zu erzählen, er bedient sich schamlos bei seinen vielen Vorbildern, liefert eine Story ab, bei der man von Anfang an weiß, wie sie verlaufen wird, ist aber so dabei witzig, dass man eine Menge Spaß hat. Wie die beiden Protagonisten in ihrem sich immer wiederholenden Alltag holen auch die Macher das Beste aus einem Film heraus, den man gefühlt bereits hundert Mal gesehen hat, und das ist schon fast eine Kunst für sich.

Note: 2-

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Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem Öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.