Chaos Walking

Young-Adult-Romane oder, weniger Neudeutsch, Jugendromane erfreuen sich riesiger Beliebtheit, vor allem als Adaptionen auf Netflix, weshalb der Streamingdienst mehr und mehr Serien dieser Art produziert. Aber auch im Kino gehen sie, spätestens seit Die Tribute von Panem, hervorragend, wie die zahlreichen Versuche, ähnliche Franchises zu starten, belegen.

Sieben Minuten nach Mitternacht war eher ein klassisches Kinderbuch, wunderbar traurig und fantasievoll geschrieben von Patrick Ness, der damit das Werk seiner früh verstorbenen Kollegin Siobhan Dowd vollendete. Aus der Feder von Ness stammt aber auch die New World-Trilogie, wie sie hierzulande heißt und deren erster Band 2008 erschienen ist.

Nachdem sich das Buch erfolgreich verkauft hat, wurde schon bald an einer Adaption gearbeitet. Aber wie so oft gestaltete sich der Entstehungsprozess langwierig. Erst 2017 konnte schließlich gedreht werden, und Anfang 2019 sollte der Film in die Kinos kommen, wurde dann aber um ein Jahr verschoben – und fiel danach der Pandemie zum Opfer. Seit einiger Zeit ist er bei Sky zu sehen, und da habe ich ihn entdeckt.

Chaos Walking

Todd (Tom Holland) ist ein junger Mann auf einem fremden Planeten, dessen Lebensumstände auch über diesen Umstand hinaus einzigartig sind: Es existieren keine Frauen mehr, da sie bei einem Angriff von Aliens kurz nach Todds Geburt getötet wurden, und die Gedanken der Männer sind für alle laut hörbar und machen sich in einem farbigen Nebel, ähnlich der Aurora Borealis, bemerkbar. Eines Tages stürzt ein kleines Raumschiff ab, Vorauskommando eines größeren Siedlungsschiffs, und Todd stößt auf die einzige Überlebende: Viola (Daisy Ridley). Doch der Bürgermeister von Todds Heimatstadt, Prentiss (Mads Mikkelsen), sieht in ihr eher einen Eindringling, der seine Pläne gefährdet, und macht Jagd auf Viola. Todd ist der Einzige, der zu ihr hält, und die beiden fliehen gemeinsam in die Wildnis …

Die Idee, dass die Gedanken der Männer laut hörbar sind, ist faszinierend und bietet viele Möglichkeiten, denn auf diese Weise gibt es praktisch keine Geheimnisse mehr. Dafür aber eine Menge Streit, weil jeder abfällige gedankliche Kommentar schnell zu einer Prügelei führen kann. Auch die filmische Umsetzung ist durchaus gelungen, zumindest visuell, dramaturgisch leider nicht ganz. Zum einen geht einem schnell der stetig fließende Gedankenstrom von Todd und den anderen auf die Nerven, zum anderen macht Regisseur Doug Liman nicht viel daraus. Zwei Mal wird der Umstand der lauten Gedanken komödiantisch eingesetzt, dabei haben Filme wie Was Frauen wollen schon lange unter Beweis gestellt, welche Möglichkeiten sich dazu bieten.

Auch sonst überwiegt eher grimmiger Ernst in der Geschichte, die so vieles sein will: Es geht um das schmerzhafte Erwachsenwerden Todds, der auf ein grausames Geheimnis in seiner Heimatstadt stößt und entdeckt, dass er zeit seines Lebens belogen wurde. Darüber hinaus ist es auch eine Pioniergeschichte, die an alte Western erinnert, wobei die Aliens, die leider fast gar keine Rolle spielen, die undankbare Rolle der Eingeborenen übernehmen. Und zudem ist es ein Thriller, denn Todd und Viola müssen vor dem machthungrigen Prentiss fliehen, dessen Pläne bei genauerer Betrachtung leider keinerlei Sinn ergeben.

Wenn das Ganze wenigstens richtig spannend umgesetzt wäre, könnte man über die eine oder andere Unzulänglichkeit hinwegsehen, aber für einen Film von Doug Liman ist das Ergebnis ziemlich unspektakulär. Sehenswert ist vor allem Tom Holland, dessen unbeholfener, seine Gedanken nie unter Kontrolle haltender Todd sehr sympathisch ist.

Note: 3-

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Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem Öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.