In meinem gestrigen Beitrag zu Der geheime Garten erwähnte ich bereits, dass die Kindheit, wie wir sie kennen, sich erst im 19. Jahrhundert entwickelt hat. Passend dazu habe ich kürzlich den Film Ein königlicher Tausch auf Prime Video gesehen, in dem es um die Schicksale von vier Kindern und Jugendlichen aus zwei Königshäusern im 18. Jahrhundert geht. Als Fan historischer Stoffe konnte ich natürlich nicht widerstehen.
Ein königlicher Tausch
Nach zwei verheerenden Kriegen will König Philipp V. von Spanien (Lambert Wilson) endlich Frieden mit Frankreich, wo Herzog Philippe d’Orléans (Olivier Gourmet) als Regent für den minderjährigen Ludwig XV. (Igor van Dessel) herrscht. Geschickt bringt der Herzog seine Tochter Louise (Anamaria Vartolomei) als zukünftige Gemahlin von Philipps Sohn und Thronfolger Don Luis (Kacey Mottet Klein) ins Spiel. Im Gegenzug soll Ludwig die spanische Prinzessin Maria Anna (Juliane Lepoureau) heiraten. Der Vertrag wird besiegelt, und die beiden Prinzessinnen werden an der Grenze ausgetauscht. Doch schon bald treten Probleme auf, denn Ludwig kann mit der kindlichen Maria Anna nichts anfangen, und Louise verhält sich launisch und eigensinnig und weist den linkischen Don Luis zurück.
Der Film von Marc Dugain basiert auf einem Roman von Chantal Thomas, der eine wenig bekannte Episode der Geschichte beleuchtet. Im Zentrum stehen die dynastischen Überlegungen, politischen Schachzüge und persönlichen Ränke verschiedener Staatsmänner, die ihre Kinder wie Figuren in einem Spiel einsetzen, ohne auf ihre Befindlichkeiten, Psyche oder Wünsche einzugehen. Das erste Bild, das symbolhaft für den ganzen Film steht, zeigt ein kleines Kind in einem überdimensionierten Bett, verborgen im Halbdunkel, einsam und verloren. Es ist der einjährige Ludwig XV., der gerade seine Eltern und andere Verwandte an eine Epidemie verloren hat und zum Thronfolger aufgestiegen ist.
Vier Jahre später ist er bereits König, und als seine Ehe mit Maria Anna geplant wird, ist er gerade mal elf. Dugain porträtiert ihn als sehr ernsten, aber bereits von den Staatsgeschäften erschöpften und hilflos seinen Ratgebern ausgelieferten Jungen. Beinahe wie ein alter Mann im Körper eines Kindes.
Schlimmer ergeht es nur den beiden Mädchen. Louise ist immerhin bereits zwölf, als sie nach Spanien verfrachtet wird, ein aufsässiges, vom Leben zutiefst gelangweiltes Mädchen, das seit seiner Geburt vernachlässigt wurde, weil sie noch fünf weitere Schwestern hat. Sie kann kaum lesen, hat keinerlei Interessen und wünscht sich den Tod, um von der quälenden Langeweile befreit zu werden. In Spanien wird sie kühl empfangen und isoliert. Immerhin ist Don Luis, den sie ein Jahr später heiratet, völlig vernarrt in sie. Doch der fünfzehnjährige Ehemann ist so unbeholfen und fantasielos, dass sie ihn vehement zurückweist.
Marc Dugain und Chantal Thomas haben zusammen auch das Drehbuch geschrieben, weshalb man davon ausgehen kann, dass sie nah an der literarischen Vorlage geblieben sind. Die Porträts der vier kindlichen bzw. jugendlichen Hauptfiguren sind entsprechend gut gelungen, psychologisch fundiert und exzellent gespielt. Vor allem Juliane Lepoureau ist großartig, so lebendig trotz der starren Kostüme und des strengen Hofzeremoniells und so entzückend, wie die echte Maria Anna angeblich gewesen sein soll. Nur beim Alter hat der Regisseur wie auch bei den anderen Figuren gemogelt, denn die spanische Prinzessin war tatsächlich erst drei, als sie nach Frankreich geschickt wurde.
Das größte Manko des Films ist seine Handlungsarmut. Die kleine Maria Anna wird vom Hof gefeiert, ist in ihren Verlobten vernarrt, obwohl er sie kaum einmal ansieht, und schließt Freundschaft mit Liselotte von der Pfalz (Andréa Ferréol). Wie eine lebende Puppe wird sie durch die Kulissen geschoben, aber sie ist zu jung, um Anteil am Geschehen zu nehmen oder sich charakterlich zu verändern. Auch Ludwig XV. ist eine statische Figur, die meistens nur leidend und deprimiert in die Welt schaut. Spannend ist das nicht.
Am meisten hätte Dugain noch aus den Ereignissen in Spanien herausholen können. Immerhin sind Louise und Don Luis älter, und ihre Beziehung weist eine gewisse Dynamik auf. Doch Louise wird als zickige, aufsässige junge Frau gezeichnet, die nichts Sympathisches an sich hat, und ihr Mann erscheint so tölpelhaft, dass man ständig die Augen verdrehen möchte. Dabei hätte man viel über Louises Isolation am Hof, das strenge Zeremoniell oder die Tatsache erzählen können, dass man sie der Spionage verdächtigte und ständig überwachte. Erst gegen Ende, wenn das Schicksal erbarmungslos zuschlägt und die Leben der vier Figuren noch einmal komplett auf den Kopf stellt, kommt ein wenig Spannung auf. Und dass der Auslöser eine Seuche ist, verleiht der Geschichte eine unerwartete Aktualität.
Insgesamt leider zu langatmig und handlungsarm erzählt, dafür aber berückend schön ins Bild gesetzt und mit wunderbarer Musik unterlegt. Für Fans von Historienfilmen.
Note: 3-