Der Schwerpunkt in dieser Woche liegt im weitesten Sinn auf Asien, und den Anfang macht ein Klassiker der Filmgeschichte. Ich muss gestehen, dass ich in dieser Kategorie immer noch etliche Lücken zu füllen habe, und war daher froh, als dieses Meisterwerk für einige Zeit bei Prime Video im Programm war. Im Moment ist er nur beim Prime Video-Channel Arthaus+ zu sehen, was sich aber wieder ändern kann …
Ran
Fürst Hidetora Ichimonji (Tatsuya Nakadai) steht am Ende seines Lebens, das von Krieg und Landerwerb geprägt war. Im Laufe von Jahrzehnten hat er mehrere lokale Adelige besiegt, ihren Besitz geraubt und sich so als regionale Macht etabliert. Nun beschließt er, sein Land unter seinen drei Söhnen aufzuteilen. Der älteste Sohn Taro (Akira Terao) erhält den Stammsitz, jedoch nicht den Titel des Großfürsten, der mittlere Sohn Jiro (Jinpachi Nezu) die zweitgrößte Burg, der Jüngste Saburo (Daisuke Ryu) dagegen nur einen bescheidenen Besitz. Doch es ist Saburo, der sich gegen diesen Plan ausspricht, fürchtet er doch, dass die Brüder sich alsbald gegeneinander wenden werden. Vor Wut lässt Hidetora ihn verbannen.
Tatsächlich bringt Taros Frau Kaede (Mieko Harada) ihren Mann schon bald gegen seinen Vater auf, um Zwietracht zwischen den beiden zu säen, denn ihre Familie wurde einst von Hidetora vernichtet und sie sieht nun ihren Moment der Rache gekommen …
Regisseur Akira Kurosawa hatte bereits mit Das Schloss im Spinnwebwald eine Version von Macbeth und mit Die Bösen schlafen gut eine von Hamlet inszeniert, und Ran, der zahlreiche Motive von Shakespeares König Lear beinhaltet, kann man entsprechend als Abschluss dieser Shakespeare-Trilogie betrachten. Dennoch ist trotz vieler Parallelen eine lokale japanische Legende der Ursprung der Geschichte, die Kurosawa umgedichtet hat. Ähnlich wie bei Shakespeare zeichnet er jedoch den Untergang eines stolzen, mächtigen Hauses nach, der durch Intrigen, Neid und Missgunst hervorgerufen wird.
Kurosawa entwirft dabei ein sehr düsteres, pessimistisches Bild des Menschen, dessen Natur nur Gewalt und Chaos hervorbringt, dessen Einfallsreichtum vor allem darauf gerichtet ist, andere zu unterdrücken und zu töten. Interessanterweise sind es zwar die Männer, die im Film am Untergang des Hauses Ichimonji arbeiten, von denen die Geschichte zumeist handelt und die alle Weichen stellen, aber die Frauen sind von fast größerer Bedeutung. Neben Kaede, die raffinierte Intrigen spinnt, um ihre Familie zu rächen, gibt es noch Jiros Frau Sué (Yoshiko Miyazaki), die ein ähnliches Schicksal zu beklagen hat, jedoch einen anderen Weg beschritten hat. Anstatt auf Rache zu sinnen, hat sie sich dem Buddhismus zugewandt und Hidetora verziehen.
So wird Ran nicht nur zu einem Film über die Conditio Humana, sondern beschäftigt sich auch mit religiösen Aspekten. Die Menschen in dieser Tragödie fühlen sich von ihren Göttern, aber auch Buddha verlassen und sind ganz auf sich allein zurückgeworfen. Am Ende bleiben daher nur Tod, Zerstörung und Hoffnungslosigkeit, symbolisiert durch Sués Bruder Tsurumaru (Mansai Nomura), den Hidetora blenden ließ, nachdem er die Familie getötet und die Burg niedergebrannt hatte. Auch Tsurumaru sinnt auf Rache, ist aber blind und machtlos, Sué beschwört ihn, sich an Buddha zu wenden, aber er verliert dessen Abbild und damit jeglichen Trost. Das letzte Bild zeigt ihn inmitten aller Zerstörung allein am Rand eines Abgrunds – trauriger und trostloser kann man die Menschheit nicht beschreiben. Man darf vermuten, dass Kurosawa (Jahrgang 1910) auf diese Weise seine Erfahrungen des Zweiten Weltkriegs und der Zerstörung von Hiroshima und Nagasaki verarbeitet hat.
Ran war ein Herzensprojekt von ihm, an dem er viele Jahre gearbeitet hat, und der Film wurde mit großem Aufwand umgesetzt. Allein zwei Jahre lang dauerte es, bis alle Kostüme von Hand geschneidert waren. Diese Opulenz und Liebe zum Detail zahlt sich aus, denn Ran ist ein visuelles Meisterwerk mit beeindruckenden Schlachtszenen und wunderschönen Tableaus. Kurosawa inszeniert streng, mit Blick auf eine symbolhafte Bildgestaltung, wodurch im Endeffekt aber auch ein theaterhafter Eindruck entsteht, der den Zugang zum Werk etwas erschwert. Aber trotz dieser Hemmnisse und der trostlosen Aussage des Stücks ist es ein überaus beeindruckendes Meisterwerk.
Note: 2-