25 km/h

Nein, heute geht es nicht um Hunde, Katzen oder andere Haustiere, denn der Film, über den ich heute schreibe, hat inhaltlich nichts mit den anderen in dieser Woche zu tun. Ist manchmal so.

Der Trailer war launig und machte Lust auf den Film, genauso wie es ein guter Trailer tun sollte. Dass ich dennoch nicht ins Kino gegangen bin, lag – am Trailer. Oder vielmehr an der Tatsache, dass er wirklich bei jedem einzelnen Kinobesuch zu sehen war, bis ich am Ende eben keine Lust mehr hatte, den Film zu sehen. Marketing-Overkill.

Inzwischen sind jedoch drei Jahre vergangen, und obwohl mir der Trailer und vor allem manche Szenen daraus immer noch sehr präsent sind, dachte ich, es wird Zeit, der Geschichte eine Chance zu geben.

25 km/h

Christian (Lars Eidinger) ist ein vielbeschäftigter Businessman, der seit Jahrzehnten im Ausland lebt und nun zur Beerdigung seines Vaters in den kleinen Schwarzwaldort zurückkehrt, in dem er aufgewachsen ist. Dort lebt noch immer sein Bruder Georg (Bjarne Mädel), der sich um den kranken Vater gekümmert hat, eine Schreinerei betreibt und seit der Jugend in die Nachbarin Tanja (Sandra Hüller) verliebt ist. Die beiden Brüder haben sich nicht viel zu sagen, denn Georg ist sauer, weil Christian nicht einmal ans Todesbett des Vaters gekommen ist. Doch nach einem Tischtennismatch, das sie an ihre Jugend erinnert, und einem Abend mit viel Alkohol erinnern sie sich an einen alten Plan: Als Teenager wollten sie mit ihren Mofas quer durch Deutschland an die Ostsee fahren, und im Überschwang ihrer Trunkenheit machen sich die beiden sofort auf den Weg …

Deutsche – und ich bin da keine Ausnahme – lieben Roadmovies, weshalb bei uns auch überdurchschnittlich viele davon produziert werden. Mit dem Mofa vom Schwarzwald an die Ostsee zu fahren, ist zudem eine witzige Idee, auch wenn es – buchstäblich – eine Schnapsidee ist. Es ist aber auch ein raffinierter Einfall, durch den die Produzenten eine Menge Fördergelder kassieren konnten. Dass die beiden ungleichen Brüder sich auf diesen Trip einlassen und sogar am Ball bleiben, obwohl sie eigentlich Besseres zu tun hätten, weist auf die Dringlichkeit hin, sich nach Jahren der Entfremdung wieder näherzukommen. Mit dem Tod des Vaters stehen die Männer an einem Scheideweg, der sie entweder wieder zusammenbringt oder endgültig entfremdet.

Vor allem Christian muss sich fragen, ob er sein bisheriges Leben so weiterführen will oder noch einmal etwas grundlegend verändert. Als Manager jettet er um die Welt, lebt gerade in Singapur, hat aber außer seinem Büro und seiner Wohnung noch nichts von der Stadt gesehen. Für ihn existieren nur Zahlen, Statistiken und Risikobewertungen. Und Geld. Eine Menge davon, aber wichtig ist es ihm nicht. Er ist ein Macher, ein Spieler, jemand, der den einmal beschrittenen Weg weitergeht, auch wenn er längst das Gefühl hat, in einer Sackgasse zu stecken. Diese Reise und die damit verbundene Entschleunigung verhilft ihm dazu, über sich und sein Leben nachzudenken. Er gesteht Georg sogar, dass er einen Sohn (Matti Schmidt-Schaller) hat, der bei seiner Mutter (Jördis Triebel) in Berlin lebt und den er noch nie gesehen hat.

Auch Georg steckt in einem Leben fest, dass er sich so nicht vorgestellt hat. Als Jugendlicher hat er ebenfalls davon geträumt, die weite Welt zu sehen, ist aber nie aus dem Dorf herausgekommen. Grundsätzlich zufrieden mit seiner Arbeit und dem begrenzten Horizont, sehnt er sich nach einer liebevollen Beziehung, findet aber nie den Mut, der unglücklich verheirateten Tanja seine Gefühle zu gestehen.

Beide Brüder werden grundsolide von Drehbuchautor Oliver Ziegenbalg beschrieben, man versteht ihre Nöte und was sich in ihrem Leben ändern muss, auch wenn man das Gefühl hat, dass genau dieselben Probleme ständig in diversen deutschen Komödien verhandelt werden. Tiefere Erkenntnisse erlangen die Figuren zwar nicht, obwohl am Ende durchaus Hoffnung besteht, dass sie ihren Leben tatsächlich eine Wendung zum Besseren geben. An den Figuren und ihrer Entwicklung ist also nicht das Geringste auszusetzen, und der stets vor sich hin brummende Mädel und der wie immer hyperaktive Zappler Eidinger verkörpern sie auf sehr sympathische Weise.

Leider hapert es ein wenig bei der Umsetzung durch Regisseur Markus Goller, die etwas zu schlicht und einfallslos ist. Ganz brav folgt auf jede Szene, in der sich die Brüder öffnen und von ihren Ängsten und Versäumnissen erzählen, eine weitere voller Ausgelassenheit und Albernheit. Dazwischen werden noch einige mehr oder weniger skurrile Episoden eingestreut, die Raum für diverse Gastauftritte (von Alexandra Maria Lara, Franka Potente, Jella Haase und Wotan Wilke Möhring) lassen. Wirklich witzig ist das meistens nicht, auch wenn man immer wieder schmunzeln kann. Vielleicht liegt das aber auch daran, dass tatsächlich jede einzelne komische Szene im Trailer zu Tode genudelt wurde.

So geht dem Film nach einem relativ flotten Start schnell die Luft aus, er schlingert dann noch eine Weile etwas ziellos von Anekdote zu Anekdote, bevor er auf der Zielgeraden noch die Kurve kriegt.

Note: 3

Dieser Eintrag wurde veröffentlicht in Pi Jays Corner und verschlagwortet mit von Pi Jay. Permanenter Link zum Eintrag.

Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem Öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.