Da ich im Anschluss an Kölner Filmmesse noch Freunde und Familie in NRW besuchen wollte, haben wir unseren Aufenthalt am Rhein um ein paar Tage verlängert – und sind ins Kino gegangen. Zugegebenermaßen nicht sehr originell, aber es gibt noch einige Filme, die ich vorzugsweise vor dem Urlaub nachholen möchte, bevor sie endgültig aus den Lichtspielhäusern verschwinden.
Ob das in diesem Fall eine gute Idee war, sei dahingestellt, denn das Kino war mit dem nervigsten Publikum aller Zeiten besetzt. Dass sich die Leute während der Trailer unterhalten, stört mich nicht weiter, aber wenigstens zu Beginn des Films sollten sie dann bitte damit aufhören. Der Saal war gut besetzt, und irgendjemand hatte immer irgendetwas zu seinem Nachbarn zu sagen. Anscheinend ist die Aufmerksamkeitsspanne der Jugendlichen – die große Mehrzahl der Zuschauer war zwischen 15 und Mitte 20 – so gering, dass sie nicht einmal zwei Stunden lang die Klappe halten und ruhig auf ihrem Platz sitzen können. Neben den geflüsterten Unterhaltungen leuchteten auch immer wieder Handydisplays in der Dunkelheit auf, weil es vermutlich zu viel verlangt wäre, für länger als 30 Minuten auf seine sozialen Medien zu verzichten. Man könnte ja was verpassen. Und habe ich schon erwähnt, dass alle zehn Minuten jemand aufstand, um zur Toilette zu gehen?
Free Guy
Guy (Ryan Reynolds) ist ein Bankangestellter in Free City, der so optimistisch und lebensbejahend ist, dass es ihn nicht einmal stört, wenn mehrmals am Tag ein Überfall stattfindet, bei dem er oft genug geschlagen oder getreten wird. Gewalt ist allgegenwärtig in Free City, in der es niemanden verwundert, wenn Panzer durch die Straßen rollen oder sich Hubschrauber ein Feuergefecht mit der Polizei liefern. Doch trotz seiner positiven Einstellung fühlt sich Guy tief im Herzen einsam, denn er sehnt sich nach Liebe. Eines Tages begegnet er jedoch Molotovgirl, alias Milli (Jodie Comer) und verliebt sich in sie. Doch sie gehört zu den „Sonnenbrillenträgern“, denen in der Stadt alles erlaubt ist. Molotovgirl inspiriert Guy, einem Bankräuber die Sonnenbrille abzunehmen, und so entdeckt er, dass das, was er für die Realität gehalten hat, in Wahrheit eine Simulation ist: Guy ist nur die Figur in einem Videospiel, und Millie ist eine Spielerin mit einer Mission. Sie will beweisen, dass Antwan (Taika Waititi), der Chef der Computerfirma, die das Spiel herausbringt, einen Code gestohlen hat, der von ihr und Keys (Joe Keery) stammt …
Da der Film wegen der Pandemie mehrfach verschoben wurde, war der Trailer so oft im Kino zu sehen, dass ich schon fast mehr keine Lust hatte, mir den Film anzuschauen. Was aber schade gewesen wäre, denn er macht eine Menge Spaß. In erster Linie ist das das Verdienst von Ryan Reynolds, der seinen Guy mit so viel offener Freundlichkeit, Naivität und Charme ausstattet, dass es vollkommen unmöglich ist, ihn nicht zu mögen.
Die Geschichte selbst ist abwechslungsreich, flott erzählt, aber alles andere als originell. Die Truman Show und vor allem Matrix standen bei der Idee Pate, und die Autoren Matt Lieberman und Zak Penn sorgen in ihrem Buch für so viele Wendepunkte, dass einem beinahe schwindelig wird. Free Guy will eine Menge erzählen, es geht um den freien Willen, Konsum- und Kapitalismuskritik, künstliche Intelligenz und Philosophie. Streng genommen nimmt die Geschichte irgendwann sogar religiöse Züge an, weil sie Freundlichkeit und gutes Verhalten propagiert und dafür den Einzug ins Paradies in Aussicht stellt …
Man könnte sogar sagen, dass die Autoren zu viel wollen, denn neben Guys Emanzipations- und Erweckungsgeschichte geht es auch um geistigen Diebstahl, Betrug und – natürlich – Liebe. Man fragt sich dabei jedoch, wessen Geschichte die Autoren erzählen wollen, denn die Perspektive ändert sich fortwährend, und auch wenn die beiden Stories inhaltlich miteinander verzahnt sind, fügen sie sich nicht ohne Probleme ineinander. Das liegt vor allem daran, dass es zwischen Guy und Millie durchaus funkt, der Zuschauer aber zu jedem Zeitpunkt weiß, dass diese Beziehung zu nichts führen kann.
Neben Reynolds Lust am Spiel sind es vor allem die kleinen Details und die Gags am Rande, die dem Film Leben einhauchen. Das hohe Tempo in der ersten Hälfte trägt ebenfalls dazu bei, und auch wenn die Geschichte zum Ende hin etwas zerfasert, ins Beliebige abdriftet und das Ende nicht wirklich zufriedenstellt, geht man dennoch mit einem guten Gefühl aus dem Kino. Und daran ändern auch die nervigen Zuschauer nichts.
Note: 3+
Ich hatte es bereits angedeutet: Ab morgen beginnt mein Urlaub, der erste seit über zwei Jahren, und auch wenn ich mich Anfang übernächster Woche noch einmal kurz zurückmelde, um wie gewohnt meine Liste mit interessanten Filmen zu veröffentlichen, geht es an dieser Stelle erst wieder am 11. Oktober weiter.