Was kann man an einem kühlen, wolkenverhangenem Nachmittag Schöneres tun, als ins Kino zu gehen und für eine Weile Kriege, Katastrophen, Corona und den lästigen Alltag zu vergessen und dabei zuzuschauen, wie eine Riesenechse und ein monumentaler Affe sich gegenseitig die Fresse polieren? In gewisser Weise hat das schon etwas von spätrömischer Dekadenz und Gladiatorenkämpfen.
Aber Spaß beiseite. Im Wettrennen Godzilla gegen King Kong stellt man schnell fest, dass die Riesenechse dem Affen eine Schwanzlänge voraus ist. King Kong war vielleicht das erste gigantische Wesen, das die Kinoleinwände erobert hat, Godzilla war aber dreimal fleißiger: Godzilla vs. Kong ist nicht nur der vierte Film im MonsterVerse, sondern auch der zwölfte im King Kong-Franchise, aber bereits der 36. im Godzilla-Franchise.
Die beiden Kontrahenten treffen auch nicht das erste Mal aufeinander, sondern haben eine lange Vorgeschichte. Die Idee, zwei unterschiedliche Filmwesen aufeinanderprallen zu lassen, stammt ursprünglich vom Stop-Motion-Pionier Willis O’Brien, der 1933 den Riesenaffen in King Kong und die weiße Frau zum Leben erweckte und Anfang der Sechzigerjahre ein Projekt pitchte, das den Titel King Kong versus Frankenstein trug. Ohne sein Wissen wurde die Idee dann an die Tōhō-Studios verkauft, die 1962 Die Rückkehr des King Kong als dritten Teil des Godzilla-Franchises auf den Markt brachten. Vor allem in der Showa-Staffel (1954-75) taucht King Kong immer wieder auf. Frankensteins Monster übrigens auch.
Godzilla vs Kong
Fünf Jahre nachdem Godzilla den Thronräuber King Ghidora eliminiert hat, fristet Kong ein Leben als Gefangener auf seiner eigenen Insel – natürlich nur zu seinem Schutz vor der Echse. Die Riesenaffen-Expertin Ilene Andrews (Rebecca Hall) studiert ihn, ihre stumme Ziehtochter Jia (Kaylee Hottle) ist es jedoch, die es heimlich geschafft hat, dem Affen Zeichensprache beizubringen.
Am anderen Ende der Welt infiltriert der investigative Journalist Bernie Hayes (Brian Tyree Henry) Apex Cybernetics, weil er ein großes Firmengeheimnis aufdecken will. Während er sensible Daten stiehlt, wird die Anlage von Godzilla angegriffen. Madison Russell (Millie Bobby Brown), die ein Fan von Bernies Podcast ist, bietet ihm seine Hilfe an, und da sie die Tochter der Monarch-Legende Mark Russell (Kyle Chandler) ist, nimmt er sie nur zu gerne an.
Gleichzeitig lässt sich der Hohlerde-Spezialist Nathan Lind (Alexander Skarsgard) von Apex anheuern, um seine Theorien unter Beweis zu stellen. Da die Hohlerde als Ursprungsort der Titanen gilt, glaubt er, den perfekten Reiseführer dorthin gefunden zu haben: Kong. Doch Godzilla scheint eine Menge gegen diese Pläne zu haben …
Zwei Dinge, die man in den Vorgängerfilmen nur vermutet hat, werden langsam, aber sicher zur Gewissheit: Godzilla sind die Menschen völlig egal, er gehorcht allein seiner biologischen Programmierung und macht Jagd auf potentielle Rivalen. Und die menschlichen Akteure sind reine Statisten.
Eines der Rätsel, die im Film zu lösen sind, bezieht sich auf das, aus menschlicher Sicht, irrationale Verhalten Godzillas: Warum greift er die Apex-Einrichtung in Florida an? Sowohl Bernie als auch Madison und ihr Freund Josh (Julian Dennison), der sich mit dem Journalisten einen Wettkampf darum liefert, wer nerviger ist und die dümmeren Dialoge äußern darf, sind davon überzeugt, dass die Echse gute Gründe hat.
Ohne hier zu viel zu verraten, sei gesagt, dass es tatsächlich etwas gibt, das Apex zu verbergen hat. Und wieder einmal zeigt sich, dass menschliche Hybris und Gier Schuld an der Zerstörung der Welt sind, denn im Gegensatz zu Godzilla oder Kong sind wir zu rationalen Entscheidungen fähig und müssten es besser wissen. Man kann den Film daher als zivilisationskritisch betrachten, und im Endeffekt sollte man dankbar dafür sein, dass die Titanen nicht genauer über uns Menschen nachdenken (können), sonst wären wir schon lange Geschichte.
Während Godzilla und Kong um die Vorherrschaft streiten und sich am Ende gegen eine menschliche Schöpfung wenden, wuseln die Menschen unentwegt herum, ohne eine wichtige Rolle im Geschehen zu spielen. Ihr großes Abenteuer besteht in der Erforschung der Hohlerde, wobei man sich besser nicht die Frage stellen sollte, wozu sie dabei Kong brauchen, denn mit ihren technischen Hilfsmittel kommen sie auch gut allein zurecht. Und wozu braucht man einen Führer, wenn es nur einen einzigen Weg gibt?
Die Antwort hat mit Kongs Vorherrschaft in der Hohlerde zu tun, denn es stellt sich heraus, dass seine Vorfahren nicht nur die Könige der Unterwelt waren, sondern sogar Architekten und Waffenkonstrukteure. Was erfahren wir wohl im nächsten Film – dass Godzilla gut stricken kann?
Über manche, nein, über fast alle Details in dieser kruden Geschichte sollte man besser nicht genauer nachdenken. In diesem merkwürdigen Universum macht es vielleicht auf die eine oder andere Weise Sinn, in jedem anderen eher nicht. Aber letzten Endes ist es bei einem solchen Film, der sich ohnehin nicht richtig ernst nimmt, auch schon fast wieder egal, ob die Logik stimmt oder nicht, denn es kommt in erster Linie darauf an, wie unterhaltsam er ist.
Leider setzt sich der Trend des Franchises auch diesmal fort, dass die Filme von Mal zu Mal weniger Spaß machen. Sie sind immer noch bildgewaltig und sollten unbedingt auf der großen Leinwand gesehen werden, aber das Interesse an den menschlichen Akteuren tendiert inzwischen gegen Null. Die Autoren haben für die Homo sapiens inzwischen nicht einmal mehr eine Alibistory übrig, und sämtliche Figuren sind allein ihrer Funktion in der Handlung unterworfen. Lediglich Nathan Lind darf als zögerlicher Held, der am Ende über sich hinauswächst, so etwas wie eine charakterliche Entwicklung zeigen. In der Summe ist das leider enttäuschend.
Abgesehen von den sehenswerten Kämpfen zwischen Godzilla und Kong, die im Showdown Hong Kong auseinandernehmen (versteckt sich hier etwa eine Kritik an der Zerschlagung der Demokratiebewegung oder ist das eine zu gewagte Interpretation?), kann man den Rest des Films getrost vergessen.
Note: 4