Leider war ich in letzter Zeit nicht so häufig im Kino wie ich es gerne gewollt hätte. Teilweise hat das mit der Pandemie und den Einschränkungen zu tun, aber auch mit der Tatsache, dass ich lieber spontan gehe, anstatt Karten zu reservieren.
Durch die Pandemie sind den Kinos sehr viele Teilzeitkräfte verloren gegangen (ich habe von Häusern gehört, die nur noch über ein Viertel ihrer früheren Beschäftigten verfügen), so dass etliche Vorstellungen ausfallen müssen. Eines unserer beiden Multiplexe hat beispielsweise immer montags geschlossen und hat bis vor Kurzem erst um 17 Uhr mit den Vorstellungen begonnen. Und da durch die Bestimmungen die Kapazitäten eingeschränkt sind, ist es mir auch schon mehrfach passiert, dass eine Vorstellung de facto ausverkauft war. Das ist ärgerlich, aber leider nicht zu ändern. Vielleicht entspannt sich die Lage ja, sobald das neue Semester beginnt und wieder mehr Studenten auf den Arbeitsmarkt drängen. All diesen Widerständen zum Trotz war ich in der vergangenen Woche gleich zweimal im Kino …
Als 1998 Bube, Dame, König, grAS in die Kinos kam, fand er schnell eine begeisterte Fangemeinde. Kein Wunder, die Gangsterkomödie besaß schwarzen Humor, schräge Figuren und war flott inszeniert. Guy Ritchie war der Mann der Stunde, beinahe ein zweiter Quentin Tarantino, dem zu jener Zeit eine Menge junger Regisseure nacheiferten. Auch sein nächster Film Snatch – Schweine und Diamanten konnte noch bei den Fans punkten, doch dann kam Stürmische Liebe – Swept Away …
Ein großer Ritchie-Fan war ich nie, insbesondere mit seinen Sherlock Holmes-Adaptionen konnte ich mich nicht anfreunden, weil sie mir viel zu albern und überzogen waren, aber The Gentlemen war wieder eine Rückkehr zu seinen Anfängen und nicht schlecht. Daher war ich neugierig auf den Film, den er direkt im Anschluss gedreht hat und dessen Trailer so wenig nach Guy Ritchie aussieht.
Cash Truck
Ein Geldtransporter wird überfallen, die beiden Wachleute sowie ein unbeteiligter Passant sterben dabei. Einige Monate später heuert der wortkarge Brite Hill (Jason Statham) bei der Firma an. Schon auf einem seiner ersten Einsätze gerät er in einen Überfall, doch anstatt dem Protokoll zu gehorchen, überwältigt und tötet Hill die Männer im Alleingang. Seine Chefs sind begeistert, das FBI misstrauisch, und recht bald stellt sich heraus, dass Hill eine geheime Agenda hat …
Der Film ist in vier Kapitel unterteilt, wobei das erste von Hills Einstand in der Firma und seinem heldenhaften Einsatz handelt. Anschließend erfährt man in Rückblenden, was Hill in die Firma geführt hat und dass er nach einem Insider sucht. Danach stellt eine weitere Rückblende die Gangster vor, die den ersten Geldtransporter überfallen haben, bevor im Showdown die jeweiligen Figuren aufeinandertreffen.
Diese etwas verschachtelte Erzählweise ist typisch für Guy Ritchie, doch der Film basiert auf einem französischen Thriller von 2004, der ähnlich aufgebaut war. Vielleicht erscheint die Produktion deshalb auch auf den ersten Blick so untypisch für den britischen Regisseur, weil er diesmal nicht Handlung und Figuren erdacht hat. Auch gibt es relativ wenig Humor, der sonst immer sein Markenzeichen ist.
Im Trailer und den Kritiken wird relativ viel über die Handlung verraten, vor allem über Hills Motive. Je weniger man jedoch weiß, desto besser dürfte einem der Film gefallen, denn er wird trotz seiner verschachtelten Struktur recht geradlinig erzählt und verfügt über keine nennenswerte Überraschungen.
Im Gegenteil, man kann schon recht schnell erahnen, wer der Insider ist, der die Geheimnisse der Firma an die Bösewichter verrät, und auch Hill muss kaum Zeit mit Recherchen verbringen, denn der Täter offenbart sich ihm praktischerweise von selbst. Das ist enttäuschend, ebenso der genreuntypische Verzicht auf einen ausführlichen Rachefeldzug der Hauptfigur. Schaltet ein Jason Statham normalerweise im Alleingang sämtliche Bösewichter aus, bis er sich an die Spitze der Hierarchie gemeuchelt hat, gerät Hill im Showdown zeitweilig aus dem Fokus. Das alles wirkt ein bisschen wie auf Sparflamme gekocht.
Aus diesem Grund ist der erste Teil des Films auch mit Abstand der beste. Er ist spannend inszeniert und bietet genau das, was man von einer solchen Geschichte erwartet. Dagegen fällt Hills Vorgeschichte leider ab, denn sie erreicht nie die emotionale Qualität, die sie mit einem anderen Hauptdarsteller und einer sensibleren Regie hätte erreichen können. Auch Hills Backstory wird nie zufriedenstellend erklärt; wer der Mann eigentlich ist, weiß man auch am Ende des Films nicht. Aber das hat auch wieder seinen Reiz.
Der schwächste und mit Abstand flachste Teil ist der dritte, der von den Gangstern handelt und der mit „Böse Jungs, böse“ betitelt ist. Hier reiht sich Klischee an Klischee, und jeder, der schon mal einen Thriller gesehen hat, kann sich den Rest der Geschichte zusammenreimen. Die Figuren wirken hölzern, manche Dialoge auch.
Zum Glück kriegt Ritchie im Showdown noch einmal die Kurve, auch wenn er die eine oder andere Erwartungshaltung unterläuft, so dass man am Ende zufrieden aus dem Kino geht. Das Beste am Film – mit weitem Abstand – ist jedoch seine Musik von Christopher Benstead.
Note: 3