Wie ich ausgerechnet auf diesen Film gestoßen bin, kann ich gar nicht mehr genau sagen. Wahrscheinlich wurde er mir von Prime Video aufgrund eines anderen Films, den ich gesehen habe, vorgeschlagen. Jedenfalls hatte ich noch nie von der doch recht prominent besetzten Produktion gehört und war neugierig. Leider wurde er inzwischen aus dem Streamingangebot entfernt.
Am deutschen Titel – im Original heißt der Film 5 Flights up – ist diesmal nichts auszusetzen. Obwohl … Mark G. wies mich zurecht darauf hin, dass der Untertitel Verliebt in New York faktisch nicht ganz richtig ist, da die Geschichte in Brooklyn spielt. Der Bezirk gehört zwar seit 1898 zu New York City, doch die Einwohner haben sich in ihren Köpfen und Herzen eine gewisse Eigenständigkeit bewahrt, die sie nicht müde werden zu betonen.
Ruth & Alex – Verliebt in New York
Seit vierzig Jahren leben Ruth (Diane Keaton) und Alex (Morgan Freeman) bereits in ihrer Wohnung in Brooklyn, doch im Alter werden die Treppen immer beschwerlicher, und so denkt das Paar über Verkauf und Umzug nach. Ihre Nichte Lily (Cynthia Nixon) ist Maklerin und nur zu gerne bereit, ihnen dabei zu helfen. Doch ausgerechnet an dem Wochenende, an dem sie die Wohnung zur Besichtigung öffnen, erleidet zuerst ihr Hund einen Bandscheibenvorfall und muss operiert werden, während gleichzeitig die ganze Stadt nach einem mutmaßlichen muslimischen Attentäter fahndet …
Der Film ist eine Liebeserklärung. Schon gleich zu Beginn, wenn Alex den Hund Gassi führt und einige morgendliche Besorgungen erledigt, spürt man seine Zuneigung für die Nachbarschaft, in der er seit vier Jahrzehnten lebt, seine Verbundenheit mit der Stadt und vor allem mit Brooklyn. Doch auch hier schreitet die Gentrifizierung unerbittlich voran, und Alex erkennt seine Straße kaum noch wieder. Wenn er sich dann die Treppen in den fünften Stock hinaufquält, fühlt man sich an Barfuß im Park erinnert, Neil Simons Kult-Komödie aus den späten Sechzigern über ein junges Paar, das seine erste Wohnung – ebenfalls im fünften Stock – bezieht, und der beste Running Gag besteht darin, dass jeder Besucher japsend auf ihrer Fußmatte zusammenbricht.
Aber Ruth & Alex ist keine Komödie mit schrillen Tönen, sondern ein nachdenklicher, stimmungsvoller Kommentar über das Älterwerden und ein sarkastischer Seitenhieb auf den Zeitgeist und die sensationsheischende Medienlandschaft. Im Film passiert nicht sehr viel, neben der Wohnungsbesichtigung – laut Alex sicherlich eine der zehn biblischen Plagen – und ihrer eigenen Suche nach einer neuen Bleibe, der Sorge um den Hund und wie sie die horrenden Tierarztkosten begleichen sollen, lebt der Film vor allem von einigen wenigen Rückblenden in die ersten Jahre des Paares.
Keaton und Freeman sind das Herz des Films, und den beiden zuzuschauen, ist ein stilles Vergnügen, das über so manche Durststrecke hinweghilft. Der Film porträtiert dabei beiläufig vierzig Jahre Ehe und flaniert durch das gemeinsame Leben der beiden wie durch die Wohnung, in der sie leben, erzählt von ihren Sorgen, weil sie keine Kinder bekommen können, und von den Bemühungen Alex’, von seiner Kunst zu leben. Das ist nicht ohne Charme.
Die Jagd auf den vermeintlichen Terroristen findet nur in den im Hintergrund laufenden Nachrichten statt. Drehbuchautor Charlie Peters, der den Roman von Jill Ciment adaptiert hat, erzählt über diese Hetzjagd viel über das heutige Amerika, in dem schnell vorverurteilt wird und eine sensationelle Berichterstattung wichtiger ist als geduldiges Recherchieren der Fakten. Alles muss schnell gehen, die Medien berichten atemlos über jede noch so unbedeutende Wendung des Falls, der wiederum Einfluss auf die Wohnungsbesichtigung und sogar auf die Immobilienpreise hat, weil eine wichtige Verbindung zu Brooklyn blockiert ist und die Menschen durch die Berichterstattung in Angst versetzt werden. Die Erinnerungen an die Anschläge von 2001 sind in der Stadt eben immer noch stets präsent.
Geduldiges Abwarten, sorgfältiges Prüfen und eine langsame Entscheidungsfindung haben in der modernen Welt der Unmittelbarkeit keinen Platz mehr. Wie Alex und Ruth wirken sie wie Relikte aus einer anderen Zeit. Und so streut Regisseur Richard Loncraine nonchalant noch ein bisschen Gesellschaftskritik ein, wohlwissend, dass wir gegen gesellschaftliche Veränderungen ebenso wenig gefeit sind wie gegen die fortschreitende Gentrifizierung. Aber letzten Endes kommt es darauf an, was man in dieser sich stetig wandelnden, unsicheren Welt aus seinem Leben macht. Wenn Alex am Ende beobachtet, wie im Haus ein junges Paar einzieht, erinnert er sich nicht nur an ihre Anfänge vor vierzig Jahren, sondern wird auch Zeuge, wie sich ein Kreis schließt.
Ein stiller, unaufgeregter und inhaltlich reduzierter Film, der aber dank seiner Darsteller eine Menge Charme besitzt.
Note: 3