David Lowery wird schon lange als vielversprechender Regisseur gehandelt, dessen Filme von bestechender Visualität sind. Doch eine beeindruckende Bildsprache allein reicht leider nicht immer, um überaus erfolgreich zu sein. Elliot, der Drache hat mir von Lowerys Filmen, von denen ich nicht alle gesehen habe, noch am besten gefallen, obwohl ich, aufgrund der Vorschusslorbeeren, insgesamt doch enttäuscht war. A Ghost Story habe ich wiederum, trotz seiner schönen, poetischen Atmosphäre, nach der Hälfte abgebrochen, weil ich nicht das Gefühl hatte, dass er mir über das bereits Gesehene noch etwas Neues zu erzählen hat.
Nun also The Green Knight, nach der Aussage des Regisseurs entstanden, weil er als Kind maßgeblich von Ron Howards Willow beeinflusst wurde und einmal ein Fantasy-Drama drehen wollte. Der Trailer sah toll aus, also wollte ich den Film unbedingt auf der großen Leinwand sehen.
The Green Knight
Gawain (Dev Patel) lebt in den Tag hinein und verbringt die Nächte in Wirtshäusern oder bei seiner Geliebten Essel (Alicia Vikander). Am Weihnachtstag besucht er ein Fest seines Onkels, König Artus (Sean Harris), auf dem plötzlich der Grüne Ritter (Ralph Ineson) erscheint, eine mystische Gestalt, halb Mensch, halb Baum. Er fordert die Ritter der Tafelrunde zu einem Spiel heraus: Wer ihm im Kampf einen Streich versetzen kann, soll seine Axt bekommen, im Gegenzug aber in einem Jahr zu ihm kommen, damit er seinerseits den gleichen Schlag empfangen kann. Gawain meldet sich – und schlägt dem Grünen Ritter den Kopf ab. Doch dieser stirbt nicht, sondern nimmt sein Haupt und verschwindet. Ein Jahr darauf muss Gawain sich seiner Verantwortung stellen und bricht auf, seinem Schicksal zu begegnen …
Die Geschichte von Sir Gawain und dem Grünen Ritter gehört zu den Legenden der Artus-Sage und geht in ihrer jetzigen Form auf ein mittelalterliches Manuskript zurück. Es ist eine klassische Ritterromanze, aber auch ein Initiationsmythos, der vom Erwachsenwerden eines jungen Mannes handelt. Heute würde man wohl Coming-of-age-Story sagen.
Lowery versucht, dem poetischen Charakter der Geschichte Rechnung zu tragen, indem er den Film ähnlich einem Lied strukturiert und orientiert sich auch inhaltlich stark an der mittelalterlichen Sage, obwohl er sich durchaus einige Freiheiten nimmt. Wie in der Vorlage steckt Artus’ Halbschwester Morgan La Fay (Sarita Choudhury) hinter dem Auftritt des Grünen Ritters, nur ist sie bei Lowery Gawains Mutter und nicht seine Tante. Als besorgte Mutter ist sie mit dem Lebenswandel ihres Kindes nicht einverstanden und stellt ihn vor eine – potentiell tödliche – Herausforderung, während sie ihm gleichzeitig einen magischen Gürtel mitgibt, der ihn vor allen lebensbedrohlichen Gefahren schützen soll.
In der Sage ist Gawain ein begnadeter Minnesänger und Frauenheld, davon ist hier nichts zu spüren. Trotz seiner Vorliebe für alkoholische Getränke wirkt Dev Patels Figur zu gesetzt, zu wenig wie ein jugendlicher Draufgänger, sondern eher wie ein frustrierter, nicht mehr ganz junger Erwachsener, der erkennt, dass er die großen Abenteuer verpasst hat. Aufgewachsen unter Legenden wie Artus, Merlin und den Rittern der Tafelrunde, spürt er, dass er nie an deren Ruhm heranreichen wird. Die Kriege sind geschlagen und gewonnen, was bleibt für ihn übrig, als deren Früchte zu ernten, ohne etwas zu ihrem Erwerb beigetragen zu haben? Das frustriert und verunsichert ihn. Dev Patel zeigt einen Gawain, der ständig an sich zweifelt, der unsicher ist, ob er überhaupt das Zeug zum Helden hat, und sich immerzu hinterfragt. Der aber auch, typisch Millennial, sich nicht festlegen will, vor allem nicht emotional: Essel würde gerne heiraten, aber Gawain will sich nicht zu ihr bekennen.
Gut, wenn man eine Zauberin zur Mutter hat, die eine Quest, eine Heldenreise für ihn heraufbeschwört. Sobald Gawain Camelot verlassen hat, bekommt der Film naturgemäß episodische Züge. Der Held wird überfallen und ausgeraubt, er trifft auf einen Geist, erhält einen Gefährten in Form eines Fuchses und gelangt schließlich zu Schloss Hautdesert, auch in der Sage der wahre Prüfstein Gawains.
Seltsamerweise fällt ausgerechnet diese Sequenz deutlich gegenüber den anderen ab. Während die Szenen auf Camelot beinahe wie ein klassischer Ritterfilm wirken, die Reise mit ihrer poetisch-mystischen Atmosphäre besticht und sich unentwegt zwischen Traum und Wirklichkeit bewegt, kommen einem die Szenen auf Hautdesert vor wie aus einem anderen Film. Das liegt zum einen an der neugotischen, aus dem 19. Jahrhundert stammenden Kulisse, die so gar nicht zur sonstigen Ausstattung des Films passt, zum anderen an der Umsetzung dieser Episode. Wenn die Lady (Alicia Vikander in einer verwirrenden Doppelrolle) zum Beispiel eine Art Fotografie von Gawain anfertigt, fühlt man sich doch ein klein wenig veräppelt. Viel entscheidender ist jedoch, dass der im Original verhandelte Konflikt zwischen dem Hedonismus der höfischen Welt und den christlichen Werten praktisch keine Rolle spielt und die Szenen damit und vor allem in Verbindung mit dem veränderten Ende seltsam inhaltsleer wirken.
Der dritte Akt funktioniert wieder besser und beschreibt auf kühne Art und Weise, wie ein Mann an seinen eigenen Ansprüchen und Idealen scheitern kann. Das Ende weicht sehr stark von der Vorlage ab, passt aber insgesamt zur rätselhaften Erzählweise Lowerys, die viel Raum für Interpretation lässt. Gerade die ruhigen Passagen auf Gawains Reise, die beinahe meditativ anmuten, bleiben besonders in Erinnerung. Vermutlich ist der größte Unterschied zum mittelalterlichen Epos, das voller Ironie und Witz ist, dass Lowery alles mit einem geradezu tödlichen Ernst erzählt.
Eher ein verrätseltes Mysterienspiel als ein handfester Ritterfilm, aber mit betörend schönen Bildern umgesetzt, die einen noch lange begleiten.
Note: 2-