Vergangenes Jahr wurde ein Reboot von The Grudge in den Kinos gestartet, allerdings mit sehr mäßigen Kritiken und überschaubarem Erfolg. Neben Ringu bzw. dem amerikanischen Remake Ring gehören die Filme der Ju-On-Reihe von Takashi Shimizu zu den bekanntesten japanischen Horrorfilmen der letzten Jahrzehnte. Shimizu selbst hat 2004 mit The Grudge ein US-Remake seines Hits gemacht, das auch hierzulande gut ankam. Neben dem oben genannten US-amerikanischen Reboot wurde 2020 noch eine Netflix-Serie veröffentlicht, die Ju-On: Origins heißt und die Vorgeschichte des verfluchten Hauses beleuchtet. Diese habe ich mir neulich angesehen.
Von all den oben genannten Filmen kenne ich tatsächlich nur die US-Version von 2004, die ich ziemlich gruselig fand, allerdings nicht so gut wie das Hollywood-Remake Ring, das mir schlaflose Nächte bereitet hat. Bei Netflix ist jedenfalls eine synchronisierte Version der Serie erhältlich, da mein Japanisch doch etwas eingerostet ist und ich nicht lesen und gleichzeitig versuchen wollte, mir die vielen Gesichter zu merken.
Die Serie hat eine angenehme Länge von sechs Episoden à knapp dreißig Minuten, so dass man sie bequem an zwei lauschigen (oder momentan eher verregneten) Sommerabenden wegschauen kann. Was auch unbedingt zu empfehlen ist, denn die Story besteht aus zahlreichen Einzelgeschichten, spielt auf mehreren Zeitebenen und erzählt die Schicksale von ungefähr einem Dutzend Menschen.
Im Zentrum stehen neben einem unscheinbaren Vororthaus in Tokio, in dem der Geist einer jungen Frau spukt und sämtliche Besucher ins Unglück stürzt, zum einen ein Buchautor, der reale Geistergeschichten sammelt und als Kind für kurze Zeit in dem Haus gelebt hat, eine junge Schauspielerin, deren medial begabter Freund Opfer des Fluchs wird und die nach einem Grund für seinen Tod sucht, und eine junge Frau, die als Teenager in dem Haus Opfer einer Vergewaltigung wird. Aber dies sind nur – weitgehend – die Ereignisse der ersten Episode.
Die Geschichte beginnt 1988 und erstreckt sich über neun Jahre, folgt den genannten Figuren, aber berichtet auch von anderen Opfern, die ahnungslos in das Haus einziehen. Darüber hinaus geht die Story noch weiter in die Vergangenheit zurück und enthüllt das erste, abscheuliche Verbrechen, durch das der Fluch entstanden ist. Wer das für kompliziert hält – nun, das ist es auch. Daher meine Empfehlung, die Serie in der Synchronfassung zu sehen und sich gut die Gesichter zu merken.
Aber wer ein Faible für gruselige Geschichten hat, sollte der Serie unbedingt eine Chance geben. Inhaltlich spielt sie mit den bekannten Versatzstücken, die auch in den Kinofilmen vorkommen, es geht um Ehebruch, verhängnisvolle Leidenschaften, Missgunst und Rache. Alle Figuren geraten unter den Bann des Hauses, werden vom Geist einer toten Frau heimgesucht und häufig genug selbst zu Mördern.
Obwohl manche Szenen außerordentlich schockierend inszeniert sind und mitunter die Grenze zum Splatter überschreiten, hält sich der Anteil der jump scares und Gruselmomente überraschend in Grenzen. Der wahre Horror liegt vielmehr in dem zunehmenden geistigen und moralischen Verfall der Menschen, die mit dem Haus in Kontakt kommen und die in der Folge vor keinem Verbrechen mehr zurückschrecken, dabei aber selbst am meisten unter den Konsequenzen zu leiden haben.
Sehr schön inszeniert sind vor allem die letzten beiden Folgen, in denen die verschiedenen Zeitebenen miteinander verschmelzen, Zukunft und Vergangenheit einander beeinflussen und so auch visuell interessante Akzente gesetzt werden. Manches schießt dabei vielleicht etwas über das Ziel hinaus, und auch nicht alles wird er- oder aufgeklärt, aber spannend ist es auf jeden Fall.