Vergangene Woche, der eine oder andere hat es vielleicht mitbekommen, waren wir in Berlin. Ein Arbeitsurlaub sozusagen, mit Recherchen in staubigen Bibliotheken und vielen wunderbaren Treffen mit Verleihern, Produzenten, Schauspielern, Verlegern sowie Freunden und Familie. Gelegentlich blieb sogar noch etwas Zeit zum Sightseeing, aber leider nicht für einen Kinobesuch. Deshalb habe ich den dritten Teil der Conjuring-Reihe noch nicht gesehen, aber dafür vor einiger Zeit einen Film, der sehr lose mit dem Franchise verbunden ist …
Lloronas Fluch
1673 ertränkt eine Mexikanerin (Marisol Ramirez) ihre beiden Kinder in einem Fluss, um ihren untreuen Ehemann zu bestrafen, und tötet sich anschließend selbst. Seither geht ihr Geist um und sucht nach unschuldigen Kindern, die sie umbringen und zu sich holen kann. Dreihundert Jahre später gerät die Jugendamtsmitarbeiterin Anna (Linda Cardellini) mit dieser Legende in Berührung, als sie zwei Jungen aus der Obhut ihrer labilen Mutter holen muss, die ihre Kinder aus Angst vor Llorona eingesperrt hat. Doch schon bald entdeckt Anna, dass die Legende durchaus real und Llorona nun hinter ihren eigenen Kindern her ist…
Die Legende von la Llorona gibt es wirklich und ist in Mexiko sowie im Süden der USA verbreitet. „Die Weinende“ gilt dabei als Vorbotin des Todes, weniger als kindermeuchelndes Gespenst, aber das fällt natürlich unter künstlerischer Freiheit. Je nach Sichtweise kann man anerkennen, dass Hollywood sich nun auch von Sagen außerhalb des englischsprachigen Raums inspirieren lässt, die nur unter ethnischen Minderheiten bekannt sind, oder kritisieren, dass hier eindeutig eine neue Zuschauerschicht kommerziell erschlossen werden soll. Letzteres ist natürlich nicht verwerflich, sondern geht im Gegenteil Hand in Hand mit der neuen Politik in Hollywood, ethnischen Minderheiten zu mehr Sichtbarkeit zu verschaffen. Dass mit Linda Cardellini dann aber keine Latina die Hauptrolle erhält, ist wiederum ernüchternd.
Immerhin steht ihr ein Latino-Wunderheiler (Raymond Cruz) zur Seite, der ihr im spannenden Finale hilft, den Geist zu besiegen. Wer jetzt kritisiert, dass ich zu viel vom Ende verrate, sollte wissen, dass das Drehbuch von Mikki Daughtry und Tobias Iaconis (allem Anschein nach auch nicht lateinamerikanischer Herkunft) keinerlei Überraschung enthält, sondern sehr routiniert nach der üblichen Hollywood-Formel arbeitet. Alles in allem solide Qualität, aber weit davon entfernt, auch nur einen Hauch von Originalität zu beinhalten.
Auch die Regie von Michael Chaves ist solide, bietet aber leider viel zu wenige Schauermomente und geizt auch sonst mit Emotionen. Dabei hätte die tragische Geschichte von la Llorona diesbezüglich durchaus einiges zu bieten gehabt.
Der Film gehört streng genommen zum Conjuring-Universum, auch wenn er inhaltlich nicht in Zusammenhang mit den Abenteuern der Geisterjäger Warren steht. Bindeglied ist der Priester Perez (Tony Amendola), der eine Rolle in Annabelle spielt und hier erneut auftaucht.
Grundsätzlich gibt es nicht das Geringste an Chaves’ Arbeit zu meckern, auch wenn zu hoffen steht, dass er bei Conjuring 3: Im Bann des Teufels besser inszenieren wird. Lloronas Fluch ist ein ordentlicher Horrorstreifen mit schöner Bildsprache und einem Budget, von dem viele unterproduzierte Filme dieses Genres nur träumen können. Das Einzige, was wirklich unrealistisch war, war der endlose Regen in Los Angeles …
Note: 3-