Vermutlich kann ich meine Besuche bei McDonald’s an einer Hand abzählen. In den USA haben wir dort ein paar Mal Halt gemacht, weil wir die Toiletten aufsuchen wollten, und natürlich gebietet es der Anstand, dann auch eine Kleinigkeit zu bestellen. Die Apfeltaschen zum Beispiel, da kann man ja nicht viel falsch machen. Sollte man meinen, denn inzwischen bin ich mir auch da nicht mehr sicher.
Mein erster Besuch liegt schon sehr lange zurück, ich war damals zehn oder vielleicht zwölf, und eine Filiale der Burger-Bräter hatte kurz zuvor in meiner Heimatstadt eröffnet. Alles Amerikanische galt als cool, und deshalb überredete ich meine Mutter, dort einen Burger zu essen. Keine Ahnung, was ich erwartet hatte, ein weiches, pappiges Brötchen mit warmem Salat und einem wenig geschmackvollen Fleischklops war es jedenfalls nicht. Die Pommes waren immerhin okay, aber auch damit kann man nicht viel falsch machen. Ach, was war ich jung und naiv.
Meine Mutter war wahrscheinlich froh, dass es mir nicht geschmeckt hat, und das einzige Mal, dass ich freiwillig in einen McDonald’s gegangen bin, war auch in den USA, in einem kleinen Kaff in der Prärie, in dem zu diesem Zeitpunkt kein anderes Restaurant mehr geöffnet war. Heute würde ich vermutlich lieber fasten.
Der eine oder andere Leser erinnert sich vielleicht an die Anekdote, über die ich vor ein paar Jahren geschrieben habe, als Mark G. und ich bei seinen Verwandten in Florida waren. Eine Cousine hatte ihrem Sohn damals Hamburger und Pommes bei McDonald’s gekauft, und der Junge hatte die Tüte mit den Resten einfach unter den Sitz geschoben. Einige Jahre später wurde sie bei einer Grundreinigung gefunden, und angesichts des feuchten, warmen Klimas in Florida sollte man erwarten, dass sich in der Tüte allerlei neue Lebensformen tummeln, doch weit gefehlt: Der Burger sah nahezu frisch aus, und auch die Pommes waren nicht vergammelt. Inzwischen kennt man das Phänomen auch aus Island, wo 2009 die letzte Fast-Food-Filiale geschlossen hat und ein Künstler die letzte Portion Burger mit Pommes gekauft und vor einer Kamera platziert hat, die seither filmt, wie das Essen – nicht verdirbt.
Eine weitere Information, die mir den Appetit verdorben hat, betrifft die Kartoffeln. Anscheinend besteht McDonald’s darauf, dass ihre Fritten aus einer bestimmten Sorte hergestellt werden, die leider sehr anfällig für Schädlingsbefall ist. Aus diesem Grund bringen die Farmer jedes Jahr Pestizide auf, die so giftig sind, dass die Bewohner mehrere Tage lang ihre Häuser nicht verlassen können, bis sich die Dämpfe gelegt haben. Nach der Ernte müssen die Kartoffeln dann eine Weile in speziellen Silos ausgasen, bevor sie ausgeliefert werden.
Ein weiterer Grund für mich, einen weiten Bogen um die Burger-Bräter zu machen, ist das Geschäftsmodell, nach dem alle Gerichte zubereitet und dann warm gehalten werden. Gerade bei Burgern ist das, meiner Meinung nach, keine gute Idee und führt außerdem dazu, dass unverkaufte Ware nach einer gewissen Zeit weggeworfen wird.
Kürzlich habe ich mir jedenfalls The Founder angesehen, einen Film über die Entstehung des internationalen Fast-Food-Konzerns, und wenn man diese Geschichte kennt, wundern einen die Geschäftspraktiken nicht mehr.
The Founder
1954 klappert Ray Kroc (Michael Keaton) als erfolgloser Vertreter für Multi-Milchshaker sämtliche Drive-ins und Burgerläden der USA ab. Als das Schnell-Restaurant der beiden Brüder Dick (Nick Offerman) und Mac (John Carroll Lynch) McDonald aus San Bernardino bei ihm gleich ein halbes Dutzend Geräte bestellt, wird Ray neugierig. Vor Ort entdeckt er, dass den beiden Geschäftsleuten etwas Einzigartiges gelungen ist: Sie haben die Abläufe bei der Essensbereitung rationalisiert und die einzelnen Schritte so geschickt aufeinander abgestimmt, dass sie mehr Burger-Menüs pro Stunde verkaufen können als jedes andere Restaurant. Niedrige Preise und der Verzicht auf Geschirr und Bedienungen sorgen überdies für geringe Kosten und eine hohe Nachfrage. Ray ist so fasziniert, dass er das Konzept auf ein Franchise-Unternehmen übertragen möchte, doch die McDonalds sind skeptisch …
Der stärkste Moment des Films besteht aus einer Erzählung der beiden Brüder, wie sie auf die Idee zu ihrem Unternehmen gekommen sind. Hier schimmert das Narrativ des amerikanischen Traums durch, denn Dick und Mac mussten sich im Lauf ihres Lebens immer wieder neu erfinden, haben mit ihrem Schnell-Restaurant einen Traum verfolgt, sind mehrfach beinahe gescheitert, blieben aber am Ball und konnten am Ende triumphieren. Sie beweisen damit, dass jeder Mann mit einer gute Idee, Beharrlichkeit und Fleiß etwas aus sich machen kann. Zudem sind die beiden überaus sympathische, ehrliche, bodenständige Männer, die zu dem stehen, was sie verkaufen, und denen Profit nicht das Wichtigste ist. Vor allem Dick ist das Mastermind, der nicht nur für den reibungslosen Ablauf in der Küche gesorgt und die für den Massenbetrieb notwendigen Geräte erfunden hat, sondern auf dessen Konto auch die unverwechselbaren goldenen Bögen gehen, die zum Markenzeichen von McDonald’s geworden sind.
Auch Rays Geschichte wird wie eine Erzählung des amerikanischen Traums aufgezogen, wenn man ihn anfangs als erfolglosen Handelsvertreter erlebt, dem die Kunden stets die Tür vor der Nase zuschlagen, der an den Erfolg des Geschäftskonzepts glaubt, dafür sogar sein Haus verpfändet – und dennoch scheitert. Auch die McDonalds hatten zuvor versucht, ein Franchise aufzuziehen, aber bald festgestellt, dass es schwierig ist, ihre Vorschriften durchzusetzen. Ray löst dieses Problem, indem er auf Ehepaare setzt, die sich gegenseitig unterstützen und mit gesundem Pragmatismus und Einsicht in die Effizienz des Systems die Restaurants führen. Es ist auch sein einziges Verdienst.
Rays Ehe mit Ethel (Laura Dern) ist hingegen weit von dieser gleichberechtigten Partnerschaft entfernt, denn er kommt und geht, als würde er in einem Hotel wohnen, und seine Frau verbringt ihr Leben damit, auf ein paar angenehme Momente mit ihm zu warten. Von denen es mit der Zeit immer weniger gibt. Natürlich unterstützt sie ihn nach Kräften und nimmt jede Kränkung nahezu kommentarlos hin, wie es von einer Frau in jener Zeit erwartet wurde. Es ist eine undankbare Rolle für Laura Dern.
Dass Ray am Ende doch noch gigantischen Erfolg hat, verdankt er der Zufallsbekanntschaft mit einem Mann, der ihn darauf aufmerksam macht, dass er das meiste Geld nicht mit den Lizenzgebühren, sondern mit der Pacht der Grundstücke verdienen kann, auf denen die Filialen stehen. Entsprechend zählt der Konzern heute zu den größten Immobilienbesitzern der Welt – und verkauft quasi nebenbei Hamburger …
Als Ray am Ende Bilanz zieht, nennt er vor allem Beharrlichkeit als Schüssel zu seinem Erfolg. Der Zuschauer weiß zu diesem Zeitpunkt jedoch längst, dass es eher Skrupellosigkeit ist, denn Ray geht für seinen Erfolg über Leichen, wirft jeden Anstand, jede Moral über Bord und predigt gleichzeitig Familienwerte. Am Ende hat der den braven, etwas naiven Brüdern McDonald alles genommen, sogar das Recht am eigenen Namen.
Der amerikanische Traum war schon immer weitgehend eine Illusion oder ein geschickt vermarkteter Mythos. In den McDonald-Brüdern kommt die Erzählung ihrem Ideal noch am nächsten, auch wenn die beiden vermutlich ein wenig idealisiert dargestellt werden, in Ray erfährt sie eine groteske Verzerrung. Dabei ist der skrupellose Unternehmer keine Erfindung unserer Zeit oder gar des Neoliberalismus, sondern vor allem in der Gestalt der Räuberbarone ein fester Bestandteil der amerikanischen Geschichte.
Der Film von John Lee Hancock liefert genau das, was der Trailer verspricht: eine schonungslose Abrechnung mit einer Unternehmerlegende. Interessant ist dabei vor allem die erste Hälfte, in der Ray noch versucht, auf ehrliche Weise Erfolg zu haben. Seine Wandlung hin zum Widerling vollzieht sich dann leider ein wenig zu abrupt und lässt vor allem psychologische Finesse missen, als Zuschauer hat man zu diesem Zeitpunkt die Figur jedoch bereits verloren.
An sich eine sehr interessante Story, aber leider mit zu wenig Biss und einigen Längen erzählt.
Note: 3-