Black 47

Der Film befand sich schon eine Weile auf meiner Watchlist bei Prime Video, wo er mir aufgrund meiner Vorliebe für historische Stoffe empfohlen worden war. Die kurze Inhaltsangabe las sich allerdings nicht allzu verlockend, geht es in dem Streifen doch um die große Hungersnot in Irland Mitte des 19. Jahrhunderts und um einen Kriegsheimkehrer, der in Konflikt mit den englischen Besatzern gerät. Ein bisschen habe ich ein dröges Drama befürchtet, zumal ich auch noch nie von dem Film gehört hatte. Seine Uraufführung hatte er zwar auf der Berlinale, dennoch ist er in der Berichterstattung an mir vorbeigegangen.

Kürzlich war mir jedoch nach einem Film mit historischem Setting, der – auch das ist manchmal bei der Wahl ausschlaggebend – nicht zu lang sein durfte, und so habe ich mir den Film angesehen.

Black 47

1847: Feeney (James Frecheville) hat viele Jahre in Afghanistan und Indien als Ranger in der britischen Armee gedient, bis er eines Tages desertiert ist und nun nach Hause zurückkehrt. Er erkennt seine Heimat nicht mehr wieder, denn die Hungersnot hat das Land fest im Griff. Wer nicht nach Amerika auswandert, stirbt oder fristet ein elendes Leben. Die Kartoffeln auf den Feld sind verfault, den Weizen exportieren die britischen Landbesitzer nach England, und wer seinen Pachtzins nicht zahlen kann, wird aus seinem Haus vertrieben. Auch Feeneys Mutter ist verhungert, auch weil sie sich geweigert hat, die von der englischen Kirche bereit gestellte Nahrung anzunehmen, weil sie dafür ihrem Katholizismus hätte abschwören müssen. Feeneys Bruder wurde, nachdem er den Gerichtsvollzieher getötet hat, gehängt. Angesichts des Elends will Feeney mit der überlebenden Familie seines Bruders in die USA auswandern, doch bevor sie aufbrechen können, kommt es zu einer weiteren Konfrontation mit dem Verwalter des Gutsbesitzers Lord Kilmichael (Jim Broadbent). Am Ende ist seine Familie tot, und Feeney sinnt auf Rache …

In gewisser Weise erinnert die Grundidee an Filme wie Rambo: Ein wortkarger Kriegsheimkehrer begehrt gegen staatliche Willkür oder soziale Ungerechtigkeit auf. Das Bild, das Regisseur Lance Daly von Irland vermittelt, ist das eines zerrissenen Landes, in dem die Kluft zwischen der herrschenden britischen Landbesitzer-Elite und den ihrer Existenzgrundlage beraubten irischen Bauern unüberbrückbar geworden ist. Das Leben der Iren ist ein ununterbrochener Kampf um Nahrung, Kleidung und Obdach, ohne Hoffnung auf eine bessere Zukunft oder Barmherzigkeit von Seiten der Briten. Zwischen 1845 und 1849 hat Irland ein gutes Drittel seiner Bevölkerung verloren, eine Million starben allein durch die Hungersnot.

In diesem, an Dantes Inferno erinnerndem Setting mit ausgeblichenen Farben und einem bleischweren Himmel, unter dem selbst das Land all seine Schönheit eingebüßt zu haben scheint, entfaltet sich eine geradezu biblische Rachegeschichte: Feeney sucht all jene heim, die Schuld am Tod seiner Familie tragen, vom Mieteintreiber, über den Richter bis schließlich hin zum Landbesitzer. Schnell erkennen die Behörden, mit wem sie es zu tun haben, und schicken den britischen Polizisten Hannah (Hugo Weaving) los, der mit Feeney zusammen gedient hat und ihn am besten kennt. Hannah ist jedoch selbst in Ungnade gefallen, nachdem er einen Gefangenen getötet hat, und wird, sollte er Feeney nicht zur Strecke bringen, hingerichtet. Begleitet wird er von dem prinzipienstrengen Captain Pope (Freddie Fox), der Feeney mit allen Mitteln beseitigen will.

Die Drehbuchautoren Lance Daly, P.J. Dillon, Eugene O’Brien und Pierce Ryan geben sich große Mühe, Hannah differenziert zu gestalten. Anfangs erleben wir ihn als brutalen Polizisten, aber man erfährt auch, dass er großen Respekt vor Feeneys Fähigkeiten hat und durch den gemeinsamen Armeedienst auf eine Weise mit ihm verbunden ist, die grundsätzlich an seiner Loyalität zweifeln lässt. Das wird – bei aller Vorhersehbarkeit der Geschichte – recht spannend erzählt.

Es ist schade, dass man nicht mehr über Feeney erfährt. Er bleibt der große Schweiger und einsame Rächer, der stur seiner Bestimmung folgt, und nicht einmal die Konfrontation mit Hannah sorgt für tiefere Erkenntnisse bezüglich seiner angeknacksten Psyche. Dafür wird sein Feldzug gegen die Obrigkeit ungemein packend erzählt.

Abgesehen von ein paar kleineren Längen ein durchweg spannender und lehrreicher Film über ein düsteres Kapitel in der irischen Geschichte. Sehenswert.

Note: 3+

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Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem Öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.