Wenn ich mich nicht sehr irre, habe ich nie etwas von Hermann Hesse gelesen, glaube aber, dass irgendwo in den Tiefen meiner Regale eine Ausgabe von Der Steppenwolf steht, für die ich vor vielen Jahren nicht die nötige Geduld aufgebracht habe. Mit wenigen Ausnahmen bin ich ohnehin kein großer Fan der Literatur des frühen 20. Jahrhunderts.
Die Ankündigung der Verfilmung von Narziss und Goldmund hat mich daher zunächst kaltgelassen, bis der erste Trailer herauskam und nach einem schönen Historienfilm aussah. Und dafür kann ich mich ja fast immer erwärmen …
Narziss und Goldmund
Als Kinder lernen sich Narziss (Sabin Tambrea) und Goldmund (Jannis Niewöhner) in einem Kloster kennen, in das sie von ihren Familien abgeschoben wurden. Während Narziss still und introvertiert ist, ist Goldmund aufgeweckt und abenteuerlustig; sie ergänzen sich perfekt und werden die besten Freunde. Als junger Mann wird in Goldmund nach der Liebesnacht mit einer jungen Magd der Wunsch geweckt, in die Welt hinauszuziehen und nach seiner Mutter zu suchen. Narziss, dem klar geworden ist, dass seine Liebe zu Goldmund sein Seelenheil gefährdet, schickt ihn schweren Herzens fort. Erst viele Jahre später treffen sie sich wieder, und Goldmund erzählt von seiner aufregenden Wanderschaft …
Wie gesagt, der Trailer hat sehr neugierig gemacht auf eine pralle Geschichte aus dem Mittelalter, das so gar nicht düster und trübe aussieht, wie man es aus anderen Filmen kennt. Die Farben sind satt und bunt, die Menschen fröhlich, und gäbe es nicht eine furchtbare Pestepidemie, könnte man es für ein Paradies halten. Das größte Pfund, mit dem der Film wuchern kann, ist entsprechend die Kamera von Benedict Neuenfels.
Sicher, historisch korrekt sieht das Mittelalter von Regisseur Stefan Ruzowitzky nicht aus, es fehlen beispielsweise die allgegenwärtigen Binsen auf den Böden, und so gepflegte, weiße Zähne dürfte damals auch niemand gehabt haben. Aber wichtiger war, das Lebensgefühl einer Epoche zu vermitteln, die immer noch unter einem gewissen Imageschaden leidet und als dunkel und intolerant gilt.
Goldmunds Mittelalter ist jedoch voller praller Lebenslust und aufregender Abenteuer. Jannis Niewöhner zeigt dabei viel nackte Haut, was den Hedonismus seiner Figur wohl ebenso betonen soll wie ihre zahllosen Bettgeschichten. Goldmund ist schön und begehrenswert, ein Verführer, aber oft genug auch das Opfer lüsterner Weiblichkeit. Dass er dabei mit einem unverkennbaren Berliner Dialekt spricht, irritiert allerdings ein wenig.
Hesse hat in seinem Doppelporträt zwei konträre Lebensentwürfe gegenübergestellt: Narziss lebt zurückgezogen in seinem Kloster, wird aufgrund seiner großen Gelehrsamkeit bald Abt und widmet sich allein Gott und seinem Glauben. Goldmund kehrt der Religion weitgehend den Rücken und lebt allein im Hier und Jetzt ein sinnenfrohes Leben. Beide finden in gewisser Weise darin Erfüllung und erkennen am Ende doch, dass ihnen etwas fehlt, um das sie den anderen beneiden.
Im Zentrum steht jedoch Goldmunds Suche nach seiner Mutter, die bei Hesse zum mütterlichen Prinzip schlechthin wird. Am Ende erkennt Goldmund, dass man ohne Mutter nicht lieben und auch nicht sterben könne. Dieser Aspekt der Geschichte wird anschaulich geschildert und passt gut zu den beschriebenen Figuren, die eine tragische Liebesgeschichte miteinander verbindet, die schon aufgrund ihrer unterschiedlichen Wesen von Anfang nie ihre Erfüllung finden wird.
Tambrea, dessen Figuren immer distanziert, ein wenig steif und zu verkopft wirken, ist insofern ein guter Narziss, dem man jedoch nie emotional nahekommt. Niewöhner macht seine Sache als Goldmund schon allein aufgrund seiner Physis gut, doch da seine Figur ständig umhergewirbelt und atemlos durch die Geschichte getrieben wird, kommt man auch ihr nicht nahe. Er liebt die Frauen, und die Frauen lieben ihn, aber selbst wenn er für kurze Zeit eine Gefährtin hat, bleibt das einzige Beständige in seinem Leben die Unbeständigkeit, das Unbehaustsein in der Welt und ihrer Kunst.
Das Wesen der Kunst ist ein weiteres Thema des Films, von dem ich nicht so recht weiß, ob es in Hesses Erzählung bereits angelegt ist oder dazu dienen soll, dessen Mystizismus etwas entgegenzustellen, mit dem der Zuschauer mehr anfangen kann. Irritierenderweise wird dabei ein heutiger Diskurs geführt über die Bedeutung der Kunst und die Stellung des Künstlers, die beinahe diametral der mittelalterlichen Auffassung gegenübersteht. Über fehlende Binsen und perfekte Zähne kann man hinwegsehen, über diesen Anachronismus jedoch nicht, zumal nicht nur Aspekte, sondern auch Techniken und Gemälde der Renaissance auftauchen, die Ruzowitzkys Mittelalter vollends absurd erscheinen lassen. Und als wäre das noch nicht genug, steht auch die Qualität von Goldmunds Arbeiten in keiner Relation zu ihrer behaupteten Wirkweise.
Letzten Endes fallen diese Schwächen jedoch nicht so sehr ins Gewicht wie das Problem des Drehbuchs, zu einer packenden und berührenden Geschichte zu finden. Narziss ist ein statischer Charakter, der keine Entwicklung durchläuft, während Goldmund allein über die Suche nach seiner Mutter definiert wird und für keine seiner vielen Stationen Interesse aufzubringen zu scheint. Man folgt ihm daher eher lustlos auf seiner Reise, sucht in den auftauchenden Figuren nach bekannten Schauspielern und bleibt zuletzt von dem tragischen Ende völlig unberührt.
Schöne Schauwerte, aber erschreckend wenig Substanz.
Note: 3-