Bis 2018 hatte ich noch nie von Fred Rogers gehört. Als wir auf der CinemaCon in Las Vegas waren, wurde die Doku Won’t You Be My Neighbor? über Mr. Rogers vorgestellt – und während wir nur ratlos geschaut haben, waren die Amerikaner im Publikum sofort wie elektrisiert. Ein paar Wochen später waren wir bei Mark G.s Familie in Florida, und weil wir immer noch tonnenweise Süßigkeiten aus den Goodie Bags mit uns herumschleppten, haben wir einige davon unter den anwesenden Kindern verteilt. Und selbst die jüngsten kannten noch Mr. Rogers und waren scharf auf die mit seinem Konterfei verzierten Bonbondosen, dabei ist der beliebte Moderator bereits 2003 verstorben und seine letzte Sendung liegt noch zwei Jahre länger zurück.
Wir haben daraus zwei Dinge gelernt: Mr. Rogers ist eine nationale Ikone der US-Amerikaner, und Qualität ist zeitlos. Mister Rogers’ Neighborhood, die von 1968 bis 2001 lief, wird nicht nur regelmäßig wiederholt und gehört damit zu den am längsten laufenden Sendungen auf PBS, quasi dem amerikanischen öffentlich-rechtlichen Sender, sondern ist auch unter den Kindern unserer Zeit äußerst beliebt, obwohl der Look vermutlich inzwischen recht altbacken wirkt.
Der wunderbare Mr. Rogers
Lloyd Vogel (Matthew Rhys) ist ein zynischer Journalist, der bekannt ist für seine scharfzüngigen und entlarvenden Artikel. Als seine Chefin (Christine Lahti) ausgerechnet ihn nach Pittsburgh schickt, um den beliebten Moderator Fred Rogers (Tom Hanks) zu interviewen, möchte Lloyd am liebsten ablehnen, denn er glaubt, dass der nette Onkel, den dieser im Kinderfernsehen verkörpert, nur eine Figur ist. Doch Mr. Rogers empfängt ihn so herzlich und empathisch, dass Lloyd fasziniert ist. Zwischen den beiden entwickelt sich mit der Zeit eine Freundschaft, und es ist Mr. Rogers, der Lloyd am Ende mit seinem Vater (Chris Cooper) und damit mit seiner Vergangenheit versöhnt.
Wenn man weiß, dass Fred Rogers nicht nur Fernsehmoderator, sondern auch Pastor war und eigentlich Theologie studieren wollte, erkennt man deutlich den religiösen Charakter, der die Geschichte prägt. Im Grunde ist es sogar die Geschichte einer Bekehrung oder, weltlicher gesprochen, einer unerwarteten Wandlung. Dass Rogers zum Fernsehen gegangen ist, kann man auch durchaus als Mission verstehen, denn er hasste das Medium eigentlich, erkannte aber schon sehr früh seine Möglichkeiten und seinen Einfluss und wollte diesen nutzen, um seine kindlichen Zuschauer zu bilden und zu prägen.
Fred Rogers sagt im Film einmal, dass es in seiner Sendung darum gehe, Kindern zu helfen, mit ihren Gefühlen fertig zu werden. So spricht er darüber, wie man mit Wut und Angst umgeht, behandelt aber auch schwierige Themen wie Scheidung oder Tod. Lloyd wiederum leidet unter den Verletzungen aus seiner Kindheit, denn sein Vater hat die sterbende Mutter mit den halbwüchsigen Kindern im Stich gelassen, und Fred Rogers hilft ihm, die Wut, die er all die Jahre mit sich herumgetragen hat, loszulassen.
Auch Mr. Rogers hatte eine schwere Kindheit, denn er war introvertiert und übergewichtig, wurde ständig gehänselt und war entsprechend wütend auf die Welt. Wie er es geschafft hat, seine negativen Gefühle unter Kontrolle zu bekommen und ein ausgeglichener Mensch zu werden, wird allerdings nur am Rande erzählt. Überhaupt spielt Mr. Rogers nur eine untergeordnete Rolle, denn er verkörpert im Prinzip den reisenden Engel, der das Leben der Menschen, denen er begegnet, verändert, sich selbst dabei aber treu bleibt. Wer also erwartet, mehr über diesen bemerkenswerten Mann zu erfahren, sollte sich besser die genannte Doku ansehen, in der es vermutlich auch um seinen legendären Auftritt vor dem US-Senat geht, in dem er mit einer leidenschaftlichen Rede und einem Lied den knauserigen Politiker 20 Millionen Dollar für seine Sendung abgerungen hat.
Der Film von Marielle Heller basiert dagegen auf einem Zeitungsartikel von Tom Junod und erzählt dessen Entstehungsgeschichte. Die Story ist vorhersehbar und formelhaft erzählt, schafft es aber stets, haarscharf am Kitsch entlangzuschrammen. Was den Film letzten Endes bemerkenswert macht, ist vor allem die Performance von Tom Hanks, der übrigens ein entfernter Verwandter von Fred Rogers ist und dessen Image perfekt mit dem seiner Figur übereinstimmt. Sein Fred Rogers hat dabei viel von der Sanftheit und Liebenswürdigkeit eines Forrest Gump, ohne jedoch dessen Naivität zu teilen. Wüste man nicht, dass Mr. Rogers eine reale Person war, würde man einen dermaßen netten und einfühlsamen Mann glatt für eine Erfindung halten.
Trotz seiner schlichten, vorhersehbaren Geschichte und zuckersüßen Botschaft ein ruhiger Wohlfühlfilm mit einem wunderbaren Tom Hanks in der Titelrolle.
Note: 3+