Vielleicht liegt es an mir, aber ich habe das Gefühl, dass „die deutsche Titel-Verwirrung“, wie ich das Problem mal nennen möchte, immer seltsamere Blüten treibt. Normalerweise ärgere ich mich über dämliche und überflüssig Untertitel bei relativ einfachen Originaltiteln, diesmal geht es um den eigentlichen deutschen Titel eines Films. Im Original heißt er The Light Between Oceans, worunter sich wohl die meisten deutschen Kinogänger etwas vorstellen und den sie vermutlich auch problemlos aussprechen können, aber man kann auch verstehen, dass ein deutscher Titel vermutlich besser zu vermarkten ist.
Nun basiert der Film auf einem internationalen Bestseller, der in Deutschland Das Licht zwischen den Meeren heißt. Klingt poetisch, ist wörtlich übersetzt und passt zum Inhalt, denn der Titel nimmt Bezug auf eine Insel, die in der Geschichte eine zentrale Rolle spielt und zwischen dem Indischen Ozean und dem Pazifik vor der Küste Australiens liegt. Warum heißt der Film dann Liebe zwischen den Meeren? Falls der Romantitel aus rechtlichen Gründen nicht benutzt werden konnte, ist es verständlich, ihn entsprechend zu ändern, falls nicht, ist es einfach nur idiotisch. Was soll Liebe zwischen den Meeren überhaupt bedeuten? Kein Wunder, dass der Film gefloppt ist …
Liebe zwischen den Meeren
Tom (Michael Fassbender) nimmt Ende 1918 eine Stellung als Leuchtturmwärter auf einer einsamen Insel vor der australischen Küste an, um nach den Gräueln des Ersten Weltkriegs wieder zur Ruhe zu kommen und sein psychisches Gleichgewicht wiederzufinden. Bevor er aufbricht, verliebt er sich in Isabel (Alicia Vikander), die in einem kleinen Küstenort lebt, der der Insel am nächsten liegt. Nach regem Briefverkehr hält er bei seinem nächsten Aufenthalt um ihre Hand an, und nach der Heirat folgt sie ihm auf die Insel. Das Leben dort ist nicht einfach, aber sie sind glücklich – bis Isabel zwei Fehlgeburten erleidet, die sie in eine Depression stürzen. Eines Tages wird jedoch ein kleines Boot mit einem toten Mann und einem Säugling angespült, und Tom und Isabel entscheiden sich, das kleine Mädchen zu behalten und als ihr Kind auszugeben. Doch bei einem Besuch an Land findet Tom später heraus, dass das Kind eine Mutter (Rachel Weisz) hat, die um ihren Verlust trauert …
Der Titel könnte auch zu einer schmalzigen Schmonzette passen, etwas, das am Sonntagabend im ZDF läuft und von alleinstehenden Frauen angeschaut wird. Und um ein Haar hätte ich mir den Film auch genau deswegen nicht angesehen, aber die Besetzung hat mich neugierig gemacht, und weil der Film demnächst aus dem Angebot von Prime Video verschwindet, dachte ich mir, ich gebe ihm eine Chance.
Das Drehbuch, dass Regisseur Derek Cianfrance nach dem Roman von M.L. Stedman geschrieben hat, stellt den Zuschauer am Anfang leider auf eine Geduldsprobe, denn bis die Geschichte endlich beginnt, ist bereits eine Dreiviertelstunde vergangen. Bis dahin wird man jedoch mit soliden schauspielerischen Leistungen, exzellenter Bildgestaltung (von Adam Arkapaw) und vor allem der traumschönen Musik von Alexandre Desplat unterhalten. Richtig interessant wird die Story aber erst, nachdem Tom herausgefunden hat, wer die Mutter des Kindes ist, dessen sie sich angenommen haben.
Die zentrale Frage, die die Geschichte stellt, leuchtet das Verhältnis zwischen Moral und Liebe aus. Ist es legitim, etwas Verbotenes zu tun, wenn man damit dem Menschen helfen kann, den man liebt? Auch wenn dadurch ein anderer, ebenso unschuldiger Mensch leiden muss? Das moralische Dilemma, mit dem Tom sich auseinandersetzen muss, ist faszinierend, und das große Verdienst Cianfrances ist es, dass man alle Beteiligten der Geschichte sympathisch findet, mit ihnen mitleidet und nicht weiß, wie sie das alles ohne größeren Schaden an ihrer Psyche überstehen sollen.
Aus diesem Grund soll an dieser Stelle auch nicht viel über die zweite, wesentlich intensivere und spannendere Hälfte der Geschichte gesprochen werden. Cianfrance schafft es jedoch gekonnt, sämtliche Klippen des Kitsches gekonnt zu umschiffen und eine aufrichtige, zu Herzen gehende, aber niemals sentimentale oder gar rührselige Liebesgeschichte zu erzählen. Schade, dass sie an den Kinokassen so untergegangen ist.
Note: 3+