Ist die Rede vom Goldenen Zeitalter Hollywoods, denkt man zuerst an die berühmten Filme jener Ära und vielleicht noch an die Meisterregisseure und Stars, die sie hervorgebracht hat. Zu den Schattenseiten gehört aber auch das Studiosystem, das es nicht nur ermöglichte, Filme „wie am Fließband“ zu produzieren, sondern auch berüchtigt dafür war, Menschen zu zerstören. „What to believe in when they change your name, wash your brain“, heißt es etwa in Filmstar von Suede.
Das Leid mancher Stars ist das Kapital heutiger Filmemacher, die Bio Pics über ihr Leben und ihre Zeit erzählen. Es gibt tatsächlich einige davon, und sie alle haben dasselbe Problem: In die Rolle einer Hollywood-Ikone zu schlüpfen, ist unendlich schwierig und meist undankbar, denn im direkten Vergleich mit dem Original ziehen sie fast immer den Kürzeren. Renée Zellweger als Judy Garland? Noch dazu mit etlichen Gesangseinlagen? Da darf man gespannt sein, ob das gutgeht.
Judy
Die 16jährige Judy Garland (Darci Shaw) wäre gerne mehr wie ein normaler Teenager, doch der Studioboss Louis B. Mayer (Richard Cordery) will sie mit Der Zauberer von Oz endgültig zum Star mit dem Image des netten Mädchens von nebenan machen und duldet keine Widerworte. Judy bekommt Amphetamine, damit sie ihr Gewicht hält, Aufputschmittel, um die sechzehnstündigen Drehtage durchzustehen, und Schlaftabletten, um danach zur Ruhe zu kommen. Dreißig Jahre später ist Judy (Renée Zellweger) tablettensüchtig und alkoholabhängig – und pleite. Mit ihren beiden jüngeren Kindern absolviert sie Gesangsauftritte und Bühnenshows und lebt von der Hand in den Mund. Als die Kinder sich entscheiden, bei ihrem Vater Sid Luft (Rufus Sewell) zu bleiben, ist sie am Boden zerstört. Doch dann eröffnet sich ihr die Möglichkeit, nach London zu gehen, um dort eine Konzertreihe zu geben. Gleichzeitig verliebt sie sich in den jungen Nachtclubbesitzer Mickey (Finn Wittrock).
Die Geschichte erinnert stark an Filmstars Don’t Die in Liverpool über die letzten Monate im Leben der Hollywoodschauspielerin Gloria Graham und ihre Romanze mit einem wesentlich jüngeren Mann. Der Unterschied ist, dass Graham zwar bekannt war, aber bei weitem keine Ikone wie Judy Garland. Tragisch sind jedoch beide Lebensgeschichten.
Das Drehbuch von Tom Edge basiert auf dem Theaterstück End of the Rainbow von Peter Quilter, was man dem Film deutlich anmerkt, denn er konzentriert sich auf wenige Schauplätze und vor allem auf die Zeit ungefähr sechs Monate vor Garlands Tod im Sommer 1969. Einige wenige Rückblenden in ihre Teenagerzeit, als sie Der Zauberer von Oz drehte, runden die Story ab und werfen ein Licht auf die Anfänge der Drogenkarriere des Stars. Die Absicht dahinter wird schnell klar: Garland war ein Opfer der Umstände, vor allem aber der Männer in ihrem Leben.
Die Inszenierung von Louis B. Mayer kann man entsprechend schon sinister nennen, er bewegt sich stets im Halbschatten, wird häufig von unten gefilmt, was ihn bedrohlicher erscheinen lässt, und obwohl er mit sanfter Stimme spricht, ist er knallhart und despotisch. Kein Wunder, dass die junge Judy eingeschüchtert und verängstigt wirkt. Andere Einflüsse in ihrem Leben werden dagegen ausgespart, ihre ehrgeizige Mutter etwa, die sie bereits als Zweijährige auf die Bühne brachte, wird nur im Dialog erwähnt. Auch die Spielsucht von Sid Luft, die sie Millionen gekostet hat, wird nur am Rande angesprochen. Hier hätte der Autor etwas präziser sein können.
Man erahnt den Schmerz in ihrem Leben, selbst wenn man sich nicht eingehender mit ihrer Biografie beschäftigt, sondern nur den Film von Rupert Goold für sich sprechen lässt. Renée Zellweger liefert dabei eine fantastische Performance ab, für die sie zurecht ihren zweiten Oscar erhalten hat. Die Trauer, die Zusammenbrüche, aber auch die Listigkeit und Lebendigkeit Garlands werden ebenso spürbar wie ihre Bühnenpräsenz, und sogar die Songs, die sie selbst eingesungen hat, reichen beinahe an das Original heran.
Der Film hat einige Längen, und angesichts der fortschreitenden Selbstzerstörung kann man nicht davon sprechen, dass er einen Wohlfühlfaktor besitzt, aber er läuft mehrmals zu großer Form auf. Eine der schönsten Szenen ist das Treffen Garlands mit einem schwulen Paar, das zu ihren größten Verehrern gehört und zumindest ein kleines Licht auf ihre Bedeutung für die Schwulen-Community wirft. Der magischste Moment ist jedoch die Schlussszene, die so ergreifend ist, dass man allein für sie den Film ansehen sollte.
Note: 2-