Als Fan historischer Romane und ihrer Verfilmungen bin ich natürlich schon früh auf Little Women aufmerksam geworden, als ich im Fernsehen die erste Verfilmung Vier Schwestern mit Katherine Hepburn aus dem Jahr 1933 gesehen habe. Streng genommen war es nicht die erste Adaption, aber die Stummfilm-Version von 1917 gilt als verschollen. 1994 kam dann Betty und ihre Schwestern in unsere Kinos, und auch diese Version hat mir gut gefallen. Seltsamerweise gab es zum damaligen Zeitraum keine Übersetzung des Romans (und seiner drei Folgebände) ins Deutsche, was sich erst in den letzten Jahren geändert hat.
Ende letzten Jahres habe ich mir die Mini-Serie von 2017 angeschaut, und deshalb wurde es nun Zeit, sich der letzten Adaption zuzuwenden, die immerhin sechs Oscarnominierungen und eine Auszeichnung (für die Kostüme) bekommen hat.
Little Women
Jo March (Saoirse Ronan) versucht ihr Glück als Schriftstellerin in New York, als sie ein Brief ihrer Eltern (Laura Dern und Bob Odenkirk) erreicht, in dem sie vom schlechten Gesundheitszustand ihrer jüngeren Schwester Beth (Eliza Scanlen) erfährt. Während sie nach Hause zurückkehrt, erinnert sie sich an ihre Kindheit mit ihren Schwestern, der bodenständigen Meg (Emma Watson), die früh den Hauslehrer ihrer Nachbarn (James Norton) geheiratet hat, und der leicht selbstbezogenen Amy (Florence Pugh). Amy befindet sich gerade auf einer Europareise mit ihrer reichen Tante (Meryl Streep) und trifft dort auf ihren Jugendfreund Laurie (Timothée Chalamet), der schon immer in Jo verliebt war …
Alles unterliegt der Mode, und so gibt es auch in Hollywood seit einigen Jahren einen Trend beim Storytelling: verschachtelte Rückblenden. Natürlich ist das keine neue Erzählweise, sondern wurde auch früher schon eingesetzt, aber inzwischen wird sie geradezu inflationär benutzt. Entsprechend beginnt Little Women mit dem Leben der jungen Frauen, wenn sie bereits den Schoß der Familie verlassen haben.
Im Zentrum der Geschichte steht die temperamentvolle, schnell aufbrausende Jo, mit der die Romanautorin Louisa May Alcott sich wohl weitgehend selbst beschrieben hat. Regisseurin und Drehbuchautorin Greta Gerwig greift in ihrer Adaption zu einem Kunstgriff, der die Verschmelzung von Autorin und Figur, Realität und Fiktion sogar noch weiter auf die Spitze treibt, indem sie Jos Verhandlungen mit ihrem Verleger (Tracy Letts) schildert, der ihr eröffnet, dass Geschichten über Frauen nur zwei Enden kennen: Entweder ist die Frau am Schluss verheiratet oder tot. Und genau so kommt es auch im Film, wobei Jo der Hauptfigur in ihrem literarischen Werk gerne mehr Unabhängigkeit zugestehen würde, sich aber den Konventionen beugen muss. Parallel dazu sieht man, wie sie selbst die Liebe ihres Lebens findet, wobei nicht ganz klar ist, ob dies nun das tatsächliche oder eher das imaginierte Ende von Alcotts Roman ist, deren Verfasserin unverheiratet blieb.
Wie gesagt, die Geschichte springt permanent zwischen den unterschiedlichen Zeitebenen hin und her, manchmal so schnell, dass einem schwindelig werden könnte. Dabei gelingen Gerwig einige interessante Parallelmontagen, mitunter sorgt ihre Montage aber auch für Verwirrung, etwa wenn sie die Eheprobleme einer Schwester erzählt, bevor man von ihrer Vermählung erfährt. Gut, dass man die Geschichte nach so vielen Adaptionen in- und auswendig kennt …
Aufgrund der verschachtelten Rückblenden ist die erste Hälfte des Films ungeheuer hektisch und turbulent. Man hat das Gefühl, Gerwig möchte im Eiltempo durch die Handlung rasen, aus Angst, die eine oder andere schöne Episode auslassen oder verkürzen zu müssen. So fällt es schwer, sich den Figuren anzunähern und sie besser kennenzulernen. Das geschieht erst in der zweiten, ruhigeren und sehr viel gelungeneren Hälfte.
Man könnte meinen, dass die Hervorhebung der emanzipatorischen Aspekte ein Zugeständnis an den heutigen Zeitgeschmack wäre, doch Alcotts Romane waren in dieser Hinsicht ihrer Zeit weit voraus und setzten sich sehr klar für mehr weibliche Unabhängigkeit ein. Sehr schön fängt Gerwig jedoch die Lebenslust der vier jungen Frauen ein, ihre unbändige Energie, die sie auch auf ihre Bildsprache überträgt. Das ist gut gelungen.
Alles in allem kann man mit dieser Adaption zufrieden sein: Tolle Schauspieler, prachtvolle Kostüme und ein emotionales Finale, das so manche Schwäche der ersten Hälfte wieder wettmacht.
Note: 3+