Wer zu spät kommt, den bestraft bekanntlich das Leben, und so haben die DC-Comicverfilmungen immer den Vergleich mit den Konkurrenzprodukten aus dem Hause Marvel/Disney aushalten müssen – und dabei stets den Kürzeren gezogen. Lediglich Wonder Woman stach aus dem Haufen Durchschnitt hervor, zumindest der erste Film, und auch die Figur von Harley Quinn kam gut beim Publikum an. Wenn das nicht ein Plädoyer für mehr Frauenpower ist, weiß ich auch nicht.
Dass bei HBO Max nun eine neue Version von Justice League erschienen ist, habe ich vermutlich als Letzter und erst einige Tage nach der Veröffentlichung erfahren. Es wurde auch viel darüber diskutiert, ob dies nun auf Druck der Fans geschah, aus geschäftlichem Kalkül oder auf Wunsch von Zack Snyder, der von Anfang an der Produktion seinen Stempel aufgedrückt hatte, aus persönlichen Gründen aber den Film nicht vollenden konnte und mit dem Resultat vermutlich nicht allzu glücklich war. Zumindest in dieser Hinsicht ist er derselben Meinung wie viele DC-Fans.
Interessanterweise hätte es schon 2009 einen Film über die Superheldentruppe geben sollen, unter der Regie von George Miller und mit einer völlig anderen Besetzung, etwa mit Armie Hammer als Batman, doch dann – streikten die Drehbuchautoren. Schon klar, am Ende sind immer die Autoren schuld, dabei gab es noch andere Verzögerungen und vor allem den Erfolg von The Dark Knight, durch den die Verantwortlichen auf die Idee kamen, erst einmal mit Filmen über Einzelfiguren Kasse zu machen, bevor man über Teambildungen nachdenken kann.
Damit wird ein anderes Problem von Warner Bros. und DC klar: Ihnen fehlt ein Mastermind hinter dem Ganzen. So wie Kevin Feige bei Marvel die Fäden im Hintergrund zieht, hätte es auch hier jemanden geben müssen, der Ordnung in das DC-Universum bringt und die unterschiedlichen Filme inhaltlich miteinander verzahnt. Planung ist eben manchmal das A und O.
Aber zurück zu Justice League. Als der Film 2017 in die Kinos kam, fand ich ihn insgesamt nicht so schlecht wie viele andere. Allerdings kann ich mich nicht mehr an den Inhalt erinnern. So gar nicht. Liegt es am Alter oder an den viel zu vielen, sich ähnelnden Superheldenfilmen der letzten Jahre? Vielleicht hat er mich auch einfach nicht genug interessiert.
Jedenfalls ist das die beste Voraussetzung, um sich den Snyder-Cut anzuschauen. Da die meisten wahrscheinlich die ältere Version kennen, werde ich diesmal etwas ausführlicher über den Inhalt schreiben. Also: Spoiler-Alarm!
Zack Snyder: Justice League
Die Welt trauert um Superman (Henry Cavill), und während Lois Lane (Amy Adams) jeden Morgen zum Ort seines Todes pilgert, reist Batman (Ben Affleck) an eine ferne Küste, um dort Aquaman (Jason Momoa) zu überreden, Teil eines Teams aus Superhelden zu werden. Doch der Mann aus dem Wasser lehnt ab. Dabei schwebt die Erde in großer Gefahr, denn auf der Amazoneninsel kommt es zu einer Invasion aus dem All: Steppenwolf (Ciarán Hinds) und seine Paradämonen wollen den Planeten unterwerfen. Bei ihrem letzten Versuch vor einigen Jahrtausenden wurden sie von einer Allianz aus Amazonen, Atlantern und Menschen sowie einigen antiken Göttern zurückgeschlagen, und dabei blieben drei Werkzeuge zur Unterwerfung, sogenannte Mutterboxen, zurück, die seither von den Nachfahren der Kämpfer bewacht werden. Steppenwolf erobert die Box der Amazonen und hat es danach auf die der Atlanter abgesehen, doch die der Menschen ist verschwunden …
Während der Vorbereitungen für die Produktion hat Zack Snyder noch erklärt, dass sie nicht noch einmal die Geschichte einer Alieninvasion erzählen wollten, weil sie dies bereits in Man of Steel getan hätten. Dass sie letzten Endes doch wieder bei dieser Storyline gelandet sind, kann man durchaus als Hilflosigkeit deuten. Anscheinend gibt es keine größere vorstellbare Krise, die den Einsatz eines Teams aus Superhelden rechtfertigen würde, als eine von einem Eroberer angeführte außerirdische Armada. Da ich nie ein Superhelden-Comic gelesen habe, kann ich da nicht mitreden, wundere mich aber, dass es in all den Jahrzehnten keine bessere Story gegeben haben soll.
Verglichen mit der alten Version ist auch in Snyders Justice League die Geschichte von Steppenwolfs Invasion die schwächste Idee. Wie ich schon in meinem damaligen Blog-Beitrag schrieb, ähnelt die Vorgeschichte auf frappierende Weise jener von Der Herr der Ringe: Nicht nur die Kostüme, sondern auch einige Details erinnern stark an dieses Epos, nur werden keine Ringe, sondern Mutterboxen verteilt, und der geschlagene und verwundete Bösewicht wird nicht in einen Berg verbannt, dafür aber wie Darth Vader in eine schicke Rüstung verpackt. Apropos Mutterboxen: Man fragt sich, warum Steppenwolf in all den Jahrtausenden nicht auf die Idee kam, sie sich zurückzuholen. Entweder hat er noch ein paar davon in seiner galaktischen Garage stehen, dann macht die Suche nach ihnen keinen Sinn, oder sie sind einzigartig, was die Frage aufwirft, womit er in den vielen Jahrhunderten die erwähnten fünfzigtausend Welten erobert und unterworfen hat. Mit Schießpulver und kontaminierten Decken?
Da hinter jedem Bösewicht ein noch viel schrecklicheres Monster steckt, gibt es auch hier einen Mann im Hintergrund: Darkside. Ein bisschen ist er wie der Imperator in Star Wars, denn er sowie sein Bote tauchen fast nur als Hologramm auf. Auffallend ist außerdem seine Ähnlichkeit mit Thanos. Galaktische Verwandtschaft, oder fällt den Comicautoren nichts Besseres ein, als ständig bei der Konkurrenz zu klauen? Oder liegt es eher an der Einfallslosigkeit der Filmemacher? Und auf die Frage, warum diese beiden Monster schon deutsche und englische Namen trugen, lange bevor diese Sprachen entwickelt wurden, will ich lieber gar nicht erst eingehen.
Lassen wir mal den Bösewicht und seine Pläne zur Eroberung der Welt beiseite, denn das Herzstück des Films ist die Geschichte des Superheldenteams. Und hier muss man sagen, dass es Snyder geschafft hat, den einzelnen Storys mehr Tiefe zu verleihen. Wonder Woman (Gal Gadot) und Aquaman bedürfen dabei nicht mehr der Vorstellung, da sie bereits in ihren eigenen Filmen aufgetaucht sind und mit der Verteidigung der Mutterboxen alle Hände voll zu tun haben, doch die Einführung von Flash (Ezra Miller) und Cyborg (Ray Fisher) ist nun wesentlich besser gelungen. Nahezu jeder Auftritt von Flash ist humorvoll angelegt, was auch bitter nötig ist bei all der Düsternis und Schwere, und Cyborgs Schicksal ist eng mit der Geschichte der Mutterboxen verwoben und zudem von Tragik umflort, womit sie das emotionale Herz des Films bildet.
Streng genommen gibt es sogar ein zweites emotionales Zentrum mit Supermans Wiedererweckung, die aber erneut nicht so recht überzeugen kann. Inhaltlich macht es Sinn, aber die Wirkung verpufft ein wenig, weil es auch in dieser Version nicht dazu führt, dass Superman sich stärker mit seiner Verletzlichkeit oder gar seiner Sterblichkeit auseinandersetzt. Aber dieses Problem ist im Wesen der Figur angelegt, die einfach zu mächtig ist und damit zu langweilig.
Es zeigt sich, dass Snyder in erster Linie seiner Masche treu bleibt: Er inszeniert martialische Szenen voller Pathos und Pseudo-Bedeutsamkeit, düstere Gemälde, die hübsch anzuschauen sind, einen aber vollkommen kalt lassen. Man muss allerdings zugeben, dass diese knapp vierstündige Version besser ist als die nur halb so lange Fassung von Joss Whedon, weil sie sich – logisch – mehr Zeit für die Figuren nehmen kann, einen angenehmeren Rhythmus findet und nicht atemlos durch eine uninspirierte Geschichte hetzt. Sie wirkt viel runder und damit befriedigender.
Man muss aber auch sagen, dass Snyder ganz schön abschweift. Vermutlich traut er seiner eigenen Grundidee von der Alieninvasion, die er ursprünglich ja selbst als zu wenig originell verworfen hat, zu wenig, um sich darauf zu konzentrieren. So schön es auch ist, Wonder Woman oder Flash in einem Mini-Abenteuer zu beobachten, tragen diese Episoden nichts zur eigentlichen Geschichte bei. Sie sind nettes Beiwerk. Überflüssig sind auch die vielen Enden, die Snyder nachträglich angeklatscht hat, als erhoffte er sich so das Greenlight für eine oder mehrere Fortsetzungen. Anders kann man sich auch nicht das Auftauchen einer neuen Figur in der letzten Minute erklären, die man zuvor einmal kurz gesehen hat, die aber keine Rolle für die Geschichte spielt, oder der Hinweis auf die ominöse Antileben-Formel, für die sich Darkside noch einmal zur Invasion rüstet. Dabei dürfte jedem klar sein, dass es nicht noch einmal zu einem Angriff von dieser dunklen Seite kommen wird.
Alles in allem lässt einen der Film mit gemischten Gefühlen zurück. Vieles ist besser und runder geworden, aber summa summarum ist es immer noch die gleiche, wenig interessante und erschreckend unemotional erzählte Story von der drölfzigsten Alieninvasion. Es gibt immer noch zu wenig Humor, man fragt sich immer noch, wieso Aquaman eine Myriade Pullover in seinem Kielwasser zurücklässt (und woher er sie immer bekommt) und warum sich alle so furchtbar ernst nehmen müssen. Und hätte Snyder nicht so exzessiven Gebrauch von der Zeitlupe gemacht, wäre der Film auch glatt eine Stunde kürzer gewesen.
Note: 3