Egal, ob man eher ein Fan der Marvel- oder DC-Comicverfilmungen ist, alle Filme leiden unter schwachen, vorhersehbaren, nach der üblichen Hollywood-Formel gestrickten Geschichten. Der klare Vorteil, den Marvel in der Gunst des Publikums hat, ist vermutlich allein darauf zurückzuführen, dass ihre Helden zur Selbstironie fähig und keine von ihrer physischen und moralischen Überlegenheit überzeugte Übermenschen sind, deren Kämpfe mit einem Übermaß an Pathos inszeniert werden. Auch der Look ist ein heiterer, leichter und nicht so dunkel-dräuend wie bei DC.
Erst Wonder Woman hat diesen Blick auf die beiden Universen geändert, denn Regisseurin Patty Jenkins hat dem testosteronlastigen Franchise eine frische weibliche Note verliehen und mit Gal Gadot die perfekte Verkörperung der Heldin gefunden, die sexy und empathisch, aber auch mutig und stark sein darf. Sogar eine tragische Romanze war erlaubt, was sicherlich vor allem ein weibliches Publikum angesprochen hat, das ansonsten eher kein Fan dieses Genres ist.
Die Welt war also gespannt, wie das zweite Abenteuer der Amazone aussehen würde. Corona hat den üblichen Start jedoch verhindert, und bei uns wurde der Film nach einigen Terminänderungen schließlich zu Sky abgeschoben, wobei ein späterer Kinoeinsatz nicht ausgeschlossen ist. Diese Entscheidung kam überraschend, könnte aber damit zu tun haben, dass der Film beim Publikum nicht ankommt. Der imdB-Wert ist mit 5,4 verheerend, und nach Aussage einiger Fans ist die Produktion ein einziges Ärgernis. Grund genug, mir ein eigenes Urteil zu bilden.
Auch wenn ich mich bemühe, so wenig wie möglich zu spoilern, muss ist doch einiges über die Geschichte verraten, um aufzuzeigen, wo ihre Stärken und Schwächen liegen. Wer den Film noch sehen möchte, liest also auf eigene Gefahr …
Wonder Woman 1984
Kein wahrer Held wird aus Lügen geboren, lautet die Lektion, die die junge Diana (Lilly Aspell) lernen muss, als sie beim Schummeln in einem Wettkampf erwischt wird. Viele Jahre später arbeitet Diana (Gal Gadot) im Smithsonian Institute in Washington D.C., wo sie sich mit der tollpatschigen Wissenschaftlerin Barbara Minerva (Kristen Wiig) anfreundet. Als Barbara ein antikes Artefakt untersuchen soll, das aus dem Überfall auf einen Laden, den Diana verhindern konnte, stammt, entpuppt sich dieser Stein als magisch: Sobald man einen Wunsch äußert, wird er erfüllt, doch muss man dafür das opfern, was einem am wichtigsten ist. Ohne an diese Macht zu glauben, wünscht sich Barbara, mehr wie Diana zu sein, während ihre Freundin versehentlich Steve (Chris Pine) zurückholt. Doch dann fällt der Stein in die Hände des windigen Betrügers Maxwell Lord (Pedro Pascal) …
Wenn man von mehreren Menschen, darunter ausgewiesenen Comic-Fans gewarnt wurde, diesen Film anzuschauen, ist die Erwartungshaltung beinahe im negativen Bereich anzusiedeln. Entsprechend positiv überrascht war ich nach dem ersten Drittel, das durchaus unterhaltsam und keinesfalls so grottig ist, wie man meinen könnte. Okay, der Rückblick in Dianas Kindheit mit dem Wettkampf der Amazonen ist im Grunde überflüssig, etabliert aber das Thema, dass aus einer Lüge niemals etwas Gutes entstehen kann. Nur wenn man sich der Wahrheit, so schmerzlich sie auch sein mag, stellt, kann man wachsen und ein besserer Mensch werden.
Das zweite Motiv, das den Film und seine Figuren beherrscht, ist die Gier des Menschen, und hier zeigt sich, dass die Entscheidung, die Handlung 1984 anzusiedeln, eine sehr geschickte war. Zum einen, weil es das Jahr ist, in dem Orwells gleichnamiger Roman über staatliche Überwachung und die Manipulation von Wahrheit und Werten spielt, zum anderen, weil kein Jahrzehnt so sehr für die Entfesselung des Kapitalismus steht. Michael Douglas brachte das Motto 1987 in Wall Street mit seiner „Gier ist gut“-Rede perfekt auf den Punkt, und Pedro Pascals Maxwell Lord wirkt wie sein betrügerischer, schmieriger Cousin.
Doch so gut dieser Gegenspieler in die Zeit passt, so wenig eignet er sich als ebenbürtiger Herausforderer für Wonder Woman. Es wird nie wirklich klar, welche Ziele Lord eigentlich verfolgt, außer immer mehr Macht und Geld zu erlangen, für die er aber keine rechte Verwendung hat, und dass ihn der Stein langsam in den Wahnsinn treibt, ist nun wahrlich keine Überraschung. Physisch ist er keine Bedrohung, was schließlich zu einem absurden Showdown führt, in dem Diana Lord nicht besiegt, sondern wie einen Selbstmörder vom Sprung vom Dach abhält, indem sie ihm eine moralisierende Rede hält.
Dass dies wenig spektakulär ist, liegt auf der Hand, weshalb Barbara als Schurkin herhalten muss, die aufgrund ihres Wunsches plötzlich ebenfalls über übermenschliche Kräfte verfügt und diese selbst dann nicht aufgeben will, als sie erkennt, welchen Preis sie dafür bezahlt. Aber auch sie ist nur ein Hindernis, das sich Diana in den Weg stellt, aber keine Gegenspielerin im klassischen Sinn.
Im Grunde ist, und das kann man durchaus als Problem begreifen, der Stein Wonder Womans Widersacher. Ein Stein, und hier ist die Story – wie im Film auch erwähnt wird – von der Kurzgeschichte Die Affenpfote inspiriert, die ebenfalls Menschen ins Unglück stürzt, nachdem sie sich etwas gewünscht haben, ein Stein ist allerdings kein besonders aktiver oder gerissener Gegner.
Sowohl Thema als auch Aussage des Films sind interessant, passen in den historischen Kontext und sind gleichzeitig allgemeingültig. Dass Gier und der Wunsch nach einem immer besseren Leben im materiellen Sinn zu Chaos und letztlich zur Zerstörung der Welt führt, kann man auch als Mahnung an unsere Gegenwart verstehen. Mit Steves Rückkehr muss sich nicht zuletzt auch Diana damit auseinandersetzen, dass Wünsche gefährlich werden können, weil sie uns daran hindern, schmerzliche Wahrheiten zu akzeptieren. So trägt die Geschichte am Ende sogar dazu bei, Dianas psychologische Entwicklung voranzutreiben – sofern dieser Aspekt im geplanten dritten Teil aufgegriffen wird.
So klug die Metaebene jedoch konzipiert ist, kann der Film selbst nicht überzeugen – weil die Geschichte schwach ist. Das liegt aber nicht nur an den unzureichenden Schurken, sondern auch an Wonder Woman selbst, denn über weite Strecken der Geschichte hetzen Diana und Steve durch die Welt, entweder, um mehr über den Stein herauszufinden, oder, um Lord zu fassen zu bekommen. Leider ist diese Schnitzeljagd, trotz einiger weniger Actionszenen, nicht sonderlich spannend.
Erschwerend kommen einige Schlampereien und Ungereimtheiten hinzu: Hilfsmittel stehen immer genau dann zur Verfügung, wenn sie gerade gebraucht werden, und wenn man keine noch so lächerliche Erklärung findet, die der Zuschauer vielleicht noch unter äußerster Anstrengung seiner Fantasie akzeptieren kann, wird sie einfach komplett weggelassen. Manche Probleme lösen sich auch einfach in Luft auf. Dass Wonder Woman plötzlich neue Kräfte bekommt, die sie in der Gegenwart anscheinend nicht mehr hat und die wie aus der Luft gegriffen wirken, ist dabei noch das geringste Problem. Man hat das Gefühl, dass das Drehbuch mit der heißen Nadel gestrickt wurde, und es niemand gewagt hat, die vielen schlechten Ideen zu kritisieren.
Nach einem guten ersten Drittel nimmt die Geschichte leider zu viele falsche Abzweigungen, um zum Ende hin immer abstruser und enttäuschender zu werden. Auch wenn sie eine glaubwürdige Botschaft vermittelt und der Schluss eine versöhnliche Note beinhaltet, ist die Story leider viel zu schlampig erzählt – wenn auch nicht so schlecht, wie manche Fans behaupten …
Note: 4