Yes, God, Yes – Böse Mädchen beichten nicht

In dieser Woche dreht sich alles um Teenie-Filme. Sie erinnern Erwachsene an ihre eigene Jugendzeit und versichern Teenagern, dass sie mit ihren Problemen nicht allein sind auf dieser Welt. In diesem Genre geht es stärker als in allen anderen um die Selbstfindung, um prägende Einflüsse und Erfahrungen, die uns zu der Person machen, die wir sind. Außerdem erleben die jugendlichen Protagonisten vieles zum ersten Mal und dank ihres außer Kontrolle geratenen Hormonhaushalts gerät manches dabei zum großen Drama …

Apropos Hormone. In nicht wenigen Filmen und Komödien dieses Genres spielt Sex eine große Rolle. Lange Zeit waren Teenie-Klamotten sehr erfolgreich, man denke an Porky’s, die Eis am Stiel-Filme oder an American Pie. Inzwischen hat jedoch eine Veränderung stattgefunden, der Humor ist weniger klamaukig, vor allem aber hat sich die Perspektive zugunsten weiblicher Protagonistinnen verschoben. Einfach zu haben oder Booksmart erzählen auf clevere und witzige Art und Weise von den Erfahrungen weiblicher Teenager. Dem schließt sich nun ein Film auf Prime Video an, den ich neulich gesehen habe.

Yes, God, Yes – Böse Mädchen beichten nicht

Alice (Natalia Dyer) lebt in einer Kleinstadt im Mittleren Westen und geht auf eine streng katholische Schule, in der der Pfarrer (Timothy Simons) jeglichen Sex außerhalb der Ehe verurteilt und auch sonst gerne mit Hölle und Verdammnis droht. Zufällig gerät Alice jedoch im noch jungen Internet des Jahres 2000 in einem Chatraum an einen User, der sie zu Cybersex auffordert, was sie erregt und verwirrt. Als sie kurze Zeit darauf an einer kirchlichen Jugendfreizeit teilnimmt und dabei den attraktiven Chris (Wolfgang Novogratz) kennenlernt, werden ihre sexuellen Gefühle noch mehr in Aufruhr versetzt. Gleichzeitig geht das Gerücht um, sie hätte einen anderen Jungen sexuell befriedigt, was ihr prompt den Ruf einer Schlampe verleiht …

Die High-School an sich ist schon schwer genug, doch eine katholische Schule, in der noch dazu ständig von Sündhaftigkeit und Verdammnis gepredigt wird und die Lehrer Verweise verteilen, wenn man zu saloppe Kleidung trägt, erinnert schon fast an die Zustände in The Handmaids Tale. Frauen und Mädchen haben sittsam und züchtig zu sein, und wenn es doch zu sexuellen Aktivitäten kommt, ist es eher ihre Schuld als die der jungen Männer. Man kann nicht sagen, dass der Katholizismus seit der Hexenverfolgung dazu gelernt hätte.

Angesichts der lustfeindlichen, verklemmten Umgebung ist es kein Wunder, dass sehr viele verkorkste Menschen aus diesem Bildungssystem hervorgehen. Die Geschichte nach einem Kurzfilm von Regisseurin und Autorin Karen Maine erzählt entsprechend von einer doppelten Emanzipation. Alice entdeckt nicht nur ihre Sexualität, sondern auch, dass sie sich nicht von Autoritäten einschüchtern lassen sollte, die Wasser predigen und Wein trinken.

Ob es nun der Pfarrer ist, den sie beim heimlichen Porno-Konsum erwischt, oder die Vorzeige-Schülerin (Alisha Boe), die sie zufällig beim Oralsex mit einem Mitschüler beobachtet, Alice durchschaut nach und nach die Scheinheiligkeit und Doppelzüngigkeit ihrer christlichen Umwelt und wird mit der Zeit immer selbstbewusster und selbstsicherer. Es gelingt ihr sogar, die hässlichen Gerüchte zu entkräften und den Spieß umzudrehen, wobei sie eine Intrige spinnt, die sie selbst mehr erstaunt als alle anderen.

Man merkt dem Werk an, dass es als Kurzfilm konzipiert war und selbst bei einer Spielzeit von nur 78 Minuten nicht allzu viel zu erzählen hat. Dazu hätte man mehr aus den diversen Beziehungsbögen herausholen müssen, und etwas mehr Humor hätte sicherlich auch nicht geschadet. Immerhin liefert Natalia Dyer, die man aus Stranger Things kennt, eine überzeugende Performance ab, doch wie man das Thema besser, witziger und zeitgemäßer behandeln kann, zeigt die Serie Sex Education auf Netflix

Note: 3-

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Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem Öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.