Als 2014 Gareth Edwards’ Godzilla in unsere Kinos kam, hielt ich ihn zunächst für ein Remake des Films von Roland Emmerich, der 1998 versucht hat, die überaus erfolgreiche Filmreihe in westliche Erzählmuster zu übertragen und einem Publikum jenseits japanophiler Geeks nahezubringen. Da Edwards’ Film erfolgreich war, schien eine Fortsetzung unausweichlich, doch statt Godzilla kam … King Kong (in Kong: Skull Island, nicht zu verwechseln mit dem 2005er Remake von Peter Jackson).
Dass Godzilla und King Kong nun Teil eines neuen Universums sind, lag an einer Organisation namens Monarch, die in beiden Filmen eine gewisse Rolle spielt, was den Verdacht nahelegte, es hier mit einem neuen Franchise zu tun zu haben, das man naheliegenderweise Monarch-Universum hätte taufen können, stattdessen heißt es MonsterVerse. Macht ja auch irgendwie Sinn, nicht wahr?
Erinnert sich übrigens noch jemand an den Werbeslogan zu Emmerichs Godzilla: „Seize Does Matter“?. Böse Zungen macht damals daraus, in Anspielung auf die recht dürftige Handlung, „Plot Does Matter“, was vermutlich witziger war als der Film. Und da wir gerade bei Fun Facts sind: Der neue Godzilla ist der größte aller Zeiten…
Aber zurück zur filmischen Verwandtschaft von Godzilla und King Kong: Der Riesenaffe ist das erste Filmmonster, das eigens für das Kino geschaffen wurde (1933, King Kong und die weiße Frau), und hat seinen Ursprung in skandalösen französischen Skulpturen, einem Filmrelikt namens Creation und einem ersten Drehbuchentwurf der Produzenten sowie möglicherweise in einer Serie mit dem Titel The King of Kongo aus dem Jahr 1929. Der Film wurde jedenfalls zum weltweiten Hit, der sehr schnell Nachahmer fand: Noch im selben Jahr wurde ein japanischer Kurzfilm (mit dem wenig einfallsreichen Titel Japanischer King Kong) gedreht, 1938 gefolgt von King Kong erscheint in Edo, der das japanische Kaijū-Genre maßgeblich beeinflusst hat, so dass der Riesenaffe zu einem festen Bestandteil davon wurde. Bei King Kong erscheint in Edo kam übrigens ein Affenkostüm zum Einsatz, das von Fuminori Ohashi designt wurde, der später das erste Godzilla-Kostüm entwarf.
Godzilla selbst ist ein Kind des Atomzeitalters, die mahnende Antwort auf diverse Atomtestversuche und den Kalten Krieg. Der liegt bekanntlich schon eine Weile zurück, weshalb man 2014 überlegen musste, inwieweit man die Riesenechse in unsere Gegenwart überführen kann. Auftritt Godzilla als unbändige, den Menschen aber freundlich gesonnene Naturgewalt. Edwards hat immerhin ein recht eindrucksvolles Szenario geschaffen, in dem der Mensch zwischen den kämpfenden Monstern zu einem Nebendarsteller degradiert wurde, der hilflos mit ansehen musste, wie seine Städte dem Erdboden gleichgemacht wurden. Und hier setzt nun die Fortsetzung an.
Godzilla II: King of the Monsters
Als Godzilla die bösen Monster besiegt und dabei San Francisco zerstört, verlieren die Wissenschaftler Dr. Emma Russell (Vera Farmiga) und ihr Mann Mark (Kyle Chandler) ihren Sohn. Jahre später lebt Emma mit der Tochter Madison (Millie Bobby Brown) in einer Monarch-Einrichtung in China, wo sie Zeuge der Geburt von Mothra werden, einer Riesenmotto, die zu den Titanen gehört, die Monarch weltweit ausfindig gemacht hat. Emma ist es gelungen, ein Gerät zu entwickeln, das die Sonarsignale der Wesen kopiert und sie damit beeinflusst. Plötzlich wird die Einrichtung von Öko-Terroristen unter Führung von Alan Jonah (Charles Dance) gestürmt, der Emma und Madison entführt. Mit Emmas Erfindung will Jonah sämtliche schlafende Monster wecken und die Welt von den Menschen befreien, die den Planeten ausgebeutet und zerstört haben …
Mal Hand aufs Herz: Wer hat während des Lockdowns nicht ein paar Pfund zugelegt? Allen, die nun seufzend genickt haben, sei zum Trost gesagt: Auch Godzilla sieht ein bisschen rundlicher aus um die Hüften. Er war ja schon immer ein bisschen tapsig und unbeholfen, was vermutlich mit der Konstruktionsweise des Kostüms der frühen Film-Monster zu tun hatte, die es seinem menschlichen Träger schwer gemacht hat, zu sehen, wohin er tritt, und da die Macher des computergenierten Godzillas so nahe wie möglich am Original bleiben wollten, haben sie diese charmante Eigenschaft beibehalten. Godzilla ist ja auch ein Guter, und man identifiziert sich sicherlich leichter mit ihm, wenn man weiß, dass auch er Gewichtsprobleme hat.
Aber Spaß beiseite: Wie ist denn nun der Film? Ich muss ja gestehen, dass ich ihn damals nicht im Kino gesehen habe, weil die Kritiken durchwachsen war und der Trailer so oft lief, dass ich keine Lust mehr hatte, den ganzen Film zu sehen. Heute wünschte ich mir, ein solches Spektakel auf der großen Leinwand erleben zu können, und wenn wir richtig viel Glück haben, ist der dritte Godzilla-Film einer der ersten nach dem Ende des Lockdowns. Und hoffen wir weiter, dass er besser ist als sein Vorgänger.
Eines muss man dem Film von Michael Dougherty immerhin zugutehalten: Es dauert nicht so lange wie beim letzten Mal, bevor man eines der Monster zu Gesicht bekommt. Schon sehr früh begegnen wir Mothra und bald darauf King Ghidora, einem dreiköpfigen Drachen mit Monster-Ehrgeiz, denn er nimmt schon bald den Kampf gegen Godzilla auf, stürzt den König vom Thron und ergreift selbst die Macht.
Im Grunde ist das die Geschichte von Black Panther, ein exotisches Königsdrama, in dem die handelnden Figuren Drachen, Echsen, Motten oder Spinnen im XXXL-Format sind. Die Nerds dürfen sich dabei über verschiedene Referenzen zu den japanischen Filmen freuen, seien es das Monsterdesign, die Kampftechniken oder beispielsweise die Herkunft Ghidoras aus dem All. Auch der Oxygen-Zerstörer, eine Sauerstoff-vernichtende Waffe, stammt aus den Kaijū-Filmen (Kaijū-Verse?).
Wie schon in der 2014er Version spielt der Mensch nur eine untergeordnete Rolle. Er mag sich zwar einreden (und es gibt durchaus einige Beweise dafür), dass Godzilla ihm freundschaftlich gesonnen ist, aber das kann auch schlichter Anthropomorphismus sein. Godzilla hat seine eigene Agenda, und ob zwischen seinen Zehen ein paar menschliche Ameisen herumkrabbeln, ist ihm vermutlich schnuppe. Immerhin gibt es – und hier zeigt sich eine Parallele zu King Kong – einen Moment zwischenmenschlicher (zwischenmonsterlicher?) Interaktion, wenn Dr. Serizawa (Ken Watanabe) Godzilla gegenübertritt und ihm zu helfen versucht.
Für die Zuschauer, die dennoch versuchen, Anteil an den menschlichen Protagonisten zu nehmen, gibt es noch ein Familiendrama von der Stange: Emma und Mark müssen zuletzt natürlich noch ihre Beziehungsprobleme ausdiskutieren, die in Verbindung mit ihrer gemeinsamen Trauer um ihren Sohn tatsächlich nicht ganz unschuldig sind am Beinahe-Ende der Welt.
Insgesamt ist der Film trotz zahlreicher auftretender Monster, die nicht mehr Muto (massiver unbekannter terrestrischer Organismus), sondern Titanen (was zugegebenermaßen eindeutiger klingt) genannt werden und sich spektakulär bekämpfen, ein eher schlichtes Vergnügen. Die menschlichen Darsteller bleiben blass, ihre Schicksale lassen einen kalt. In Erinnerung bleiben einem eigentlich nur wenige eigenartige Details: Atomwaffen sind gut, Baseballstadien haben die besten Soundanlagen der Welt, und wenn die Monster Hochhäuser zum Einsturz bringen, sorgen sie dankenswerterweise dafür, dass die Straßen frei bleiben. Ach ja, und die Erde ist hohl, und Atlantis gab es wirklich …
Note: 4+
Godzilla II: King of the Monsters ist bei Netflix abrufbar.