Ideal Home

Vielleicht hätte ich gestern noch erwähnen sollen, dass die vorgestellte RomCom thematisch prima zum Valentinstag passt, der vergangenen Sonntag zelebriert wurde. Falls es hierzulande tatsächlich so viele Paare gibt, die Wert darauf legen, da dieser Tag in erster Linie Teil der amerikanischen Kultur ist. Aber es feiern ja inzwischen auch viele Menschen Halloween oder sehen sich den Superbowl an, und zumindest der Einzelhandel in Deutschland wird nicht müde, uns jedes Jahr auf diese Ereignisse hinzuweisen.

Auf der Suche nach etwas leichter Unterhaltung – für die nötige Schwere im Fernsehprogramm sorgte letzte Woche der Impeachment-Prozess gegen Ex-Präsident Trump – bin ich zufällig bei Prime Video über einen Film gestolpert, von dem ich noch nie gehört hatte. Der Trailer war okay, und eine der Hauptrollen wird von Paul Rudd gespielt, bei dem ich immer zuerst daran denken muss, wie ich ihn vor Jahren in Las Vegas einmal beinahe versehentlich die Treppe hinuntergeschubst hätte …

Ideal Home

Erasmus Brumble (Steve Coogan) ist ein erfolgreicher britischer Koch(buchautor) und Host seiner eigenen Show im amerikanischen Fernsehen, der zusammen mit seinem Lebenspartner und Produzenten Paul (Paul Rudd) in Santa Fe lebt. Eines Tages taucht der zehnjährige Bill (Jack Gore) bei ihnen auf, der Sohn von Beau (Jake McDorman), Erasmus’ Kind aus einer lange zurückliegenden „experimentellen Phase“ seines Lebens. Beau ist drogensüchtig und sitzt im Gefängnis, weshalb nun Erasmus und Paul als Ersatz-Eltern gefragt sind, doch die beiden hedonistischen Männer, die sich unentwegt streiten, nehmen diese Rolle nur sehr widerwillig an.

Regisseur und Drehbuchautor Andrew Fleming, der in den Neunzigern einige interessante Kinofilme (Der Hexenclub, Einsam, Zweisam, Dreisam) inszeniert hat, hat in der Geschichte eine Episode seines eigenen Lebens umgesetzt, da er mit seinem Ex-Partner dessen Sohn aufgezogen hat. Erasmus und Paul wiederum sind Figuren aus anderen Büchern, an denen Fleming gearbeitet hat, und er hat sie für dieses Projekt quasi verkuppelt.

Und genau das ist das Problem: Für sich genommen sind die beiden Hauptfiguren interessant, als Paar funktionieren sie jedoch nur auf dem Papier, sind sie doch zu verschieden und – vor allem – zu sehr zerstritten. Das ist zwar zum großen Teil witzig geschrieben und wird auch gut gespielt, doch insgesamt mangelt es den beiden an glaubhafter Chemie. Spätestens nach dem ersten Drittel wünscht man sich nur noch, das Paar würde sich trennen, um endlich aus seinem Elend erlöst zu werden.

Problematisch ist auch, dass Fleming seine Figuren sehr unterschiedlich in Szene setzt. Steve Coogan spielt dermaßen exaltiert und überkandidelt, dass man nie weiß, ob er gerade Nathan Lane parodiert oder einfach nur einen sehr exzentrischen Briten darstellen will. Er soll ein gefeierter Koch sein, steht aber nie am Herd und scheint auch sonst nicht viel Ahnung von der Materie zu haben. Ein typischer Blender, der sich geschickt selbst vermarktet und damit Erfolg hat. Um seinen Enkel kümmert er sich relativ wenig, er albert ein wenig mit ihm herum und führt sich eher wie ein Spielkamerad auf, geht aber nie auf Bills problematisches Verhältnis zu Beau ein. Auch sein eigenes Versagen als Vater wird nicht ausreichend thematisiert, dabei läge es auf der Hand. Insgesamt scheint es, als würde sich Fleming für die Figur nur interessieren, um sie als Clown einzusetzen. Was schade ist.

Die Rolle von Paul Rudd ist dagegen vielschichtiger und dankbarer, und entsprechend überzeugender ist er auch darin. Sein Paul leidet unter Panikattacken, und er fühlt sich von Erasmus zurückgesetzt, der es nur schwer ertragen kann, nicht im Mittelpunkt zu stehen. Entsprechend ist es vor allem Paul, der – obwohl er nie Kinder oder gar Haustiere wollte – sich liebevoll um Bill kümmert, den Hauptteil der Erziehung übernimmt und dabei ständig das Gefühl hat, zu kurz zu kommen. Man ahnt, dass Flemings Beziehung nicht gerade im Guten auseinandergegangen ist.

Ich glaube, ich verrate nicht zu viel, wenn ich sage, dass der Film davon handelt, wie aus den ungleichen Charakteren, zu denen man auch den stillen, vernachlässigten Bill zählen kann, schließlich eine Familie wird. Jede Figur macht eine (manchmal nur kleine) Veränderung durch, die allerdings fast nie vorbereitet, sondern am Ende einfach behauptet wird, und der Junkie Beau bekommt, was er verdient. Das ist an manchen Stellen ärgerlich, und obwohl die Absichten sicherlich löblich waren, ist die Umsetzung einfach nur schwach. Gerade in jenen Momenten, in denen der Film einen ernsten Ton anschlägt und versucht, den Problemen der Figuren auf den Grund zu gehen, schlägt die Stimmung nahezu augenblicklich in albernen Klamauk um.

Zur Ehrenrettung des Films muss man aber auch sagen, dass manche Gags gut funktionieren, und man sich tatsächlich amüsieren kann. Es ist nur schade, dass nicht mehr daraus geworden ist.

Note: 3-

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Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem Öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.