Ich bin ein ziemlicher Sportmuffel, vor allem wenn es um den passiven Konsum von Veranstaltungen jeglicher Art geht, seien es Fuß-, Hand- oder Basketballspiele, die Olympiade oder ein Eishockeymatch – nichts davon kann mich vor den Bildschirm bannen. Und nein, ich gehe auch nicht ins Stadion.
Wenn mir jemand vor einiger Zeit gesagt hätte, dass ich mir freiwillig eine Fußballserie anschaue und sie sogar toll finde, hätte ich mich vermutlich ziemlich gewundert. Als Ted Lasso vor ein paar Wochen bei AppleTV+ erschien, habe ich sie naturgemäß links liegengelassen und mir nicht einmal den Trailer angesehen. Doch die Produktion hat eine sehr gute Mundpropaganda, und nachdem einige Freunde meinten, sie könnte mir gefallen, habe ich ihr tatsächlich eine Chance gegeben. Zum Glück …
Ted Lasso (Jason Sudeikis) ist ein amerikanischer Football-Coach, der als neuer Cheftrainer eines britischen Premier-League-Clubs nach London reist – ohne die geringste Ahnung von Fußball zu haben. Der Verein gehört zu großen Teilen der zynischen Rebecca Welton (Hannah Waddingham), die ihn nach der Scheidung zugesprochen bekommen hat und ihn – um ihren verhassten, fußballbegeisterten Ex-Mann zu bestrafen – nun ruinieren möchte. Mit dem ahnungslosen Ted als Trainer sollte doch der Klassenabstieg eine ausgemachte Sache sein …
Als NBC 2013 damit begann, die englische Premier-League in den USA zu übertragen, hat Jason Sudeikis eine Sketch-Reihe rund um die Figur Ted Lasso kreiert. Zusammen mit Bill Lawrence, Brendan Hunt und Joe Kelly entwickelte er dann für AppleTV+ die Serie, die wegen ihres großen Erfolgs bereits um zwei weitere Staffeln verlängert wurde.
Die Figurenkonstellation mit den überzeichneten Charakteren und Stereotypen erinnert eher an eine klassische Sitcom, wozu auch die Länge der einzelnen Episoden mit rund 30 Minuten passt, aber Ted Lasso ist mehr als nur eine billige Aneinanderreihung von Witzen. Die Hauptfigur erscheint auf den ersten Blick reichlich naiv, der tumbe Tor, der gutmütig und hilfsbereit in die Welt zieht, aber von allen ausgenutzt und für dumm verkauft wird. Tatsächlich ist Ted ein unverbesserlicher Optimist, der ganz offen damit umgeht, von Fußball keine Ahnung zu haben – und selbst die meisten Witze über die eigene Ignoranz reißt. Dass er von Anfang an bei den Fans nur „der Wichser“ ist, trägt er daher mit Gelassenheit. Denn Ted geht es nicht um das Spiel und schon gar nicht ums Gewinnen, sondern darum, aus seiner Mannschaft ein richtiges Team zu bilden, eine kleine, verschworene Gemeinschaft, und darüber hinaus jeden einzelnen darin nach bestem Wissen und Gewissen zu fördern. Er sieht seine Aufgabe darin, und das ist das märchenhafte Element, jeden Spieler in die beste Version seiner selbst verwandeln.
Bei den meisten Fußballern beißt er damit jedoch auf Granit. Wie den Fans geht es ihnen vor allem ums Gewinnen, und gerade die Stars haben ein riesiges Ego, das Teds Plänen im Weg steht. Zu den zentralen Figuren der ersten Staffel gehören vor allem Jamie (Phil Dunster), der Star des Teams, ein dümmlicher, eitler und selbstverliebter junger Mann, und Roy Kent (Brett Goldstein), der am Ende seiner Karriere angelangt und auf alles und jeden wütend ist. Wie es Ted gelingt, die beiden zu zähmen und zu Teamplayern zu machen, ist eine psychologische Meisterleistung.
Zu den witzigen und unverwechselbaren Figuren der Serie gehören noch Jamies Freundin Keeley (Juno Temple), der bärbeißige Co-Trainer (Brendan Hunt), der unsichere, einen aber immer wieder überraschende Zeugwart Nathan (Nick Mohammed) sowie Rebeccas rechte Hand Higgins (Jeremy Swift). Sie alle wachsen einem bereits nach zwei, drei Folgen ans Herz, und sie alle machen zum Teil erstaunliche Veränderungen durch, mit denen man nicht immer gerecht hätte.
Zugegeben, nicht jeder Gag zündet, nicht jede Pointe sitzt, aber die Serie lebt in erster Linie auch nicht von ihrem genialen Humor oder ihren pointierten Dialogen, sondern von den warmherzig gezeichneten Figuren, die trotz stereotyper Grundzüge genügend Individualität entwickeln, um zu überzeugen. Entsprechend geht es in den einzelnen Episoden auch immer um die Figuren und ihre Entwicklung, nur am Rande dagegen um Fußball und den Abstiegskampf des Clubs. Wer also – wie ich – befürchtet, ständig Ausschnitte aus diversen Spielen zu sehen, kann beruhigt sein.
Alles in allem ist Ted Lasso eine äußerst angenehme Überraschung, eine Serie, die ihrem Ruf und ihrem tollen IMDb-Wert auch wirklich gerecht wird – und auf deren Fortsetzung ich mich auf jeden Fall freue. Nach The Morning Show schon die zweite Serie von AppleTV+, die für mich zu den besten des vergangenen Jahres zählt.