Es war in den vergangenen vier Jahren nahezu unmöglich, sich nicht mit amerikanischer Politik zu beschäftigen, auch wenn zu hoffen steht, dass sie in den nächsten Monaten wieder verlässlicher und sogar langweiliger wird. Gerade die jüngste Vergangenheit hat gezeigt, wie sehr wir bei der Bewältigung globaler Problemen wie der Corona-Pandemie oder der Klimaveränderung auf eine starke, sich für freiheitliche Werte und Demokratie einsetzende Weltmacht wie die USA angewiesen sind, und wie verletzlich und gespalten unsere Gesellschaft inzwischen geworden ist.
Die Auseinandersetzung zwischen Linken und Rechten, zwischen Progressiven und Konservativen ist natürlich nicht neu, sondern bestand schon immer, aber in den letzten Jahrzehnten scheint sich die Intensität dieses Kampfes, befeuert vom Neoliberalismus und der wachsenden Ungleichheit in der Gesellschaft ebenso wie von den Sozialen Medien, immer weiter gesteigert zu haben. Besonders deutlich sieht man das in den USA, in denen in der Vergangenheit schon oft soziale Entwicklungen vorweggenommen wurden, die sich zu einem späteren Zeitpunkt und in anderer Form auch bei uns in Europa manifestiert haben. Die Konflikte mit den Querdenkern und Verschwörungstheoretikern, die zurzeit bei uns ausgetragen werden, sind vermutlich nur der Anfang.
Auch wenn Trumps Präsidentschaft inzwischen Geschichte ist, ist die Bedrohung noch lange nicht gebannt, und nicht erst seit der Erstürmung des Kapitols stellt sich die Frage, wie es nur so weit kommen konnte. Die Antwort ist nicht so einfach und reicht bis in die späten Sechziger-, frühen Siebzigerjahre zurück, als der gesellschaftliche Wandel, der in direkter Linie zum Populismus Trump’scher Natur geführt hat, seinen Anfang nahm. Vor einigen Jahren habe ich hierzu ein vorzüglich geschriebenes Buch gelesen, George Packers Die Abwicklung: Eine innere Geschichte des neuen Amerika, das, obwohl bereits 2013 erschienen, viele Dinge kongenial auf den Punkt bringt. Nur so als Empfehlung am Rande.
Bei der Frage nach dem Warum hilft bekanntlich oft der Blick zurück. Und neben klugen Sachbüchern gibt es auch eine ganze Reihe von Filmen, Dokumentationen und Serien, in denen sich Hollywood mit Themen wie der Gleichberechtigung von Farbigen, Frauen oder Schwulen auseinandersetzt, den Betroffenen eine Stimme verleiht, sie sichtbar und ihre Probleme emotional erfahrbar macht und den Zuschauern dabei oft auch komplexe Sachverhalte erklärt.
Eine der für mich besten Mini-Serien des vergangenen Jahres war Mrs. America, in der es um den Kampf der Konservativen, angeführt von der republikanischen Aktivistin Phyllis Schlafly (Cate Blanchett), gegen das ERA geht. ERA, muss man wissen, ist eine Abkürzung für Equal Rights Amendment, ein Zusatz zur amerikanischen Verfassung, der Frauen die gleichen Rechte sichern soll. 1972, fast fünfzig Jahre, nachdem der Zusatz im Kongress eingereicht worden war, stimmten ihm beide Kammern endlich zu. Um endgültig in Kraft treten zu können, mussten aber noch 38 der 50 Bundesstaaten den Zusatz ratifizieren. Und hier setzt die Handlung an.
Das Thema hört sich auf den ersten Blick vielleicht trocken und politisch an, wird aber höchst vergnüglich umgesetzt – und ist immer noch brandaktuell. Die Serie handelt zum einen von der Frauenbewegung und ihren Ikonen wie Gloria Steinem (Rose Byrne) und Betty Friedan (Tracy Ullman), aber auch von Politikerinnen wie die linke Bella Abzug (Margo Martindale) und die rechte Jill Ruckelshaus (Elizabeth Banks), die sich für den Zusatz einsetzen und die (männlichen) Politiker in den Bundesstaaten zu überreden versuchen, ihre Agenda zu unterstützen. Wobei sie sich untereinander auch nicht immer ganz grün sind und ihre internen Grabenkämpfe führen.
Auf der anderen Seite steht Phyllis Schlafly, eine kluge, gebildete Frau, Mutter von sechs Kindern und ambitionierte Politikerin, die vergeblich für den Kongress kandidiert hat. Als ausgewiesene Expertin für Nuklearfragen hofft sie auf eine Stellung in der zweiten Nixon-Administration – und wird bei einem Sondierungsgespräch zum Kaffeekochen geschickt. Die Männer schätzen zwar ihre Expertise, weigern sich aber, ihr Einfluss zuzugestehen.
Um ihre Meinung kundzutun, schreibt Phyllis regelmäßig einen Report, den sie konservativen Frauen im Land zukommen lässt, und als ihre Freundin Alice (Sarah Paulson) sie auf das ERA und den Kampf der Feministinnen aufmerksam macht, sieht sie eine Chance, sich damit die nötige Aufmerksamkeit zu verschaffen und ihre konservative Meinung publik zu machen. Die Serie zeichnet das sehr feinsinnige Porträt einer Frau, die in Harvard studiert hat und in der Politik Karriere machen möchte, aber von den republikanischen Parteifunktionären konsequent ausgebremst und kleingeredet wird. Als Frau darf sie sich nicht einmal dagegen zur Wehr setzen, weil sie sonst als hysterisch abgestempelt würde, und flüchtet sich in ein hilfloses Lächeln, das Cate Blanchett auf unheimliche Weise perfektioniert hat und das sowohl ihren Frust als auch ihre Unsicherheit durchschimmern lässt.
Als konservativ erzogene Frau steht sie andererseits voll und ganz hinter den propagierten gesellschaftlichen Werten, die von einer Frau Unterordnung und eine bestenfalls indirekte öffentliche Rolle – nämlich an der Seite ihres erfolgreichen Ehemannes – erlauben. Schlafly bekennt sich dazu, dass die Aufgabe einer Frau in erster Linie die der Hausfrau und Mutter sein muss, und sieht ihren Einfluss auf gleichgesinnte Frauen im Land als ihr wichtigstes politisches Pfund. Mit ihren Kontakten wird sie vereinzelt sogar zur Königsmacherin, die Kandidaten wie Ronald Reagan den Weg ebnet – selbst aber nie einen Platz in der ersten Reihe zugestanden bekommt. Zum Teil aus dieser Überzeugung, zum Teil sicher auch aus Neid auf die erfolgreichen, berufstätigen Frauen der Linken lässt sie nichts unversucht, das ERA scheitern zu lassen, und avanciert so zur großen Widersacherin der Frauenbewegung.
In den ersten sieben Folgen steht jeweils eine der weiblichen Protagonistinnen im Mittelpunkt. Gleichzeitig wird die Geschichte des Kampfes um weibliche Gleichberechtigung in den Siebzigern aufgerollt, die mit der Wahl Reagans in den finalen Folgen endet. Damit zeichnet die Serie auf sehr kluge und überaus vergnügliche Art nach, wie sich die amerikanische Gesellschaft in dieser Zeit verändert hat, wie das Pendel immer weiter nach rechts ausschlägt. Wobei Trump hoffentlich die Kehrtwende markiert und das Pendel wieder in die andere Richtung schwingt. Interessanterweise starb Schlafly kurz vor Trumps Wahl und schrieb vor ihrem Tod noch ein Buch, in dem sie ihn unterstützte.
Mrs. America ist zurzeit noch bei Sky verfügbar, und wer kluge Unterhaltung, politische Aufklärung und gut aufgelegte Schauspieler zu schätzen weiß, sollte sich diese Mini-Serie nicht entgehen lassen.