Mit Stephen Kings Geschichten bin ich lange Zeit nicht richtig warm geworden. Das lag vor allem daran, dass ich als Jugendlicher mit dem Horror-Genre nicht viel am Hut hatte. Ich habe ein paar seiner Kurzgeschichten gelesen, die ich nur mittelprächtig fand und von denen mir nur Das Floß aufgrund seiner unappetitlichen Details in Erinnerung geblieben ist, und den Roman Friedhof der Kuscheltiere, der mir überhaupt nicht gefallen hat.
Mit den Verfilmungen seiner Werke konnte ich schon eher etwas anfangen, besonders Carrie – Des Satans jüngste Tochter und Shining mochte ich, als ich sie Ende der Achtziger auf Video oder im Fernsehen gesehen habe. Stand by Me – Das Geheimnis eines Sommers habe ich nicht im Kino, sondern ebenfalls auf Video gesehen – und fand ihn ziemlich langweilig. Als er kürzlich im Fernsehen lief, dachte ich mir, es ist an der Zeit, dem Film noch eine Chance zu geben.
Stand by Me – Das Geheimnis eines Sommers
Als Gordon (Richard Dreyfuss) vom Tod eines alten Freundes erfährt, erinnert er sich an ihre gemeinsame Jugendzeit und ein Abenteuer, das sie gemeinsam mit ihrer damaligen Clique erlebt haben: 1959 verschwindet ein Junge spurlos. Einige Tage später hört Vern (Jerry O’Connell) zufällig, dass sein Bruder dessen Leiche in der Nähe von Bahngleisen an einem Flussufer gefunden, dies aber nicht der Polizei gemeldet hat, weil er mit einem gestohlenen Wagen unterwegs war. Nun wollen Vern, Gordon (Will Wheaton), Chris (River Phoenix) und Teddy (Corey Feldman) die Leiche suchen, um dadurch zu Helden zu werden.
Vier zwölfjährige Jungen marschieren zwei Tage lang Eisenbahnschienen entlang, um nach einem verunglückten Jungen zu suchen, den sie nur flüchtig kannten, philosophieren dabei über Gott und die Welt, erzählen sich Anekdoten und Geschichten und geraten schließlich mit einer Bande Halbstarker aneinander, die von dem gemeinen John (Kiefer Sutherland) angeführt wird. Das fasst den Film sehr gut zusammen und ist der Grund, warum er mir Ende der Achtziger nicht übermäßig gefallen hat. Es passiert einfach viel zu wenig, die Handlung ist eher episodisch und wird von einem kurzen Film im Film unterbrochen, der so pubertär-albern ist, dass er kurzzeitig die Stimmung ruiniert.
Als Erwachsener hat man naturgemäß eine andere Sicht der Dinge. Man versteht nun besser, dass der Film eine nostalgische Rückbesinnung auf die vermeintlich heile Kindheit ist, die bei näherer Betrachtung keinesfalls das Paradies ist, als das wir sie oft in Erinnerung haben. Im Kern geht es in der Geschichte um die unverbrüchliche, reine Freundschaft, die vielleicht nur vor der Pubertät möglich ist, bevor der Einfluss der Welt, Hormone und divergierende Interessen alles verändern.
Freunde kommen und gehen, vor allem in der Jugend. Man ist einige Jahre lang eng mit jemandem befreundet, verliert sich dann aus den Augen oder verändert sich so sehr, dass man nichts mehr mit dem anderen anfangen kann. Auch Gordon und seinen Kumpels wird es so gehen, wenn der Sommer zu Ende ist, denn große Veränderungen stehen an. Die vier werden bald auf die Junior High-School gehen und unterschiedliche Kurse belegen. Gordon ist klug und schreibt gerne, weshalb Chris davon ausgeht, dass er studieren wird. Ihm selbst bleibt das, so befürchtet er, versagt, weil seine Familie einen schlechten Ruf hat, dabei ist Chris selbst nicht dumm, sondern überaus empathisch und fürsorglich. Mit einem kleinen rebellischen Touch.
Alle Jungen haben Probleme mit ihren Eltern, insbesondere mit ihren Vätern. Gordon leidet unter dem Unfalltod seines geliebten älteren Bruders (John Cusack) und der Abneigung seines Vaters, weil er nicht so sportlich begabt ist wie der Verstorbene. Chris hat einen prügelnden Vater, der aber nicht so brutal ist wie der von Teddy, der seinen Sohn in einem Wutanfall beinahe getötet hätte und der wegen einer Kriegsneurose in der Psychiatrie sitzt. Der einzige, über den man sehr wenig erfährt, ist Vern.
Die große Kunst des Drehbuchs besteht darin, dem Zuschauer diese vier Jungen, ihre Nöte und Hoffnungen näher zu bringen, den Schmerz, den sie schon in so jungen Jahren erleben mussten, und ihre Wut über die Ungerechtigkeit der Welt. Und über allem schwebt die bittersüße Melancholie der Erinnerung, genährt von einem wundervollen Fünfzigerjahre-Soundtrack. Das macht den Zauber der Geschichte aus.
Sicher, es passiert relativ wenig in dem Film von Rob Reiner, der deswegen auch einige Mühe hatte, eine Finanzierung auf die Beine zu stellen. Doch immerhin beinhaltet er wenigstens eine unglaublich spannende Szene und einen dramatischen Showdown. Entscheidend sind aber vor allem die Veränderungen in den vier Jungen in diesem letzten Sommer ihrer Kindheit, der voller Abenteuer und Zauber steckt. Ein Klassiker, den man gesehen haben sollte.
Note: 2-